Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Thomas Kuschny · 30. Jän 2015 · Musik

Der Monk der Gitarre - James „Blood“ Ulmer am Dornbirner Spielboden

Eine Erscheinung wie Herr Ulmer hat es definitiv leichter, ein nach Authentizität strebendes weißes europäisches Publikum in seinen Bann zu ziehen, noch bevor der erste Ton erklungen ist. Mächtig und ganz in Schwarz wankt er auf die Bühne, weißer Bart, schwarze Sonnenbrille, das einschlägige Käppi: die Assoziation mit Thelonius Monk liegt auf der Hand. Als er dann noch mit abgründiger Grabesstimme à la John Lee Hooker die zahlreichen Anwesenden begrüßt, geht ein Raunen durch die Reihen. Ein Original!

Und das ist er tatsächlich, denn der 75-Jährige geht seit mehreren Jahrzehnten schon seine eigenen Wege, sein Stil ist eigenwillig und unverwechselbar, auch darin Monk ähnelnd. Ein bisschen schlampig, manchmal etwas holprig klingt das, man vergleiche sein Spiel etwa mit Wolfgang Muthspiels makelloser Eleganz. Die wäre aber hier völlig fehl am Platz. Denn auch in Ulmers Musik ist es der Begriff „Erdung“, der, obwohl Klischee, der Sache am nächsten kommt. Aufgebaut auf dieser nackten, staubigen Erde, hebt Ulmer dann aber ab in eigenartige Höhen. Inwieweit das „harmolodische“ System von Ornette Coleman seinen Schüler hier beeinflusst hat, werden wir wohl nie erfahren, denn so wie es aussieht, werden die Protagonisten das Geheimnis dieser obskuren Musiklehre mit ins Grab nehmen. Es hat zwar den Anschein, dass sich die Abstraktionen, die man hier zu hören bekommt, eher nicht durch intellektuelle funktionsharmonische Auseinandersetzung entwickelt haben, aber wer weiß das schon. Und egal ist´s obendrein, es tut der Originalität keinen Abbruch.

Das „Music Revelation Ensemble“  im Trio


James „Blood“ Ulmer ist wieder mit seinem „Music Revelation Ensemble“ unterwegs, diesmal im Trio, und es ist natürlich von der Urbesetzung - außer dem Chef -  keiner mehr übrig. Kontrabassist Calvin Jones und Schlagzeuger Aubrey Dale sind ein bis zwei Generationen jünger, sehr kompetente Sidemen und wissen genau Bescheid um Ulmers scheinbar spontane Wendungen wieder hin zu auskomponiertem Material. Denn oft beginnen die Stücke lose und fragmentarisch in einem Niemandsland zwischen Free Jazz und Funk-beeinflußten Ostinati, enden aber überraschend in Bebop-artigen Melodien und Unisono-Passagen. Einmal meint man gar Charlie Parkers „Blues for Alice“ herauszuhören. Dazwischen ertönt auch mal recht herkömmlicher Funk, überraschend widmet sich das Trio schließlich der Bearbeitung einer trällernden Dur-Kadenz. Auf die Aufforderung Ulmers, ihn und seine Band doch mit nach Hause zu nehmen, nachdem nun an diesem Orte genug gespielt worden sei, meldet sich niemand, hoffentlich ist dies nicht dem nasal-quengelnden Wah-Wah Pedal zu verdanken, das der Meister leider allzu oft in Gebrauch hat. So muss er halt ohne Zugabe gleich seinen CD-Bauchladen eröffnen und sich auf diese Weise eine Unterkunft erwirtschaften. Es wird sich schon ausgegangen sein.