Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Christina Porod · 03. Okt 2014 · Kleinkunst, Kabarett

Gery und Herr Seidl - Gestern noch in der Kulturwerkstatt Kammgarn in Hard und heute schon im Theater am Saumarkt in Feldkirch

Blendende Unterhaltung - inklusive gelachter Tränen - lieferten am gestrigen Donnerstagabend Gery und seine innere Stimme, Herr Seidl, in der Kulturwerkstatt Kammgarn. Seine Karriere als Kabarettist beginnt 2003 im Duo mit Gerhard Walter. 2008 präsentiert Gery Seidl dann sein erstes Soloprogramm „Wegen Renovierung offen”. In seinem neuesten, mittlerweile fünften Solo, „BITTE.DANKE.“ spricht der Kabarettist über seine Erlebnisse mit Handwerkern, Nullenergiehäusern, „die intelligenter sind als die Leute, die drin wohnen“, seine jugendlichen Diskobesuche, die Facebook-Generation, die NSA-Überwachung, die Linksspur-Kriecher auf der Autobahn oder über seine Erfahrungen mit Kellnern. Oft stehen die Geschichten in Verbindung mit seiner Frau. Die Frau sei der Spiegel des Mannes, meint Seidl. Vermutlich sehe sie deshalb alles verkehrt. Dass sich „die Zeiten gegendert haben“, begreift er, als sie ihn beim ersten Treffen mit einem Porsche Cayenne abholt, er allerdings nur einen Renault Clio vorweisen kann.

Der ganz normale Wahnsinn


Den ganz normalen Wahnsinn des Alltags schildert der 1975 in Wien geborene Kabarettist. Er redet über Situationen, die einem
wurscht sein könnten, aber wird die innere Stimme zu laut, einfach nicht mehr wurscht sein können. Wenn Gery Dummheit wittert, oder besser seine innere Stimme Herr Seidl, möchte er nur noch lauthals aufschreien: „Bring eam um ...“. Dazu gehören Kellner, denen es nicht gelingt Wurst, Senf, Serviette und Semmel so zu servieren, dass man nicht mehr selbst entscheiden kann, was man worin eintaucht. „Warum schafft es der eine, Weltraumraketen zu bauen und dem anderen gelingt es nicht, ein paar Würstel zu servieren, ohne dass ich nachher duschen gehen muss?“

Famose Bühnenpräsenz


Seidl ist ein begnadeter Erzähler und Schauspieler. Seine famose Bühnenpräsenz kommt in zwei ausgedehnten Geschichten ganz besonders zum Ausdruck: Seinen ersten Mountainbike-Marathon „Granitbeißer“ und seinen Umzug ins Waldviertel, da er „entschleunigen muss, und zwar schnell“. Dabei gelingt es ihm, den Spannungsbogen immer noch ein Stückchen weiter hochzuschrauben. Vor allem in der Marathon-Geschichte, dem absoluten Highlight des Abends, wird dies deutlich. Man taucht regelrecht in die Geschichte und in seine Gefühlswelt ein. Alles beginnt mit Andrea, seiner späteren Frau, der er zu imponieren versucht, noch nicht ahnend, in welcher sportlichen Höchstleistung dies für ihn enden wird. Wie er seine Geschichte aufbaut und darstellt, ist grandios. Ohne Requisiten - bis auf ein Tischchen und eine Wasserflasche - nimmt die turbulente Szenerie im Kopf des Zuschauers Gestalt an. So intensiv und packend, dass ein Film im Kopf abläuft und man die unsichtbaren Statisten zu sehen glaubt. Die Szenerie wird lebendig und so ist man immer ganz nah dran an Seidls Emotionen, leidet und lacht herzhaft mit ihm und gelegentlich auch über ihn.

Mit viel Charme, noch mehr Ausdruckskraft und sichtlicher Leidenschaft für sein Tun gelingt es dem 39-Jährigen immer wieder sein Publikum, das er nach nur fünf Minuten in der Tasche hat, zu begeistern, zu überraschen und zum ausgelassenen Lachen zu bringen. Gelegentliche Musikeinspielungen von „All you need is love“ über „It’s my life“ bis „Wienerblut“ und die Lichtdramaturgie perfektionieren das Ganze.

Am Ende des zweistündigen Programms gründet Seidl die GVDW-Partei: „Gery verändert die Welt“. Die Welt hat er zwar nicht verändert, aber den gestrigen Abend hat er zu einem einprägenden Erlebnis gemacht. Dieses kann man heute, Freitagabend, ab 20.15 Uhr im Theater am Saumarkt in Feldkirch nochmals erleben.

 

Die nächsten Kabarett-Abende in der Kulturwerkstatt Kammgarn 
Do, 16.10. Jens Neutag: „schön scharf“
Sa, 25.10. Jess Jochimsen: „Für die Jahreszeit zu laut“
www.kammgarn.at