Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Silvia Thurner · 16. Jun 2012 · Musik

Aussagekräftiges und Unterhaltsames – das Engegård Quartett aus Norwegen spielte engagiert und mit herausragender Interpretationskraft

Musik aus Norwegen präsentierte das hervorragende Engegård Streichquartett im Rahmen des Feldkirch Festivals. In drei Stationen wurden unterschiedliche kompositorische Zugänge von Edvard Grieg, Arne Nordheim und Maja Solveig Kjelstrup Ratkje aufgezeigt. Das Konzertprogramm war gut gewählt, allerdings relativierte die Werkfolge die Nachhaltigkeit besonders von Ratkjes Streichquartett. Zum Schluss erklang traditionelle norwegische Volksmusik und im Anschluss an das Konzert wurde eine interessante Podiumsdiskussion zur Bildungs- und Kulturpolitik in Skandinavien geboten.

Das „Engegård Quartet“ ist nach seinem Gründer und Primgeiger Arvid Engegård benannt. Während des gemeinsamen Spiels mit Atle Sponberg (Violine), Juliet Jopling (Viola) und Konstantin Pfiz (Violoncello) war die starke Strahlkraft von Arvid Engegård spürbar. Bei ihm liefen die Fäden zusammen und er bündelte die Energien. Die gute Kommunikation der Quartettmusiker untereinander zeigte, dass die Musiker als gleichberechtigte Partner miteinander musizierten. So entwickelte sich ein nuancenreicher, fein abgestufter Gesamtklang, der eine orchestrale Strahlkraft entwickelte und sich in introvertierten Klangfeldern mit einem feinsinnigen Pianissimo ausdrückte. Vielsagende Werkdeutungen wurden im Pförtnerhaus geboten.

Gute Werkdeutungen

Der Interpretation des Streichquartetts in g-Moll, op. 27 von Edvard Grieg lagen spannende Entwicklungslinien zugrunde, die gut nachvollziehbar dargestellt wurden. Besonders die Ambivalenz zwischen den emotional ruhigen und den aufgewühlten Linien kam vieldeutig zum Ausdruck. Wiegend und tänzerisch mit ausgeprägten Rubati erklang die Romanze, in der die Reminiszenzen an den Eröffnungssatz sowie die raffiniert komponierte ‚Unvereinbarkeit’ der Rhythmen aufhorchen ließen. Sich verändernde Stimmungsbilder in den thematischen Hauptlinien, verbunden mit gut aufeinander abgestimmten dynamischen Schattierungen, waren weitere Markenzeichen dieser Werkdeutung.

Arne Nordheim ist einer der renommiertesten zeitgenössischen Komponisten Norwegens. Von ihm musizierten Arvid Engegård und Juliet Jopling das Werk „Duplex“ (1991). Raumgreifende und energiegeladene Gesten leiteten das Werk ein, das mit zahlreichen gegenläufigen Linien und Kraftzentren die beiden Stimmen ineinander verflocht und gegeneinander ausspielte. Aussagekräftiger in der Werkanlage und zeitgemäßer in der kompositorischen Sprache wirkte das erste Streichquartett Nr. 1 „Tale of Lead and Light“ von Maja Solveig Kjelstrup Ratkje.

Aussagekräftige österreichische Erstaufführung

Ausgehend von Beethovens Streichquartett op. 59/1 verfasste die 39-jährige Komponistin Maja Ratkje ein Werk, das von Beginn an die Aufmerksamkeit auf sich zog, denn eine große Erwartungshaltung wurde bereits mit den flirrenden einleitenden Gesten gesetzt. Die Aura Beethovens schwang durch den musikalischen Duktus hindurch mit. Unter anderem wurden harmonische Eckpfeiler vielgestaltig kommentiert, plastisch umrankt und spannenden musikalischen Auflösungsprozessen ausgesetzt.

Während des Entstehungsprozesses dieses Streichquartetts im Jahr 2011 wurde Norwegen von einer Terrorattacke erschüttert. Nachher war nichts mehr so wie bisher. Auch im Werk von Maja Ratkje hat dieser Gewaltakt Spuren hinterlassen. Dramatisch wirkte der Zusammenbruch vor allem durch die Zurückhaltung, mit dem er sich in der Musik widerspiegelte. Doch allmählich entstand wieder Neues, so dass zum Schluss hin die Farbe des Beginns wieder durchflimmerte.

Missverständnis

Die Deutung dieses Streichquartetts war eine Bereicherung und verströmte eine nachhaltige Wirkung. Ärgerlich war deshalb, dass unmittelbar im Anschluss an dieses Werk zeitgenössische Arrangements Nord-Norwegischer Volkslieder wie lärmendes Gepolter in den Raum gestellt wurden. Selbstverständlich waren auch diese Stücke hervorragend arrangiert und wurden vom Engegård Quartett faszinierend gespielt.

Diese Werkfolge war symptomatisch für die Programmgestaltung beim Feldkirch Festival und vielen anderen Veranstaltern. Dem Publikum wird offenbar nichts zugemutet. Jede nachdenkliche oder gar bedrückende musikalische Aussage wird unvermittelt wieder aufgelöst, weil die Musik – im Gegensatz zum Theater und Film – in den Köpfen vieler Programmmacher allein der seelischen Erbauung zu dienen hat. Dies bewirkt oft eine Belanglosigkeit, die den dargebotenen Kompositionen nicht gerecht wird.

Von der Wertschätzung der Kunst und Kultur

Im Rahmen einer Podiumsdiskussion diskutierten Johanna Laakso (Universitätsprofessorin für Finno-Ugristik an der Universität Wien), Petra Biesalski (stellvertretende Leiterin des Goethe-Instituts Oslo) und Taina Lehtonen (Schulleiterin des Musikgymnasiums Kaustinen) über kultur- und bildungspolitische Leitgedanken in Finnland und Norwegen. Spannend und unterhaltsam berichteten die Frauen unter anderem darüber, dass in Norwegen eine „Wohlfühlschule“ gepflegt wird, in Finnland hingegen durchaus auch eine Leistung eingefordert wird. Kultur wird in beiden Ländern als Exportgut betrachtet. Damit einher geht eine hohe Wertschätzung der Kunst und Kultur, die sich selbstverständlich in den finanziellen Mitteln niederschlägt.