Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Peter Füssl · 08. Okt 2012 · Medien

Verena Daum-Kuzmanovic neue „VN“-Chefredakteurin – endlich das passende Gesicht zur Russ’schen Vision von der idealen Tageszeitung

Die Verlautbarung aus dem Vorarlberger Medienhaus, dass der bisherige „VN“-Chefredakteur Christian Ortner ab 1. Jänner in die Chefredaktion des „St. Galler Tagblatts“ wechsle und Verena Daum-Kuzmanovic, bisherige Chefin des Gratis-Blattes „Wann & Wo“ seinen Posten übernehme, hat in Vorarlberg für rege Diskussionen gesorgt. Dabei hat Medien-Zampano Eugen A. Russ eigentlich nichts anderes getan, als die menschgewordene Verkörperung seiner seit vielen Jahren propagierten Tageszeitungs-Vision auf den ihr angemessenen Chefsessel zu hieven.

Ja kein zu hohes Niveau


„Viele Zeitungen haben das Problem, dass sie nicht für ihre Leser schreiben, sondern den intellektuellen Anspruch zu hoch setzen. Wir wollen mit unseren Inhalten immer nur knapp über das Niveau unserer Leserschaft zielen.“ Diese Zielvorgabe formulierte Eugen A. Russ 2003 in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“, die er auch wissen ließ, dass „seine Mischung eher RTL sei als Arte“. Seit dieser Aussage sind doch schon einige Jahre vergangen, und es ist mittlerweile im Medienhaus auch nicht sehr verpönt, die Leserschaft auch etwas unterhalb ihres imaginären Niveaus anzuvisieren. Verena Daum-Kuzmanovic kann jedenfalls voller Stolz darauf verweisen, dass sie in all den Jahren als „Wann & Wo“-Chefin in dieser Hinsicht nie irgendwelche Probleme hatte.

Boulevard mit Über-Boulevard besiegen


Dass Eugen A. Russ dem Boulevard-Riesen „Kronen-Zeitung“ einige Bewunderung entgegenbringt, ist immer wieder aus seinen Äußerungen herauszulesen. Dass er ihn fürchtet wie der Teufel das Weihwasser ebenfalls: „Wir haben den Markt beobachtet. Bereits dominiert in 7 von 9 österreichischen Bundesländern die ‚Kronenzeitung’, ein klassisches Boulevardblatt. In Vorarlberg nicht. Offensichtlich zielen viele traditionelle Tageszeitungen mit ihrem Anspruch zu hoch. Übrigens: Wem unser Angebot intellektuell nicht genügt, dem bieten wir zusätzlich ein verbilligtes ‚NZZ’-Abonnement an.“ (Aargauer Zeitung, 2004). In dieser Hinsicht werden also mit der neuen Personalkonstellation gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Erstens wird Verena Daum-Kuzmanovic in Sachen Boulevard-Journalismus sicherlich keinerlei Wünsche offen lassen, und zweitens, wollen wir doch hoffen, dass über Christian Ortner – vielleicht ergänzend zur „NZZ“ – künftig auch günstigere „St. Galler Tagblatt“-Abos bestellt werden können.
Auch im MedienManager 3/2004 präsentierte Eugen A. Russ „mögliche Zukunftsszenarien“, die er nun gerade Wirklichkeit werden lässt: „Als Themenbereiche, die das Leseverhalten positiv beeinflussen, gelten demnach in erster Linie Geschichten über ‚Menschen wie du und ich’ sowie Gesundheit, Wohnen, Essen, Mode und Reisen. Erst dann folgen Politik, Internationales, Katastrophen, Filme, Wetter, Wirtschaft und Finanzen, Wissenschaft, Technik, Umwelt und Sport. Russ: ‚Daraus leiten sich zentrale Forderungen an den Content ab.’ Mehr Geschichten über gewöhnliche Menschen aus der lokalen Umgebung, Klatsch und Features, Veranstaltungshinweise und die Bewerbung von Zeitungsinhalten innerhalb der Zeitung.“ Klatsch und Tratsch und Features – ja hallo, ist das nicht das ureigene Metier der neuen Chefredakteurin?

Weitere Asse im Ärmel der neuen Chefredakteurin


Mit Verena Daum-Kuzmanovic wird also fraglos ein neues Kapitel in der ohnehin schon unvergleichlichen Erfolgsgeschichte der „Vorarlberger Nachrichten“ aufgeschlagen. Dabei verfügt sie noch über weitere Trumpfkarten, die sie jederzeit ausspielen kann:

• Um die angestrebte Boulevardisierung und Leser-Niveauunterminierung zu erreichen, könnten Daum-Kuzmanovics jahrgelang gepflegten guten Beziehung zur Crème de la crème unter Vorarlbergs LeserbriefschreiberInnen äußerst nützlich sein. In den „VN“ würden deren Leserbriefe endlich jenen gesellschaftlichen Stellenwert erhalten, der ihnen eigentlich schon längst gebühren würde – und das Niveau wäre unter Garantie nicht zu hoch.

• Die im „Wann &Wo“ gepflegte LeserInnenbindung durch die Veröffentlichung unzähliger Fotos von Hinz und Kunz und Kreti und Pleti, die mit dem Sektgläsle in der Hand grinsend aus dem Foto heraus dem neugierigen Heft-Durchblätterer zuprosten, ist ohne Weiteres auch auf die „VN“ anzuwenden. In einem Interview freute sich Eugen A. Russ schon vor Jahren, dass auf einer Doppelseite „VN“ zwanzig unterschiedliche Köpfe zu sehen seien. Unter der neuen Chefredakteurin lässt sich das locker verdoppeln bis verdreifachen. Und falls ihr die fremden Köpfe einmal ausgehen sollten, ist sie sich auch nicht zu schade, ihren eigenen Kopf mehrfach in dieselbe Zeitung zu setzen – auch ein Dutzend mal oder auf die Titelseite, wenn es denn sein muss!

• Verena Daum-Kuzmanovic ist kein Neuling von außerhalb, der plötzlich Vorarlbergs größtes Medien-Flaggschiff durch die Untiefen des zeitgenössischen Medienmarktes navigieren soll. Eine Aufgabe, der nur wenige gewachsen wären. Sie aber verfügt über jahrzehntelange Medienhaus-Erfahrung und vor allem auch über ein eingespieltes Team, das voll und ganz hinter ihr steht. Sollte aus dem alten „VN“-Team jemand nicht spuren, kann er von der neuen Chefredakteurin jederzeit und problemlos durch einen ihr ergebenen Spezialisten aus dem „Wann & Wo“-Team ersetzt werden. Das gibt Verena Daum-Kuzmanovic Rückhalt und Sicherheit.

• Nicht zuletzt konnte Eugen A. Russ durch diesen gelungenen Schachzug auch wieder mit dem unliebsamen Konkurrenten aus der Dornbirner Höchsterstraße gleichziehen. Jener Markt-Vorteil, den der ORF durch die Bestellung des Unterhaltungsfachmannes Markus Klement zum Vorarlberger Landesdirektor für kurze Zeit herausholen konnte, ist seit heute Vergangenheit! Das Gleichgewicht ist wieder hergestellt – zum Wohl des vom Niveau her unter keinen Umständen zu hoch anzupeilenden Leser- und Hörer-Publikums.

Insgesamt also eine durch und durch weise Personalentscheidung, ein genialer Schachzug, wie man ihn von Eugen A. Russ erwarten muss. Man darf sich sicher sein, dass die Wogen der Bewunderung über den raschen und unglaublich lesernahen Niveauverlust bald schon gnadenlos über jene hinwegrollen werden, die heute noch zur Bestellung von Verena Daum-Kuzmanovic zur „VN“-Chefredakteurin leise und nicht wirklich nachvollziehbare Zweifel äußerten. Wir stehen aber auch nicht an, Christian Ortner für seine neue Aufgabe in der Schweiz alles Gute zu wünschen - hoffnungslose Intellektuelle tun sich jenseits der Grenze wahrscheinlich ohnehin ein bisschen leichter.