Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Thorsten Bayer · 01. Okt 2012 · Musik

Als der Bahnhof Andelsbuch zum verruchten „Proda“ wurde: ein gelungener Brecht/Weill-Abend mit Freihaus 4

Die Formation Freihaus 4 hat sich eine ungewöhnliche Aufgabe gestellt: Bertolt Brechts Texte zur „Dreigroschenoper“, „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ und „Happy End“ ins Wienerische zu übertragen und Kurt Weills Kompositionen neu zu arrangieren. Herausgekommen ist dabei das erstklassige und kurzweilige Programm „Im Proda“, das am Sonntagabend im Bahnhof Andelsbuch zu erleben war.

Margarete Broger, Obfrau des kulturvereins bahnhof, ist die Freude über die Verpflichtung dieser Künstler deutlich anzusehen. „Ich habe ein Lied von ihnen zufällig im Radio gehört und war sofort begeistert“, sagt sie zur Eröffnung des Abends. Bühne frei für Freihaus 4, ein Quartett mit grandiosen Musikern: Sigi Finkel (einer Leserumfrage zufolge Österreichs Jazzmusiker des Jahres 2000) an Saxophon und Flöte, Monika Lang am Klavier, Cellistin Melissa Coleman und am Mikrofon Tini Kainrath. Die Wienerin hat die Texte von Bertolt Brecht ins Wienerische übertragen. So wird aus dem „Bilbao-Song“ aus dem Musical „Happy End“ das titelgebende Stück „Im Proda“. Während bei Brecht und Weill die Schauplätze noch London (Dreigroschenoper) oder die fiktive US-Stadt Mahagonny waren, hat Kainrath die Handlung in ihre Heimat verlegt, genauer gesagt in den Prater.

Brillante Musiker

So wird aus der Moritat von Mackie Messer beispielsweise „Da Gschwinde“, weil der Schurke eben gschwind sein Messer zücke. Den Künstlern gelingt besonders bei diesem Stück, dem größten Hit des Programms, eine besonders gelungene Interpretation: eine verschlepptere Version mit viel Groove. Besonders Monika Lang am Klavier zeigt eine brillante Leistung, vor allem in den Solopassagen. Die Wienerin hat klassisches und Jazzklavier am Konservatorium der Stadt Wien studiert und spielt neben ihrem Soloprogramm auch in diversen Formationen. Tini Kainrath überzeugt mit ihrer facettenreiche Stimme und einer beeindruckenden Bühnenpräsenz. Bei den Moderationen wird sie eloquent unterstützt von Sigi Finkel, dem Kopf des Projektes.

Die Musiker haben jeweils fünf Stücke aus „Mahagonny“, der „Dreigroschenoper“ und ihrem Nachfolger „Happy End“ ausgewählt und zu einer eigenen Geschichte umgebaut. Natürlich geht es auch bei dieser Version um gefallene Mädchen, gewalttätige Männer, viel Alkohol (der kredenzte Sekt für die Sängerin wird beispielsweise „Im Proda“ zur „Puffbrausn“). Das ist auch heute, rund 80 Jahre nach dem Entstehen der Originale, noch fraglos schwere Kost. Doch glücklicherweise gelingt es Freihaus 4, die Lieder mit der richtigen Portion Rotzigkeit in Inhalt und Form zu transportieren.

Schummrig und lauschig

Der Wiener Dialekt stört dabei überhaupt nicht. Das besungene Reich der schummrigen Eckkneipen in Hafen- oder Bahnhofsvierteln ist international. Apropos Bahnhof: Auch die eher lauschige Atmosphäre in Andelsbuch ist kein Widerspruch zum gezeigten Programm. Der Saal ist spärlich genug beleuchtet, um das passende düstere Ambiente zu bieten. Musikalische Höhepunkte des Abends sind das intime „In da Jugend“, arrangiert von Monika Lang, bei dem sie allein Tini Kainrath begleitet, oder auch „A scheene Leich“ – im Original die „Ballade von der Höllen-Lilly“ aus Happy End.
Ein rundum gelungener Abend, der Lust auf weitere Veranstaltungen an diesem ungewöhnlichen Schauplatz im Bregenzerwald macht.

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