Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Thorsten Bayer · 13. Dez 2011 · Gesellschaft

Von Einheimischen und Zweiheimischen – das sympathische Projekt „Heimatabend oder wie fremd heimisch wird“

Der Verein Aktion MitArbeit widmet sich dem Thema Integration. Mehr Begegnung und mehr Humor – das sind nur zwei der Ziele, die Präsident und Altlandesrat Dr. Guntram Lins, Projektleiter Ulrich Gabriel und Grafikerin Renate Djukic bei einer Pressekonferenz im Dornbirner Hotel Krone vorgestellt haben. Leicht verständlich, „niederschwellig“ soll es ab Jänner 2012 bei unterschiedlichen Veranstaltungen und Aktionen zugehen. Ein zentrales Element sind „Freecards“ genannte Gratis-Postkarten, die zu Gesprächen anregen sollen. Auf ihnen sind Wort-Neuschöpfungen wie „zweiheimisch“, „jungheimisch“ oder „neuheimisch“ zu lesen. Das Konzept hat das Land Vorarlberg überzeugt: Mit 50.000 Euro unterstützt es das Projekt heuer, im nächsten Jahr mit 100.000.

Einige Fragen haben die Initiatoren: „Braucht jeder Mensch eine Heimat?“ „Kann ein Mensch mehrere Heimaten haben?" Wen diese Fragen auch interessieren, der kann gleich bei der Umfrage auf der Startseite von www.heimatshuttle.at teilnehmen – und schon ist er mittendrin im Thema. Über 300 User haben bereits mitgemacht.
Auch so ein niederschwelliger Einstieg, ganz nach dem Geschmack des Projektleiters Ulrich Gabriel. Was meint er damit genau? „Einfach, volksnah, positiv, umgangssprachlich, humorvoll“, lautete seine Antwort. Humor ist ein wichtiger Teil in diesem Projekt.

Alt- und neuheimisch

Denn bei aller Relevanz, bei aller unzweifelbar gebotenen Ernsthaftigkeit: Mit Humor kommt man auch bei diesem Thema weiter. Oder wie Gabriel es formuliert: „Über eine humorvolle Ebene sind schnellere Begegnungen möglich.“ Darum setzt die Initiative auch bewusst auf „Heimat“ – in Abgrenzung zum Begriff „Integration“. Letzteres klinge zu sehr nach Museum, oder nach politisch motivierter Diskussion. Das sei genau nicht der beabsichtigte Zugang zum Thema, schließlich sei auch „integriert“ noch lange nicht dasselbe wie „heimisch“. Statt Podiumsdiskussion also sogenannte Heimatabende im Wirtshaus, wo Schweinsbraten und Baklava serviert werden, Theater- und Musikaufführungen von „alt- und neuheimischen“ Vorarlbergern gleichermaßen – oder kleinere Veranstaltungen im privaten Rahmen. Noch sind die Termine offen, ab Jänner werden konkrete Daten vorliegen.

Attraktiv vermittelte Heimatkunde

„Heimat heißt kooperieren. Wo zusammengearbeitet wird, entsteht Heimat“, erklärt Gabriel. Viele Vorbehalte gründeten auch auf Defiziten, was die eigene und was die andere Kultur ausmacht. In diesem Sinne sieht der Verein auch seine Aufgabe darin, diese Lücken kultureller Identität zu schließen – mit einer attraktiv vermittelten Heimatkunde. „Wer seine Heimat nicht kennt, muss umso mehr Angst vor Fremdem haben“ Was im Umkehrschluss bedeutet: „Wer seine Heimat kennt, muss umso weniger Angst vor Fremdem haben.“

Aktionen 2012: Heimatabende, Wettbewerbe

Achttausend Freecards sind bereits verteilt. Die nächste Runde ist für den Jänner vorgesehen: Statt einer unpersönlichen Massenstreuung sollen die Postkarten punktuell, persönlich an Mann und Frau kommen, idealerweise als Ausgangspunkt für ein Gespräch –  an der Tankstelle, im Gasthaus, am Dönerstand, an der Bar. Dann fällt auch der Startschuss für einen landesweiten Wettbewerb um den „Heimat.Schal“. Adressaten sind Schulen und Künstler. Die Daten der aktuellen Bevölkerungsstatistik sollen künstlerisch umgesetzt werden, mit unterschiedlichen Farben für die zwölf Nationen, die numerisch am stärksten in Vorarlberg bzw. in ganz Österreich vertreten sind. Einen ersten Entwurf gibt es bereits. Nicht zufällig erinnert er an einen Fanschal, wie man ihn aus dem Fußball kennt. „Ob er gestrickt, gehäkelt oder genäht ist, spielt keine Rolle“, erklärte Grafikerin und Künstlerin Renate Djukic, die sich immer wieder selbst mit den Fragen nach Heimat und Integration auseinandergesetzt hat. Ihre Eltern kommen aus Serbien.

Positives Echo

Die Unterstützung des Landes Vorarlberg ist fixiert: 2011 fließen 50.000, im nächsten Jahr 100.000 Euro. Und die Aussichten sind gut, dass es nicht bei diesen Summen bleiben wird: „Wir haben das Projekt auch bei zwei Bundesministerien vorgestellt“, berichtete Dr. Guntram Lins, der zehn Jahre als ÖVP-Landesrat für Finanzen und Kultur zuständig war. „Die Reaktionen waren sehr positiv, auch wenn es noch keine konkrete Zusage gibt.“ Weitere Gespräche mit Industriellenvereinigung, Gemeinden und Unternehmen werden geführt. Der bisherige Zeitplan des Projektes endet im Dezember 2012 – „vorerst“, wie Lins mit einem Lächeln betont. Unschwer zu erkennen: Wenn es nach ihm und seinen Mitstreitern geht, ist dann noch lange nicht Schluss.

Übrigens: Bei der eingangs zitierten Umfrage sind aktuell 91 Prozent der Meinung, dass jeder Mensch eine Heimat braucht. Fast genauso groß (90 Prozent) ist der Zuspruch zu mehreren Heimaten.

Weitere Informationen, Umfragen, Videos und Anregungen auf www.heimatshuttle.at