Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Thomas Kuschny · 05. Okt 2014 · Musik

Berlin besucht Dornbirn: Die Curry Wurst - Teil 2

Auch beim zweiten Teil des JAZZ& Festivals am Dornbirner Spielboden hätten die Gegensätze kaum größer sein können. Zwischen Kammermusikalischem und Hardcore besteht ja schon ein gewisser Unterschied. Dieser läßt sich auch ganz profan physikalisch ausdrücken: durch Dezibel!

Den Abend eröffnet Gebhard Ullmanns „BassX3“ mit einem genauso spannenden wie kontemplativen rein akustischen Set. Zwei Kontrabässe und eine Bassklarinette (bzw. eine Bassflöte), eine scheinbare Reduktion also auf die tiefen Register. Aber das Trio versteht es trefflich, die Klangspektren der Instrumente zu erweitern.

Hilfsmittel aller Art


Mit Hilfsmitteln aller Art werden tönende Bilder kreiert, abstrakt meist, aber gleichzeitig auch sehr imaginativ, es bedarf, wie sonst oft, keinerlei Kommentars, keiner Erklärung. Ein jeder mag sich selber allerhand assoziieren, vielleicht schwarz-weiße triste Ebenen im mittleren Westen der USA, wenn Ullmann mit der Bassflöte rudimentäre Melodien zu brummendem und surrendem Legato spielt. Am besten wirkt die Sache aber ohne jeden funktionsharmonischen Zusammenhang, ganz reduziert. Die Strukturen sind zwar vorgegeben, sie werden aber erst durch die Improvisation zum Leben erweckt. Die dafür benötigten Werkzeuge sind durchaus ungewöhnlich. Neben den obligatorischen Wäscheklammern zur Dämpfung der Saiten werden Schlagzeugbecken, Schmuckketten, Rasseln, Bleche und, mit Sicherheit ein seltenes Objekt auf einer Jazzbühne, auch ein Vibrator benutzt. Letzterer hat den auch schon gesehenen Milchschäumer abgelöst, weil subtiler einsetzbar. Die Bässe werden als Resonanzkörper für kleine Spieluhren genutzt, gerieben und samt Daumenklavier zum Schlagwerk mutiert. „Quiet is the new loud!“ - hieß es vor einigen Jahren in der Popmusik, das kann man auch hier unterschreiben. Famos!

Das Gaspedal voll durchgedrückt


Szenenwechsel. Die „Killing Popes“! Ein Aufruf zur Beseitigung katholischer Würdenträger? Oder Anklage einer meuchelnden Politik mancher ihrer Vertreter? (Curry)Wurst! Nach einer behutsam begonnenen längeren, frei improvisierten Aufwärmphase drückt das erst 2013 gegründete Ensemble das Gaspedal voll durch und läßt es, von kurzen Erholungsphasen unterbrochen, eben dort.

Das von Drummer Oliver Steidle und dem Bassisten Petter Eldh gegründete Projekt spielt einen beinahe klassischen Avantgarde-Jazz-Hardcore Hybrid, so wie damals vor 20, 25 Jahren Teile der Downtown-Szene New Yorks oder etwa die niederländische Band „X-legged Sally“. Dagegen spricht überhaupt nichts, wenn das Resultat so frisch und mit Verve „in your face“ dargeboten wird. Das Quintett hat sichtlich Spaß an den teils schwer vertrackten Ungetümen, die Soli werden über extra gemeine rhythmische Muster gelegt, damit auch den Begleitmusikern nicht öde wird. Die Unisono Passagen von Saxofon und Gitarre gehen durch Mark und Bein, Andrea Parkins (vor Kurzem erst mit Ches Smith an derselben Stelle zu hören) an Akkordeon und Laptop steuert fiese Electronics bei. Mit dabei sind immer wieder kleine Melodiebögen oder Wendungen, die, oft wiederholt, Halt geben im Getöse. Das erste Stück wird zwar, leicht variiert, am Ende wiederholt und das zweite hören wir verkürzt in der Zugabe wieder. Kein Problem, man hört die Stücke gerne wieder.

Zu sagen ist noch: Dem Aufruf des Chefredakteurs gestern waren, wie fast zu befürchten, nur wenige gefolgt. Damit die Hütte voll wird, werden im klassischen Bereich die Neutöner ja gerne mit einem Schubert, Brahms oder so programmatisch kombiniert. Werden wir in Zukunft also den Lillinger mit Chris Barber und Gebhard Ullmann mit einer Glenn Miller BigBand genießen müssen? Da sei Gott vor ...