Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Fritz Jurmann · 17. Jun 2014 · Literatur

„Der fliegende Engländer“ - Das Abschiedsgeschenk der Festspiele an ihren Intendanten David Pountney ist ein dicker Wälzer geworden

David Pountney hat als Intendant der Bregenzer Festspiele zwar noch eine Saison vor sich, die elfte und endgültig letzte. Dennoch wurde von den Festspielen am Dienstagvormittag mit der Präsentation eines umfangreichen Buches über die Ära des scheidenden Intendanten bereits im Vorfeld quasi der Abschied für Pountney am Bodensee eingeläutet. Der 2 kg schwere Wälzer trägt den Titel „Der fliegende Engländer – Die Bregenzer Festspiele und ihr Intendant David Pountney von 2004 bis 2014“ und umfasst auf 360 großformatigen Seiten über einhundert Textbeiträge und 291 Abbildungen von Inszenierungen der vergangenen zehn Jahre. Als Herausgeber und Redakteure fungierten Dorothée Schaeffer, Kulturwissenschaftlerin und seit 2004 persönliche Assistentin des Intendanten, und Axel Renner, langjähriger Pressesprecher und Leiter der Abteilung Kommunikation der Festspiele.

Lob, aber auch kritische Anmerkungen


Bei der Pressekonferenz auf der stählernen Plattform an der Hinterseite der Seetribüne wurde wie gewöhnlich auch ein bisschen inszeniert und Theater gespielt. Aus dem Fundus von „Aida“ wurde ein fahrbarer Bücherladen reaktiviert und die anwesenden Journalisten daraus durch die Papagena aus der „Zauberflöte“ und den Fußball aus „Playing away“, beides Pountney-Inszenierungen, mit druckfrischen Exemplaren der Neuerscheinung bedacht. Vom Podium her war man bemüht festzuhalten, dass das Buch zwar objektiv die wichtigsten Ereignisse, Namen und Erfolge dieser Zeit auflistet, auch manches hinterfragt, in seiner Aussage jedoch keine unreflektierte Lobeshymne auf die Intendanz Pountneys ist, sondern durchaus auch kritische Anmerkungen darin ihren Platz gefunden haben.

Dies geschah auch im besten Einvernehmen mit Pountney, der gegen Ende der Pressekonferenz selber in dieser Sache mit seinem köstlichen britischen Humor  vorprescht: „Ich habe eine Mail von einem Kollegen erhalten, der einen Beitrag für dieses Buch verfassen sollte, stattdessen aber geschrieben hat: ‚Lieber David, ich kann nichts schreiben für das Buch, weil ich so enttäuscht war von deiner Intendanz.‘ Von mir aus hätte dieses E-Mail auf der ersten Seite des Buches erscheinen sollen! Der Austausch verschiedener Meinungen ist nun mal ein sehr wichtiger Aspekt von Kultur. Und es gibt auch in meinen Beiträgen immer wieder auch kleine kritische Anmerkungen. Wir haben bei Problemen nicht weggeschaut, denn die Welt ist nicht immer schön und der Himmel nicht immer blau. Und es wäre schade, wenn man so tun würde, als ob das alles immer easy und perfekt wäre. Wir haben auch die anderen Autoren versucht zu überzeugen, dass sie einfach ehrlich schreiben sollen.“

Wo es hinter den Kulissen kriselte


So findet man neben viel Positivem auch einen bislang nicht gezeigten Bühnenbild-Entwurf zum ursprünglich anstelle der „Zauberflöte“ geplanten Musical „Show Boat“ oder erfährt, wie es 2007 fast zum Bruch mit dem langjährigen Hausorchester der Wiener Symphoniker gekommen wäre. Hier wird auch klar, welche Enttäuschung für Pountney und sein Team die schwächelnden Besucherzahlen bei „André Chénier“ darstellten und dass er sich eigentlich einen anderen Schluss für die Hausoper „Solaris“ von Detlev Glanert gewünscht hätte. Ebenso, wie es sich mit der Abwicklung des Intendantenwechsels verhielt.

Es wird aber aus diesem Buch auch klar, wie sehr Pountney ab dem Sommer 2004 das Festival elf Jahre lang zu einer neuen künstlerischen Einheit formte, die aus dem scheinbaren Widerspruch von Populärem und Avantgardistischem eine programmatische Verwebung und eine weitere Öffnung des Festivals entstehen ließ. Noch nie zuvor wurden hier so viele Ur- und Erstaufführungen zeitgenössischer Komponisten gezeigt, noch nie zuvor stand auch die Höchstzahl von 29 Aufführungen des „Spiels auf dem See“ in einem Sommer auf dem Spielplan.

Ein Schatz menschlicher Erfahrungen


Pountney wird dabei nicht nur oftmals zum Thema, sondern ist selbst als Verfasser zahlreicher Beiträge vertreten: „Was dieses Buch zeigt, ist der unglaubliche Reichtum meiner talentierten und kreativen Mitarbeiter. Es ist eine Sammlung von sehr persönlichen Erinnerungen und Kommentaren dieser Leute, die meine elf Jahre hier überhaupt möglich gemacht haben. Wir haben alle zusammen versucht, die Atmosphäre, die hier herrscht, für dieses Buch einzufangen. So ist es zu einem Schatz menschlicher Erfahrungen geworden.“

In dem Buch kommen ausschließlich Künstler oder andere direkt mit dem Festival verbundene Personen zu Wort, was teils tiefe Einblicke in das Innenleben des Kulturunternehmens ermöglicht. Dorothée Schaeffer über Idee und Konzept dieser Neuerscheinung: „Die Idee hatte zunächst der frühere Präsident Günter Rhomberg, sie ist einfach daraus entstanden, dass wir gemeinsam über diese elf Jahre erzählen wollten, so wie David dieses Festival gestaltet hat, nämlich unglaublich reich und geistreich. So war denn auch bald allen klar: Es kann nicht eine Person über diese Zeit schreiben, sondern wir lassen einfach unhierarchisch die vielen Menschen, die das erlebt haben, möglichst frei aus ihren Blickwinkeln erzählen, allerdings innerhalb des vorgegebenen Konzeptes – nämlich: die Kunst sprechen zu lassen.“

David Pountney – der „Überflieger“


Wie kam es zum Titel dieses Buches, „Der fliegende Engländer“? Schaeffer: „Die Festspiele haben diesen Flug mit David 1989 als Regisseur des ‚Fliegenden Holländer‘ am See angetreten, und die Beiträge im Buch erzählen davon, wie er mit der Zeit für uns zum ‚Überflieger‘ wurde in ganz bewegten Jahren. Diese Gedanken sind in die Überlegungen unserer Kreativ-Teams eingeflossen und haben dann letztlich zu diesem Titel geführt.“

Festspielpräsident Hans-Peter Metzler: „Das ist ein wunderbares Buch geworden, und zwar nicht nur von der äußeren Form her, sondern auch vom Inhalt. Es ist sehr dicht und zeigt, was alles passiert ist in diesen Jahren, speziell mit der Fortführung unserer Dramaturgie. Da haben wir unglaubliche Publikumserfolge erlebt. Das Schönste für mich sind natürlich die Gedanken der beteiligten Künstler über ihre Arbeit hier, sowohl im eher traditionellen Bereich wie auf der neuen Schiene mit einer deutlichen Stärkung der zeitgenössischen Musik.“

 

Das Buch „Der fliegende Engländer – Die Bregenzer Festspiele und ihr Intendant David Pountney von 2004 bis 2014“ ist ab sofort bei den Bregenzer Festspiele zum Preis von 34 Euro erhältlich.