Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Peter Ionian · 06. Okt 2012 · Gesellschaft

Alternative Räume für aktive Menschen in Hohenems eröffnet

Direkt an der Kaiser-Franz-Josef Straße mitten in Hohenems entsteht gerade das erste interdisziplinäre und autonome Kommunikations-, Kultur-, Kunst- und Bildungszentrum für Vorarlberg. Das ist ein lebendiges Haus voller aktiver Menschen, die eine ganze Palette an Ideen und Möglichkeiten ausleben. Hier werden Räume geschaffen, in denen Integration über Kultur und Kunst gelebt werden soll. Dabei sind dem Begriff Integration hier keine Grenzen gesetzt, seien es die sozialen Unterschiede, eine Begegnung der Generationen, die Mitwirkung von Menschen mit Beeinträchtigungen oder die Einbindung anderer Kulturen, Religionen und Nationalitäten. Die Zielgruppe des Hauses ist ganz einfach: Alle die wollen. Am Freitag, dem 5. Oktober fand eine Teileröffnung als Tag der offenen Tür statt, der mit mehreren Live-Konzerten seinen geselligen Abschluss fand.

"Dieses Haus soll für alle offen sein. Und die aktiven Nutzer/innen sollen inhaltliche und organisatorische Entscheidungen ausschließlich selber treffen. Wir wollen hier Menschen durch Kultur und Kunst zusammenbringen und so selbst Kunst und Kultur erschaffen." erklärt Bernhard Amann die zugrundeliegende Idee des autonomen Kommunikations-, Kultur-, Kunst- und Bildungshauses. Dabei fungiert der Kulturverein Transmitter als horizontale Dachorganisation und Ansprechpartner für Bund und Land.

Im Labyrinth der Möglichkeiten

Das ganze Haus ist belebt. Es werden Tische herumgetragen, ein Büffet aufgebaut während jugendliche Musiker/innen ihre Soundchecks machen. Das alte Emsigen Beisl bzw. Barcamp ist kaum wieder zu erkennen. Der Veranstaltungsbereich ist größer geworden, offener und heller. Es wurden Wände herausgerissen und umgeplant. Das alles wurde möglich, weil das angrenzende Gebäude inzwischen leerstehend war. Sofort wurde Interesse angemeldet, politische Hebel in Bewegung gesetzt, ein Konzept und seine Finanzierung erarbeitet und so die Basis für ein außergewöhnliches Projekt geschaffen. Bei einer kurzen Hausführung wird sofort klar, dass man sich in dem Gewirr von Türen und Treppen leicht verlaufen könnte. Und hinter diesen vielen Türen sind bereits 16 von 21 Räumen entmüllt, adaptiert und saniert worden. Das war nur möglich, weil da über 4000 Stunden ehrenamtliche Arbeit geleistet wurde. Dahinter stehen also Menschen, die von der Idee überzeugt sind. So wurde Raum geschaffen für generationenübergreifende kontinuierliche Kulturarbeit.

Der Zirkusraum von Zack & Poing!

Im ersten Raum sitzen Tina Salzgeber und Raffaela Rudigier, die man vielleicht von ihrer Feuershow-Gruppe Tirasaru kennt. Mit dabei sind auch Carsten und Clemens, zwei professionelle Zirkusartisten bzw. Zirkuspädagogen. Gemeinsam haben sie den Verein zur Förderung von Artistik, Bewegungskunst und Kultur gegründet und bieten unter dem bezeichnenden Namen "Zack & Boing!" Zirkus zum Mitmachen an. Vor allem Artistik, Feuerkunst, Yoga, Tanz und Performance stehen auf dem Programm. Und im Raum geht es entsprechend zu, denn die Kids versuchen sich mit größter Freude und Eifer an Bällen, Keulen, Pois und Hoola-Hoop-Reifen. Im Gespräch wird klar, dass neben tollen Workshops und einem regelmäßigen Open House jeden 1. Montag im Monat auch eine Vision im Hinterkopf steckt. Hier könnte sich im Laufe der Zeit ein Künstler/innen-Netzwerk entwickeln, dessen Headquarter dieser Raum sein könnte.

Soziokulturelles Förderprojekt, Beratungs- und Bildungsbereich

Im oberen Stock ist gleich ein ganzer Bereich des Hauses den Kindern gewidmet. An einem großen Tisch kann gemeinsam für die Schule gelernt und gearbeitet werden. Nebenan zwei Spielzimmer mit Zugang zu einem großen Balkon und noch ein Werkraum mit einem ganzen Lager an Spielen und Bastelsachen. Raum genug, um kreativ zu sein. Für wen diese Räume gedacht sind? Für alle, die sie nutzen wollen. Es handelt sich dabei um ein soziokulturelles Förderprojekt, das jedem und jeder offen steht, der sich aktiv beteiligen möchte. Es gibt auch Räume für Nachhilfe, Sprachkurse, Beratung und Bildung. Es stehen Computer zur Verfügung und auch das Internet wird gerade verlegt.

Radio Proton

"Ich bin ein freies Medium" hat sich das freie Radio Proton auf die Fahnen geschrieben. Statt Werbung gibt's hier Inhalte, statt Mainstream findet man hier das Spezielle und statt einer Einwegkommunikation kann man hier einfach selbst mitmachen. Selbst eine Radiosendung zu machen, ist bereits einigen Motivation genug gewesen und so hat sich eine äußerst bunte Mischung im Programm entwickelt. Die Proton Morningshow ist die Alternative zum Ö3-Wecker und bringt aktuelle und regionale Beiträge. Am Samstag gibt es türkisches Programm, regelmäßig bringt Tierra Madura "La Hora Latina", zu Musikradio kommen Bands aus dem Ländle und das Frauenradio ist ein frischer Wind im Programm. Hier in Hohenems hat sich Proton, die in der alten Stadthalle in Dornbirn ihren Sitz hat, ein Außenstudio zugelegt. Aber auch die Büros haben hier endlich einen Platz gefunden. Geplant sind neben Live-Sendungen auch Workshops, bei denen die Teilnehmer/innen zu Sendungsmacher/innen ausgebildet werden.

Volxküche

Aus der Volxküche duftet es nach Überbackenem. Am Esstisch sitzt eine ganze Runde zufriedener Leute. Gemeinsam zu kochen und zu essen hat etwas ungeheuer Verbindendes. Hier lernt man sich auf unverzweckte Art und Weise kennen, arbeitet Hand in Hand und genießt dann die Früchte der Arbeit. Diese Küche soll Menschen zusammenführen, sei es, weil sie sowieso schon im Haus sind, oder weil sie es vorziehen lieber nicht alleine zuhause zu essen. Geplant ist ein regelmäßiges Mittagsmenü zu einer geringen Unkostenbeteiligung. Denn wenn man gemeinsam einkauft, kommt es dem/der Einzelnen immer günstiger.

Live-Konzerte zur Teileröffnung

Als wir wieder in den Veranstaltungsbereich kommen, hat sich der bereits gefüllt. In den vorderen Reihen sammeln sich zahlreiche Jugendliche. Ein stolzer Vater erklärt mir, dass die ganze Gruppe Schulfreunde aus dem BORG Götzis seien, die wegen des Konzertes hier sind. Der erste Act kommt auf die Bühne. Der Abend wird mit einer talentierten Singer-Songwriter Soloperformance eröffnet. Vorne die Jungen, hinten die etwas älteren Generationen, mittendrin alle möglichen Hautfarben, Frisuren und Nationalitäten, ein heterogener Haufen. Es wird viel kommuniziert, überall wird geredet und sich ausgetauscht. Noch immer machen Ehrenamtliche Führungen durchs Haus oder arbeiten hinter der Bar. Zwei Mädels betreten die Bühne. Mit ihren Akustikgitarren und ausgereiften zweistimmigen Chören, fesseln sie die Zuhörerschaft vom ersten Moment an. Sie bringen Covers von Rock- und Popsongs aber auch Diskonummern, die sie in ihrem eigenen Stil präsentieren. Der super Auftritt wurde vom Publikum jubelnd honoriert.

Wieder eine kurze Umbaupause und angeregte Gespräche später startet die junge Punkband "The Bänker". Vier Jungs, die im Emsigen Beisl alles geben. Springende junge Mädels in den ersten Reihen. Neben Covers, beispielsweise von Green Day, spielten sie auch eigene Songs. Dabei machten sie das Eck vom Beisl zu einer richtigen Bühne, auf der vollgas performt wurde. Sie wollten gar nicht aufhören, mussten dann aber doch irgendwann Platz machen für den Abschluss des Abends. Das Emsige Beisl Orchestra, das nun auch einen Proberaum im Haus hat, ist eine Sammlung emsiger Musiker und Persönlichkeiten. Gemeinsam wird durch Musik Beziehung aufgebaut, miteinander und mit dem Publikum. Dietmar Bitsche lieferte ein herausragendes musikalisches Fundament und beackerte den Boden für ein Programm voller Hit-Schlager.

Ein organischer Prozess

Dass es sich dabei nur um eine Teileröffnung handelte, spiegelt auch ein wenig den Spirit dieser Sache wider. Das Haus soll ein organischer Prozess sein, der sich ständig entwickelt. Eine Siebdruckerei, ein offenes Atelier und Fahrradwerkstatt sind in Planung. Ein Gartenprojekt wurde eingeleitet. Doch die Möglichkeiten sind noch lange nicht erschöpft. Zumindest nicht, solange es noch Menschen gibt, die gerne etwas tun wollen. Ein schönes Projekt, ein Experimentierfeld, oder wie sie selbst in ihrer Presseaussendung schreiben: Eine Anti-Schnarchnasenverdichtung.