Fouad Boussouf mit einer österreichischen Erstaufführung des Stückes „Fêu“ zu Gast beim „Bregenzer Frühling“ (Foto: Antoine Friboulet)
Thorsten Bayer · 06. Nov 2012 · Musik

„A special solo performance” – Ezra Furman stellte sein neues Album im Feldkircher Theater am Saumarkt vor

Da hatten die Veranstalter wirklich nicht zu viel versprochen. Als „special solo performance“ war die Show des Singer-Songwriters Ezra Furman angekündigt. Und speziell wurde es tatsächlich. Ohne seine Begleitband „The Harpoons“ lieferte der junge US-Amerikaner einen Auftritt, der sehr unterhaltsam war. Manche Fragen blieben dabei offen, vor allem diese: Ist der Typ da vorne im Blümchenkleid im Drogenrausch oder ist er einfach immer so drauf?

„The Year Of No Returning“ heißt das neue Album des jungen Mannes aus Chicago. Es ist das erste Soloalbum, die drei Vorgänger hatte er noch mit seinen „Harpoons“ eingespielt: 2007 „Banging Down The Doors“, zwei Jahre später „Inside The Human Body“ und schließlich im vergangenen Jahr „Mysterious Power“. Mittlerweile gehen die Musiker getrennte Wege. Ezra Furman ist momentan auf Europatour mit Nada Surf. Am Montagabend jedoch hatten seine New Yorker Kollegen frei, während er einen denkwürdigen Gig im Theater am Saumarkt spielte.

Ironie und Ernst

„All those people with their expectations make me so nervous“, hat er einmal in einem Interview gesagt. Davon ist an diesem Abend nicht viel zu spüren. Ein verschüchterter oder zumindest hochsensibler Künstler tritt wohl kaum solo in einem dunkelblauen Kleid mit Blümchen auf. Sein erster Song mündet in „Be my baby“, dem Titel der Ronettes, den die meisten wahrscheinlich aus dem Film „Dirty Dancing“ kennen. „The night we met / I knew I needed you so / And if I had the chance / I'd never let you go”, schmachtet er darin unter anderem und man ist im Zuschauerraum nicht ganz sicher, ob er das Ganze nicht doch ernst, also ohne jegliche Ironie meint. Ironie gehört ja zur Grundausstattung junger Alternative-Künstler, aber bei ihm scheint die Sache etwas anders zu liegen.

Leidenschaftlich

Bei „Mysterious Power“ im Anschluss wirkt Furman immer weggetretener. Mittlerweile steht er barfuß auf der Bühne, die Lederjacke hängt ihm von den schmalen Schultern. Eins muss man ihm lassen: Seine Songs trägt er mit einer ordentlichen Portion Leidenschaft und Wut vor. Und obwohl er reichlich verwirrt und zugekokst wirkt, trifft er seine Akkorde mühelos. Etwas kokett, aber auch ehrlich wirkt sein Hinweis, bei vielen seiner sonstigen Konzerte, bei denen er nur Supporting Act ist, kämen ja die Leute wegen anderer, derzeit eben wegen Nada Surf. Das müsse ja hier und heute in Feldkirch anders sein, wo nur er auf der Bühne steht.

Von Dr. Jekyll und Mr. Hyde

Es ist schon rund eine halbe Stunde vergangen, als Furman auf den eigentlichen Grund seines Österreich-Besuches zu sprechen kommt. „I made a new record“, nuschelt er ins Mikrophon – ohne freilich den Titel des Werkes zu verraten. Aber okay: „The Year Of No Returning“ liegt ja auch im Foyer aus, zum einen als CD, zum anderen auf Vinyl. Dass man es hier nicht mit einem PR-Profi zu tun, dessen erste Priorität das Verkaufen ist, spricht für ihn. „Dr. Jekyll & Mr. Hyde“, der erste Song des neuen Albums, scheint Furman gut zu beschreiben. Das Thema der gespaltenen Persönlichkeit ist ihm wohl sehr vertraut, er habe gleich einige Gesichter im Angebot, erzählt er lächelnd.

„Manisch-depressive Platte“

Einer der stärksten Songs des Abends ist das neue „Are you gonna break my heart“ und natürlich „Take off your sunglasses“, einer seiner größten Hits aus der Zeit mit den „Harpoons“. Was ihm wirklich gut gelingt, sind seine speziellen Balladen. Wenn er nicht gerade die Ronettes covert, sind süßliche Schnulzen nicht sein Ding. Er befasst sich beispielsweise eher mit blutsaugenden Huren („Bloodsucking Whore“ vom Album „Mysterious Power“). Die Plattenfirma schreibt übrigens zu „The Year Of No Returning“ auf inkmusic.at: „…ein bipolares Album; eine manisch-depressive Platte, die stark auf Ezras wunderbaren, einzigartigen Gesang und auf eine Vielzahl von Instrumenten so unterschiedlich wie Xylophon, Mundharmonika, Streicher, Blechbläser und Klavier baut.“ Vielleicht bringt der Begriff „manisch-depressiv“ das Erlebnis Ezra Furman tatsächlich am besten auf den Punkt.

Pro Obama

Oder er hat einfach die Wahlparty schon einen Tag vorverlegt: Natürlich drückt er Barack Obama die Daumen; nicht nur, weil beide aus Chicago stammen. Sondern zum einen aus harten politischen Gründen, wie er im KULTUR-Interview verrät: „Obama wird dabei helfen, Amerika auf Kurs zu halten, ein weniger rassistischer und sexistischer Ort zu sein. Außerdem hat er aus meiner Sicht ein viel, VIEL stärkeres Wirtschaftsprogramm als Romney.“ Neben der Gesundheitsreform hat er aber noch zwei weitere, ebenso stichhaltige Argumente für den demokratischen Amtsinhaber. Erstens: „Barack und Michelle Obama sehen viel besser aus als die Romneys und ich möchte, dass sie weiterhin im Fernsehen sind.“ Und was seine musikalischen Ambitionen betrifft: „Bei einem Sieg von Romney müsste ich vielleicht anfangen, ausdrücklich politische Lieder zu schreiben – und das will niemand.“