Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Thomas Kuschny · 15. Mär 2014 · Musik

„We are not lost“- Django Bates „Beloved“ interpretiert Charlie Parker am Spielboden

Es war einmal (vor fast einem Vierteljahrhundert, steht zu befürchten!), da konzertierte Bill Bruford mit seinem „Earthworks“ Ensemble im nahen Lindau. Aus dem rhythmisch-vertrackten Gewitter ragten Musikalität und Spielwitz des milchgesichtigen Hornisten und Keyboarders weit heraus. Herr Bruford meinte damals: „Von ihm wird man noch hören!“ Sein Name: Django Bates.

Heute hat Bates, äußerlich kaum verändert (er scheint aus einer dieser britischen Sozialromantik-Komödien entsprungen zu sein), nicht ganz den Bekanntheitsgrad, der ihm zustehen würde. Mit seinen durchwegs spannenden, aber eben auch fordernden Projekten erreicht er eben nur die neugierigen Hörer weit weg vom Mainstream. Ein Beispiel: Zum 60-er der Avantgarde-Legende Evan Parker bittet er 60 Komponisten von Laurie Anderson bis John Zorn um einen Takt Musik und amalgamiert die Resultate in eine Komposition für großes Ensemble.

Ein Dekonstrukteur par excellence

Während seiner Unterrichtstätigkeit in Dänemark lernt er den Bassisten Petter Eldh und den Drummer Peter Bruun kennen und bildet mit ihnen das klassische Piano-Trio „Beloved“, in dem er sich dem Werk Charlie Parkers annimmt. Eine gediegene Rückschau auf den Bebop der 40-er Jahre darf man sich dabei selbstredend nicht erwarten. Bates ist ein Dekonstrukteur par excellence. Er zerlegt die Originale in ihre Einzelteile, baut um, verschachtelt und reharmonisiert, die Resultate werden schließlich aber fachkundigst und stimmig zu einem Ganzen verschmolzen.

Bei „Billie's Bounce“ zum Beispiel nimmt er die Wiederholungen der zweiten Phrase der Melodie als Rhythmuspattern für den Bassisten, was zu einem Taktwechsel führt, was wiederum die Melodie beeinflusst und so fort.

Wahnsinnsritte

Dies kann zu Wahnsinnsritten wie beim berühmten „Donna Lee“ führen, das in seiner hochkomplexen Verfremdung eigentlich nicht mehr wiederzuerkennen ist. Überhaupt ist schwer bis gar nicht zu durchschauen, wie die Herren vorgehen. Bates spielt mit dem Rücken zum Publikum, denn Sichtkontakt unter den Dreien ist essentiell. Gespielt wird ohne Notenblätter, freie Passagen sind durch die dichte Interaktion kaum von Komponiertem zu unterscheiden. Man wundert sich angesichts der Abstraktheit, dass man immer Herr der Lage zu sein scheint. „We are not lost, we are simply finding our way.“ heißt denn auch ganz augenzwinkernd eine Eigenkomposition. Für Abwechslung sorgen die eher unbekannten Balladen Parkers wie „Laura“, eine völlig unerwartete dreistimmige Vokalexkursion oder das genial eingesetzte zusätzliche Keyboard, leicht verstimmt und in derselben Oktave wie das Klavier simultan gespielt. Ach ja, straight gespielter klassischer Bebop kommt auch vor, kann aber mitunter in ganz weit draußen angesiedelte Dissonanzen mutieren. „A life planned is a life endured.“ meint Bates in einer seiner launigen Ansagen. So ist es!