Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Gunnar Landsgesell · 31. Jän 2013 · Film

Zero Dark Thirty

Kathryn Bigelows Versuch, mit den gleichen Mitteln wie "The Hurt Locker" mit der Suche nach Osama bin Laden nun auch den "war on terror" zu inszenieren, erweist sich als nur teilweise erfolgreich. Die CIA ist kein militärischer Entminungsdienst, sondern ein politischer Apparat. Die fehlende politische Haltung von "Zero Dark Thirty" dürfte schließlich auch zu gravierenden Mißverständnissen geführt haben.

Bei den Torturen in der Lagerhalle wendet sie sich ab. Ein verdächtigter Gefolgsmann von Osama bin Laden soll zum Sprechen gebracht werden. Man gießt ihm Wasser in den Mund, sperrt ihn in ein Kästchen, entmenschlicht ihn. Ob die junge CIA-Agentin diese offensichtliche Folter ihres Arbeitgebers moralisch verurteilt oder einfach – noch – nicht aushält, bleibt unklar. Am Ende wird Jessica Chastain (Maya), auf deren Figur der Film ganz zugeschnitten ist, triumphieren, dann hat sie nach Jahren beharrlicher Arbeit bin Laden geortet. Wie Maya selbst zu einem Teil der CIA und deren Ermittlungsmethoden wird, schildern Kathryn Bigelow und Drehbuchautor Mark Boal als langen und überraschend technokratischen, wenngleich hochspannenden, Prozess. Vieles wird hier auf Kommunikationsvorgänge, auf Routinen, auf technische Wege heruntergefahren, während die Politik dahinter nur selten aufblitzt. Dieser Ansatz gleicht jenem für Bigelow/Boals Entminungs-Hochspannungsthriller „The Hurt Locker“ aufs Haar – nur dass in Hurt Locker die Präzision eines Militärapparats gleichsam von sich selbst erzählen darf. In „Zero Dark Thirty“ wirkt das Outsourcing des Politischen (Bush’s war on terror, von Obama fortgesetzt) hingegen irritierend. Leicht möglich, dass sich just im Versuch, sich inhaltlich nicht angreifbar zu machen, die heftige Kritik erst recht entzündet hat: Bigelow rechtfertige hier Folter. Die Dramaturgie scheint das zu signalisieren: Sobald Chastains Figur Härte zeigt, wartet ein Erfolg als Belohnung, während eine Transaktion mit der gegnerischen Seite, in der zu viel Vertrauen im Spiel ist, fürchterlich schief geht. Daraus eine legitimistische Haltung des Films abzuleiten, wäre aber verfehlt. Schlüssiger ist schon, dass Bigelow, nach der nahezu uneingeschränkten Akklamation ihrer vorherigen Arbeit, erneut auf Hochspannung setzte und dafür die Ereignisse der realen Vorlage dramaturgisch effektiv zu nutzen versuchte.

Politische Haltung fehlt

Im Vergleich mit Spielbergs „Lincoln“, der direkt aus dem innersten Machtzirkel Washingtons – also auch einem Apparat – erzählt, fällt auf, wie sehr sich dessen Protagonist den klassischen, auch als systemisch „schmutzig“ wahrgenommenen Mitteln der Politik bedient, um sein Ziel umzusetzen. Genau das fehlt bei Bigelows Film, der mit der ausgesparten Frage nach demokratischen Legitimationen und strategischen Spielchen letztlich keine politische Haltung aufweist. Damit zerstört er sich nichts von seiner Spannung, bleibt aber als Institutionenkritik relativ farblos und vermag seiner schillernd-komplexen Vorlage keine neue Sicht hinzufügen. Sehr überzeugend hingegen jene Szenen, in denen die Technik zur Verlängerung des menschlichen Körpers wird. Egal ob mehräugige Nachtsichtbrillen oder der Computerbildschirm als erweiterte Wahrnehmungsfläche. Wenn am Ende die Helikopter anfliegen, um die Wohnburg von Osama bin Laden und seiner darin verschanzten Familie und Mitstreiter zu stürmen, greifen (trotz eines Hubschrauber-Abschusses) alle Rädchen ineinander. Dann sind Boal und Bigelow wieder ganz nahe an „The Hurt Locker“.