Ohne Vergehen kein Verändern – Von der Feldkircher Autorin Erika Kronabitter ist ein neuer Lyrikband erschienen
Von der in Feldkirch lebenden und arbeitenden Autorin mit steirischen Wurzeln, Erika Kronabitter, erscheint seit Jahren Buch um Buch, Text um Text. Die 1959 in Hartberg Geborene ist eine Vielschreiberin. Wobei man sich fragt, woher sie denn überhaupt die Zeit dazu hernimmt, geht sie doch unzähligen Jobs und Verpflichtungen nach. Beispielsweise sitzt sie in den Vorstandsetagen des Theaters am Saumarkt oder von Literatur Vorarlberg, organisiert den Feldkircher Lyrikpreis, engagiert sich für Frauenliteratur, und so zum Drüberstreuen betätigt sie sich auch noch in Sachen bildender Kunst.
Decodierung der Dekaden
Nach den linear angelegten Romanen „Mona Liza“ und „Viktor“, den ersten beiden Teilen einer Trilogie, und dem Kinderbuch „Sarah und die Wolke“ ist nun wieder ein Lyrikband angesagt. Das gerade in der umtriebigen „Edition Art Science“ erschienene und 152 starke Softcover-Buch trägt den Titel „Decodierung der Dekaden“. In der Literaturwissenschaft versteht man unter einer Dekade eine Einheit von 10 Gedichten oder Büchern. Kronabitter hat in ihrer neuen Publikation fünf solcher Gedicht-Dekaden aneinandergereiht. Die einzelnen Kapitel heißen „zoomen : zähmen“, „suchen : ersetzen“, „anordnungen : kausalitäten“, „möglichkeit : felder“ und „vom vergehen der zeit“. Die 50 Gedichte des Buches, die stilistisch zwischen den Polen Kürzest-Prosa und experimenteller Lyrik pendeln, handeln von den verschiedenen uns prägenden Rhythmen, der Auf- und Abbewegung des Lebens, von Wellen, Strudeln und Spiegelungen unseres Daseins, aber auch von den Möglichkeiten einer Selbst-Veränderung.
Die Zeit schert sich um nichts
Kronabitter setzt sich anhand dieser „Decodierungen“ mit dem beinharten Verrinnen der Zeit auseinander. Nicht ohne zu postulieren, dass dieses Vergehen eben die Basis aller Entwicklung darstellt. Sobald eine Handlung gesetzt ist, ist sie bereits Vergangenheit und bedingt neues Handeln. Nur indem alles vergeht, geht alles weiter. Ein Schlüsselgedicht der Autorin dazu findet sich in der letzten Dekade und trägt den Titel „alles ist nichts“. Ein Ausschnitt davon:
alles ist nichts ohne vergehen
rot bleibt rot
grün ist grün
deine hand am aug bleibt hand am aug
lippe geöffnet geschlossen
bleibt lippe geöffnet bleibt lippe geöffnet
bleibt lippe geschlossen bleibt lippe geschlossen
ist kein ändern. ist kein verändern.
ohne vergehen kein ändern
Mitunter hält die Autorin einfach Beobachtungen fest und abstrahiert diese zu minimalen Texten. Vielfach erinnern die Gedichte an Gedanken oder Bruchteile von Gedanken, die im Zeitpunkt ihres Entstehens unmittelbar aufs Blatt fixiert wurden. Ein weiteres Beispiel:
vom tisch zum fenster zur tür
hinunter ins tal
vom tisch zum fenster
und bis zu den bergen
vom tisch zum fenster
und wieder zum tisch
und irgendwann vom brett
zum tisch zum fenster
ein bisschen berg und
fenster zum tisch
Mit den Texten der beiden letzten Dekaden nimmt Kronabitter auch direkten Bezug zu den Werken des liechtensteinischen Künstlers Arno Oehri. Seine Bilder zum Thema „Das Vergehen der Zeit. Möglichkeitsfelder“ hätten in ihr so etwas wie einen „Urknall“ ausgelöst und einen unermesslichen Inspirationsfluss ausgelöst, sagt die Autorin. Auch die von Kronabitter selbst ausgeführten Illustrationen, die zu den einzelnen Kapiteln überleiten, sind von Oehri angeregt. Die filigranen Zeichnungen erinnern an kommunikative Vernetzungen, an neurologische Kerne, von denen verschiedene Synapsen wegführen und Anschluss an die Außenwelt suchen.
Erika Kronabitter: Decodierung der Dekade. Edition Art Science, 2013, Soft-Cover, 152 Seiten. Preis: 11,- Euro, ISBN 978-3-902864-13-0