Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Fritz Jurmann · 19. Jän 2015 · Musik

Besuch beim „großen Bruder“ - Der „Rosenkavalier“ am Tiroler Landestheater glänzt durch Werktreue und Qualität

Lokalaugenschein am Tiroler Landestheater in Innsbruck, wo am Wochenende eine Repertoirevorstellung des „Rosenkavalier“ gezeigt wurde, der populärsten Oper von Richard Strauss. Die Premiere geht auf November zurück und damit ins Jubiläumsjahr zum 150. Geburtstag des weltbekannten bayerischen Komponisten.

Kammersänger Heinz Zednik, bald 75, seit einem halben Jahrhundert an der Wiener Staatsoper in den Legendenstatus erhoben und zuletzt immer intensiver als Regisseur zugange, hat in Tirols Metropole eine glänzende Fassung dieses Werkes geschaffen. Er will die Oper nicht wie viele seiner Regietheater-Kollegen neu erfinden und mit aktuellen Mätzchen überfrachten, denn sie ist auch in ihrem Originalzustand ein Juwel. Und so spielt bei Zednik die Handlung in größtmöglicher Werktreue auch dort, wo sie eigentlich angesiedelt wurde, nämlich im 18. Jahrhundert, inklusive prächtiger Ausstattung mit Barock-Interieurs und ebensolchen Kostümen (Michael D. Zimmermann). Der Abend punktet zudem auch mit einer exzellenten, wunderbar aufeinander abgestimmten Besetzung und einer soliden Orchesterleistung und verrät auch die feine Ader seines Regisseurs für den subtilen Opernhumor.

David gegen Goliath?


Dass dieses Spitzenwerk der Opernliteratur noch nie in Vorarlberg aufgeführt wurde, regt zunächst zu einem aktuellen Vergleich der beiden Landestheater Bregenz und Innsbruck an – ihrer Größe, ihres Aufgabenbereichs und ihrer Dotierung. Das scheint auf den ersten Blick eine „David gegen Goliath“-Geschichte zu werden, doch bei näherer Betrachtung kann auch der „kleine Bruder“ in manchem durchaus mit dem  großen mithalten.

Allein der Einzugsbereich der beiden Häuser ist natürlich höchst unterschiedlich, und so ist das Tiroler Landestheater ein vollwertiges Dreispartenhaus mit Musiktheater in Oper, Operette und Musical, mit Sprechtheater und Tanz, Bregenz dagegen pflegt nur das Schauspiel in vielen Varianten und macht eine Oper jährlich. Mit dem Tiroler Symphonieorchester besitzt Innsbruck zudem ein fest angestelltes Berufsorchester, das mehrmals die Woche in der Oper aufspielt und zudem eigene Konzertreihen gestaltet. Unser Symphonieorchester Vorarlberg dagegen ist ein Projektorchester, das sich jährlich jeweils nur etappenweise für seinen fünfteiligen Abo-Zyklus, eine Opernproduktion am Landestheater und Aufführungen bei den Festspielen in variabler Besetzung zusammenfindet.

Tirol prunkt mit Jahressubvention von 13 Mill. Euro


Das Fassungsvermögen des jeweils „Großen Hauses“ beträgt in Bregenz 550, in Innsbruck mit seinem mehrstöckigen Logentheater 800 Besucher. Der wohl gravierendste Unterschied aber liegt im Finanziellen: Während in Tirol für Theater und Orchester jährlich gute 13 Millionen Euro an Landessubventionen fließen, bekommen Landestheater plus Symphonieorchester Vorarlberg vom Land gerade über vier Millionen.

Klar, dass man unter solchen Umständen in Innsbruck gerade im Opernbereich gut klotzen kann statt kleckern. Während diese Inszenierungen bei aller Opulenz dort manches Mal auch etwas statisch bleiben, behilft man sich in Bregenz aus der finanziellen Beschränktheit mit einfacherer Ausstattung und dafür einem Ideenreichtum, den Theaterintendant Alexander Kubelka seit vier Jahren persönlich ins Geschehen einbringt. Damals hat der bisher nur als Schauspielregisseur Tätige den Opernbereich für sich entdeckt und seither Werke wie Donizettis „Liebestrank“, Verdis „La Traviata“ oder „Rigoletto“ mit sprühenden Einfällen versehen und damit oftmals zu viel diskutierten, vergnüglichen und ausverkauften Opernevents gemacht.

Routine gegen Esprit


Auch die beiden Symphonieorchester schenken einander nichts. Die Innsbrucker Musiker sind – und das ist nicht böse gemeint – im „Beamtenstatus“ und spielen manchmal auch vielleicht etwas allzu routiniert, im SOV dagegen sitzen die Musiker stets ganz vorne an der Stuhlkante, weil es bei jedem Einsatz ums eigene Überleben geht und sie dabei jeweils neu ihre eigene Qualität beweisen müssen.

So ist es auch fast logisch, dass unter solchen Umständen bei uns nie daran gedacht war, ein so personalintensives und aufwändiges Werk wie den „Rosenkavalier“ zu stemmen. Das war einfach eine Nummer zu groß. Nicht einmal die Festspiele wagten sich dran, weil diese Oper durch ihre beiden Schöpfer Hugo von Hoffmannsthal (Libretto) und Richard Strauss (Musik) als spätere Mitbegründer der Salzburger Festspiele (1920) eng mit der Konkurrenz an der Salzach verbunden ist, wo Strauss neben Mozart bis heute intensiv gepflegt wird.

Der „Rosenkavalier“ ist ein Wurf


So lohnt sich für den Vorarlberger Opernfreund derzeit also sehr wohl die Fahrt über den Arlberg an den grünen Inn, wo ihm ein „Rosenkavalier“ wie aus dem Bilderbuch geboten wird, dabei angesichts der hohen Qualität zu sehr menschlichen Eintrittspreisen. Die dreieinhalb Stunden reine Spielzeit der drei Akte vergehen wie im Flug, denn dieses bei der Uraufführung 1911 in Dresden als „Komödie für Musik“ bezeichnete Stück ist in jeder Hinsicht einfach ein genialer Wurf, der die Jahrhunderte überdauern wird. Allein durch seine wunderbar sinnliche Musik, die bei Musikchef Alexander Rumpf in guten Händen ist und in perfekter Balance mit der Bühne zur Wirkung kommt. Sie leuchtet mit Mozart als Vorbild und ihren feinen Anspielungen an das Wiener Walzeridiom in allen denkbaren spätromantischen Farben auf, glitzert bei der Überreichung der „Silbernen Rose“ und wird pausbäckig derb bis brutal, wenn der rüpelhafte Ochs auf Lerchenau ins Spiel kommt.

Apropos: Dem Darsteller dieser Figur gehört unter den Hauptpartien sicher die Palme. Andreas Hörl, ein komödiantisches Urviech mit gewaltigem Stimmvolumen, wird zur köstlichen Karikatur eines versoffenen, geilen Adeligen, der dafür seine Prügel bezieht. Der feinsinnig gezeichnete Gegensatz findet sich in der ihm zugedachten Braut, der zart verträumten Sophie von Susanne Langbein. Sie überrascht mit berückend sauberen Tönen in schönster Pianokultur und engagiertem Einsatz für die damals neu aufgeflammten Rechte auf Selbstbestimmung einer jungen Frau.

Rollendeckendes Ensemble


Die übrigen Partien sind aus dem Stammpersonal des Hauses auf hohem Niveau rollendeckend besetzt: Susanna von der Burg als noble, warmherzige  Feldmarschallin, Valentina Kutzarova als leider etwas später, dennoch sehr glaubhaft agierender Octavian, Peter Edelmann als gequälter Herr von Faninal und Susann Hagel als resche Leitmetzerin.

Regisseur Heinz Zednik hat alles penibel im Griff, führt auch die zahlreichen liebevoll gezeichneten Randfiguren und den präsenten Chor mit sicherer Hand durch all die vielen Details und Zwischentöne des turbulenten Bühnengeschehens. Eine einzige aktuelle Anspielung leistet er sich, indem er den Sänger einer italienischen Arie als köstliche Mischung aus Luciano Pavarotti und Modeguru Harald Glööckler ausstattet. Das volle Haus bedankt sich minutenlang für einen erfüllten Opernabend.

 

Weitere Aufführungen am Tiroler Landestheater Innsbruck:
Sa, 31. Jänner, So, 15. Februar, So, 22. Februar, jeweils 18.00 Uhr
überall noch Restplätze verfügbar
Dauer bis 22.15 Uhr
Karten unter kassa@landestheater.at