Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Fritz Jurmann · 07. Jul 2013 · Musik

Blasmusik als Störenfried - Akustisches Kräftemessen um die Lufthoheit beim Open Air des Kammerorchesters „Arpeggione“ im Palasthof

Es war so etwas wie ein Luftkampf zwischen zwei in ihrer Aufgabenstellung sehr unterschiedlichen Hohenemser Orchestern, was sich da am Samstagabend im ausverkauften Palasthof abspielte. Ausgerechnet der berühmte zarte zweite Satz von Beethovens Symphonie Nr. 7 wurde beim Open Air des Kammerorchesters „Arpeggione“ durch robuste Blasmusikklänge eines nahen Konzertes der Bürgermusik empfindlich gestört.

Dabei war das alles ganz anders abgesprochen und sogar schriftlich festgehalten worden, wie Organisator Josef Kloiber bestätigte: Bis 21 Uhr sollte das deswegen eigens schon um 19 Uhr gestartete „Arpeggione“-Konzert fertig sein, erst dann hätten die Blasmusiker mit ihren Darbietungen beginnen dürfen. Die hielten sich allerdings nicht daran – als der zweite Satz von Beethoven begann, war es gerade 20.30 Uhr …

Ein gesellschaftliches Event für „Tout Ems“


Zum dritten Mal en suite vom Wetter begünstigt war das Open Air im prächtigen Renaissance-Palasthof, den das Kammerorchester „Arpeggione“ vor zwei Jahren zum neuen Schauplatz eines seiner Konzerte wiederentdeckt hatte. Diese wurden seither vom Publikum gestürmt und auch dank des anschließenden Gratis-Buffets „Meet and greet“ regelmäßig zu einem gesellschaftlichen Event für „Tout Ems“.

Der Palasthof als Konzertort besitzt ja eine glorreiche Tradition. Unvergessen die Produktionen von Haydn-Opern der Bregenzer Festspiele in den Siebzigern und die ersten Jahre der Schubertiade, als Prominenz wie der Bariton Hermann Prey zusammen mit dem Gesangverein Hohenems hier agierte. Unvergessen allerdings auch die Provinzposse um ein faltbares Dach, das man der Wettersicherheit wegen aufwendig konstruierte – mit dem Effekt, dass die Zuhörer zwar im Trockenen saßen, das Plätschern des Regens auf dem Dach freilich die Musik hoffnungslos übertönte.

Orchester ist spielfreudig und motiviert


Erhöhte Sitzreihen wie damals gibt es zwar keine, aber dieselbe unvergleichliche Konzert-Idylle, bei der die Felsen des Schlossbergs fast bedrohlich in den Hof lugen und die Vögel ringsum in die Musik einstimmen. Diese kommt an diesem Abend von einem aufgeräumten, mit über 30 Musikern symphonisch aufgefetteten Kammerorchester: „Arpeggione“ mit seiner seit zwei Jahren hier tätigen fantastischen usbekischen Konzertmeisterin Maria Azova zeigt sich im ersten Teil überaus spielfreudig und motiviert, leichtgängiges Repertoire aus populären Opern ist gerade die rechte Programmierung für einen lauen Sommerabend.

Mit dem aus Palermo stammenden gewichtigen Maestro Onofrio Claudio Gallina steht auch der rechte Mann dafür am Pult. Mit seiner Opernerfahrung lässt er in kleinen, weichen Bewegungen die Musik wie Rossinis turbulente „Barbier“-Ouvertüre völlig natürlich aus sich selbst heraus entwickeln, mit prächtigen Soli von Oboe, Horn, Klarinette und Fagott, und nur die ungewohnte Akustik spielt den Musikern im Zusammenspiel einen Streich. Nicht so beim zweiten instrumentalen Ohrwurm dieses Abends, dem unverwüstlichen Intermezzo aus der Oper „Cavalleria rusticana“ von Pietro Mascagni.

Glänzende Opernstimme


Zum Glanzpunkt des Konzertes aber wird die bildhübsche georgische Mezzosopranistin Ketevan Kemoklidze, eine tolle Erscheinung, die mit wunderbar ausgereifter und kontrollierter Stimme und enormer Bühnenpräsenz überlegen ihr Können demonstriert. In vier Opernperlen des Mezzofaches wird sie dem Thema „Maskenspiele“ imponierend gerecht, vermag stimmlich, aber auch mit schauspielerischem Können im Ausdruck und in kleinen Gesten jeder Rolle die eigene typische Atmosphäre und Färbung zu vermitteln.

Nach den beiden Hosenrollen des Sesto in Mozarts „Titus“ und des Orlovsky in Strauß‘ „Fledermaus“ macht sie die koloraturengespickte Paradepartie in Rossinis „Cenerentola“ („Aschenputtel“) zum hinreißenden Ereignis. Da kommt sogar beim Publikum im Hof erstmals Stimmung auf, die sich zum Jubel verdichtet, als die Sängerin in Bizets „Habanera“ zur glutäugig liebeshungrigen „Carmen“ mutiert – und das in einem Dacapo gleich ein zweites Mal.

Beethoven unter seinem Wert geschlagen


Weit weniger glorios gestaltet sich der zweite Teil, und das nicht nur wegen der eingangs erwähnten akustischen Beeinträchtigungen. Beethovens „Siebente“ ist, auch wenn sie oft als die „Apotheose des Tanzes“ bezeichnet wird, in Wirklichkeit kein heiteres Stück Musik für ein Open Air. Beethoven bleibt nun einmal ernst, auch wenn er heiter sein will. Eine frühe Schubert-Symphonie etwa hätte man sich am Gründungsort der Schubertiade weit besser vorstellen können. Dazu kommt, dass der so sehr opernerfahrene Dirigent Onofrio Claudio Gallina überraschend im symphonischen Bereich kläglich versagt und mit dem Orchester eine total uninspirierte, oft im Tempo als bloße Effekthascherei überzogene und oberflächlich routinierte Version hinschludert.

Da steht keine persönliche Aussage, kein Konzept, keine Idee dahinter, da bleibt die Musik einfach zwischen den Notenzeilen hängen. Dennoch: Dem Publikum scheint es so gefallen zu haben, es erklatscht sich eine Wiederholung des berühmten zweiten Satzes, der zuletzt auch als Untermalung im Film „King’s Speech“ herhalten musste. Und wieder platzt, es ist kurz vor 21 Uhr, die nahe Blasmusik in genau diese wunderschöne leise Stelle der tiefen Streicher im Allegretto hinein… Wenn halt einmal das Glück fehlt, kommt oft auch noch Pech dazu.

 

Nächstes „Arpeggione“-Konzert in Hohenems: Samstag, 21. September, 20 Uhr, Rittersaal im Palast – „Cellissimo“ (Alexander Rudin, Dirigent und Violoncello; Orfeo Mandozzi, Violoncello; Hans-Udo Kreuels, Klavier) – Werke u. a. von Haydn, Piatti, Martinù