Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Fritz Jurmann · 09. Dez 2012 · Musik

Der Verein „protalentum“ ist wieder fündig geworden: Die Bludenzer Mezzosopranistin Isabel Pfefferkorn bewies tolle Liedqualitäten

In unserem an musikalischen Talenten nicht gerade armen Land ist der Verein „protalentum“ seit Jahren unermüdlich unterwegs, um aus der Masse an Begabten das Besondere herauszufiltern. Der Cellist Payam Taghadossi war eine solche Ausnahmeerscheinung, ebenso die Geigerin Martina Miedl. Die aktuelle Präsentation der Bludenzer Mezzosopranistin Isabel Pfefferkorn gemeinsam mit dem Bodenseeclub am Freitag im Bregenzer Theater „Kosmos“ geriet nun zur faustdicken Überraschung. Mit Schumanns Liederzyklus „Frauenliebe und -leben“ löste sie stimmlich und gestalterisch weit mehr ein, als man gemeinhin von einer 21-Jährigen erwarten darf.

Erstmals auf dem glatten Parkett des Liederabends

Die zierliche Sängerin wurde am Landeskonservatorium in der Förderklasse für musikalische Hochbegabungen bei Dora Kutschi ausgebildet, erhielt zahlreiche Auszeichnungen, ist Mitglied der Stiftung „Musik und Jugend“ in Liechtenstein und studiert seit Herbst 2011 an der Zürcher Hochschule der Künste bei Prof. Lina-Maria Akerl. Die Mitwirkung an Musiktheaterproduktionen in der Region brachten ihr erste Bühnenerfahrungen, nun wagt sie sich an diesem Abend im „Kosmos“ auf das glatte Parkett des Liederabends, bei dem eine junge Sängerin fast allein, ohne Kostüm und Maske, nur mit dem Pianisten an ihrer Seite, dem Publikum gegenübersteht und nun ihre Kunst beweisen soll.

Diese Debütsituation wird freilich auf eine neuartige, aber durchaus einfallsreiche und letztlich auch überzeugende Art für die junge Künstlerin abgemildert. Denn der erfahrene Pianist, Musikpädagoge und Musikvermittler Hans-Udo Kreuels vom Landeskonservatorium tritt an diesem Abend nicht nur in seiner Funktion als Klavierbegleiter von Isabel in Erscheinung. Er gestaltet den ersten Teil des Programms als ausführliche Einführung ins Werk samt Musikbeispielen. Damit kann die Sängerin in einem Kurzauftritt vor Publikum bereits ihre erste Nervosität abstreifen, bevor es ans Eingemachte geht. Und aus einem nur gut 20-minütigen Liederzyklus wird so ein abendfüllendes Programm.

Mit wissenschaftlicher Akribie, doch gut verständlich

Man hat als Zuhörer auch zweifellos mehr von einem Werk, wenn man dessen Hintergründe etwas detaillierter unmittelbar zuvor erfährt – so kompetent, wie das eben ein Hans-Udo Kreuels mit wissenschaftlicher Akribie und doch gut verständlich für das Publikum zu vermitteln weiß. Er hinterfragt vieles, macht die Bedeutung des Werks in Zusammenhang mit dem gesamten Liedschaffen Schumanns deutlich und erläutert etwa dessen eigenwilligen Umgang mit der Textvorlage. Manche seiner Erläuterungen und Textrezitationen klingen auch sehr spontan, obwohl sie natürlich alle penibel vorbereitet sind.

Robert Schumanns besonders im 19. Jahrhundert sehr populärer und stimmungsmäßig aufgehellter Liederzyklus „Frauenliebe und -leben“ entstand 1840, in einer Zeit großer Verliebtheit des Komponisten zu seiner Frau Clara. In einem kleinbürgerlichen Lebensgemälde von acht Frauenliedern geht es darin um die Wandlung der Frau von der Geliebten über die schwangere Gattin bis zur trauernden Witwe. Die überschwänglichen Texte von Adalbert von Chamisso mit der demütigen Hingabe der Frau an den Mann (Lob des Geliebten: „Seit ich ihn gesehen, glaub‘ ich, blind zu sein“ oder „Er, der Herrlichste von allen“) sind heute zwar nur mehr schwer zu ertragen, werden aber durch die wundervolle Musik Schumanns überhöht.

Reife und Gestaltungskraft für den großen Bogen

Isabel Pfefferkorn beweist, ausgestattet mit einer nicht sehr großen, aber warm timbrierten und schön geführten, leichtgängigen Stimme, ihre Klangkultur, saubere Intonation und Wortdeutlichkeit. Sie besitzt aber auch bereits die Reife und Gestaltungskraft, den weiten intellektuellen Bogen dieses Zyklus authentisch und glaubhaft zu vermitteln. Dies gelingt besonders eindrücklich in den krassen Gegensätzen zwischen dem beglückten Wiegenlied der jungen Mutter, „An meinem Herzen, an meiner Brust“, und dem berührend ausgedrückten Schmerz über den Tod des Geliebten im finalen Lied „Nun hast Du mir den ersten Schmerz getan“.

Der Sängerin stehen aber auch die technischen Mittel zu Gebote, ihre Stimme in der staubtrockenen Akustik dieses Sprechtheaters zum Klingen zu bringen. Und sie lässt sich auch von einem penetranten Huster in der zweiten Reihe nicht aus dem Konzept bringen. Nur an einer freieren, unverkrampften Körperhaltung sollte Isabel noch arbeiten. Die Partnerschaft mit Hans-Udo Kreuels ist bis ins kleinste Detail ausgefeilt und lässt keine Wünsche offen, der Pianist bringt Schumanns Farben am Klavier wunderbar zum Leuchten.

Das Publikum, das trotz der unwirtlichen Witterungsverhältnisse zahlreich angereist ist, zeigt sich spontan begeistert. Nach der glücklich gewählten Patronanz durch den Verein „protalentum“ sollte es für die junge Künstlerin nun kein großer Sprung mehr sein zur Reihe „Referenzen“ bei der Schubertiade.