Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Silvia Thurner · 14. Mai 2015 · Musik

Dem Reformer Jan Hus ein musikalisches Denkmal gesetzt – Francisco Obietas Oratorium „Verbrennt das Feuer!“ in einem gemeinsamen Kraftakt (ur)aufgeführt

Am Landeskonservatorium in Feldkirch wurden alle Kräfte gebündelt, um das große Oratorium „Verbrennt das Feuer!“ von Francisco Obieta nach einem Text von Ivo Ledergerber aus der Taufe zu heben. Das Symphonieorchester sowie der Chor des Landeskonservatoriums, unterstützt vom Kammerchor Feldkirch präsentierten unter der Leitung von Benjamin Lack dieses groß angelegte Werk. Im Rahmen des „Internationalen Bodenseefestivals 2015“ wurde das Oratorium in Konstanz, Amriswil und zuletzt in der Kapelle des Landeskonservatoriums vorgestellt. Enorme Anforderungen wurden an alle Sängerinnen und Sänger, Musikerinnen und Musiker und die Solisten Petra Tschabrun (Alt), Anna Welte (Alt), Hoel Troadec (Tenor) und Wojciech Latocha (Bass) gestellt. Mit bewundernswerter Kraft und Ausdauer stellten sie die dramatischen Ereignisse rund um das Wirken und den Tod des Reformers Jan Hus auf einem hohen musikalischen Niveau in den Raum.

Jan Hus war eine faszinierende Persönlichkeit. Im Jahr 1415 wurde er beim Konstanzer Konzil als Ketzer zum Tode verurteilt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Zum Gedenken der Ereignisse vor 600 Jahren gibt es in Konstanz zwischen 2014 und 2018 ein umfangreiches Kulturprogramm. In diesem Rahmen hat auch Francisco Obieta, Komponist und Dozent für Kontrabass am Landeskonservatorium, einen Kompositionsauftrag erhalten. Er schuf ein groß angelegtes Oratorium im Gedenken an Jan Hus und sein Wirken. Kontrovers wird Jan Hus' Standhaftigkeit von den einen verehrt und sein Fanatismus von den anderen kritisiert. Der Autor Ivo Ledergerber ließ sich jedoch in seinen Textinhalten nicht auf diesen Diskurs ein. Ihm gelang der Spagat einer vieldeutigen Auseinandersetzung, indem er das Oratorium in "Prediger-Strophen", "Strophen über die Wahrheit", "Strophen zur großen Geschichte", "Regenten-Strophen" sowie "Papst-Strophen" und "Strophen für Jan Hus, den Menschen" gliederte. Darin wurden unterschiedlichste Aspekte angesprochen, aber nicht kommentiert. Sie bildeten die inhaltlichen Eckpfeiler des gut eineinhalbstündigen Werkes.

Plastische Motive

Francisco Obieta folgte der Textvorlage genau, indem er viele Vokalpassagen syllabisch komponierte, die Atmosphäre der Ereignisse widerspiegelte und mit bildhaften Sequenzen auch optische Bilder evozierte. Dazu verwendete er plastisch ausgeformte Motive, die in unterschiedlichen Sinnzusammenhängen wiederkehrten. Zentral erklang als „Kernmotiv“ eine aufsteigende Sequenz. Sie konnte leicht mit züngelnden Flammen assoziiert werden. In unterschiedlichen Gestalten und zeitlichen Dimensionen änderte sich der Ausdrucksgehalt des Kernmotivs und passte sich so den Textinhalten an.

Die Musik führte die Zuhörenden unmittelbar ins Geschehen hinein und entwickelte sich in einem ständigen Aufgebot aller Mittel, die die große Orchesterbesetzung zur Verfügung stellte. Zentral schien der Botschaftscharakter, den Francisco Obieta mit viel klanglicher Energie, treibenden Rhythmen, ungewöhnlichen Klangkombinationen, Tonmalereien, profilierten motivischen Gesten, Vergrößerungen der Themengestalten, prägnant geführten Chorpassagen, symbolhaft eingesetzten Intervallen und chromatischen Linien sowie Zitaten und Allusionen zum Ausdruck brachte.

Abwechslung und teilweise Überfrachtung

Diese Vielfalt der Mittel bot einesteils viel Abwechslung, andernteils relativierte die überbordende Fülle der Klangereignisse mitunter jedoch die Wirkung der dargestellten Inhalte. Immer wieder lenkten originelle Gestaltungsmittel die Aufmerksamkeit auf sich. Beispielsweise blieb die vorwärtspreschende Rhythmik der hohen Streicher im Zusammenwirken mit den chromatisch geführten Chorstimmen im Abschnitt „Alle wirklich alle“ in Erinnerung. Aus dem Ganzen hervor trat auch der wirkungsvolle Tanz „Schach“. Gut nachvollziehbar wurde der Text in „Drei Päpste“ musikalisch interpretiert. Markt- und Stadtatmosphäre früherer Zeiten wurden mit Blockflöten und Tamburin versinnbildlicht. Auffallend waren überdies die Rollenverteilungen und die unterschiedlich instrumentierten Klangbilder. Wenn beispielsweise von Christus die Rede war, traten diese Passagen jeweils durch einen verlangsamten Klangfluss und mit lichten Instrumentalfarben hervor.

Die Herausforderung gut bewältigt

Der Chor des Landeskonservatoriums und der Kammerchor Feldkirch bewältigten die Herausforderung des gewichtigen Chorparts gut. Spürbar waren die Energie und der Wille, den Ausdruckgehalt der einzelnen Passagen möglichst transparent zu gestalten. Die teilweise sehr anspruchsvollen, mit viel Chromatik versehenen Linienführungen erklangen in einer weitgehend ausgewogenen Balance und gut intoniert. Einzig die Textdeutlichkeit ließ zu wünschen übrig.

Die Sopranistin Petra Tschabrun zeichnete sich durch eine klare und auch in den Höhen sichere Stimmführung aus, ein warmes Timbre verströmte die Altistin Anna Welte, hell wirkte die Tenorstimme von Hoel Troadec und der Bassist Wojciech Latocha gestaltete seinen Part in sich ruhend. Insgesamt hatten der Chor und vor allem die Solisten kein leichtes Spiel, denn der Orchesterklang war abschnittweise im Verhältnis zum Chor allzu übermächtig. Als Stütze hatte Francisco Obieta zu zahlreichen solistischen Passagen parallel geführte Instrumentalstimmen gestellt, doch diese überdeckten die Stimmen teilweise empfindlich.

Aus dem Vollen geschöpft

Beeindruckend modellierten die Orchestermusikerinnen und –musiker ihre Parts. Sie spielten die dichten Linien in den einzelnen Registern gut aufeinander abgestimmt. So kamen melodische Klangfelder und rhythmische Passagen transparent zur Geltung. Für viel Abwechslung im Gesamtgeschehen sorgten die originellen Klangfarbenkombinationen, denn Francisco Obieta hat im Hinblick auf die Instrumentierung aus dem Vollen geschöpft.

Fels in der Brandung

Wie immer agierte Benjamin Lack souverän im Zentrum des musikalischen Geschehens. Seine Kraft und Fähigkeit, so professionell, motivierend und herzlich die Jugendlichen zu Höchstleistungen zu führen, bewundere ich jedes Mal aufs Neue. Berührend feierten die Studierenden sowie die Mitglieder des Kammerchores Feldkirch ihren musikalischen Leiter am Schluss mit enthusiastischem Jubel.

Radiotipp:
Sonntag, 24. Mai, Konzert am Sonntag, ORF Radio Vorarlberg, 20:04 Uhr