Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Thorsten Bayer · 26. Apr 2015 · Musik

Die Interessanten – Die Sterne im Palace St. Gallen

Auf 23 Jahre Bandgeschichte blicken die drei Hamburger mittlerweile zurück. Gitarrist, Drummer und Bassist sind seit den Gründungszeiten dabei, lediglich am Keyboard hat es zwei Wechsel gegeben. Aktuell steht Dyan Valdés mit auf der Bühne. „Flucht in die Flucht“, das zehnte Studioalbum, ist vor wenigen Monaten erschienen. Das neue Material kommt in St. Gallen gut an – aber kein Vergleich zu alten Hits aus den neunziger Jahren wie „Was hat Dich bloß so ruiniert“ oder „Die Interessanten“.

„Denn von allen Gedanken / Schätz ich doch am meisten / Die interessanten“, heißt es darin. Und zitierenswerte Textzeilen hat Sänger Frank Spilker in den letzten Jahren selbst immer wieder geschaffen. So auch beim neuen Album. Sätze wie „Auf die Gefahr, dass ich mich wiederhole / Ich bin der oberste Tautologe“ (im Song „Menschenverachtend verliebt“) erfreuen das Herz des anspruchsvollen Musikliebhabers auch heute.

Das erste Aufatmen stellt sich bereits nach wenigen Takten ein: Die Akustik im immer wieder stimmungsvollen Palace ist nicht grundsätzlich mies. Sie war es nur bei der Vorband Snøffeltøffs. Bei den Berlinern scheint es zum musikalischen Konzept zu gehören. Lo-Fi in allen Ehren, aber was bei dieser als „Pizza-Wave-Duo“ angekündigten Formation da an Soundbrei durch die Boxen scheppert, lässt wirklich einige Wünsche offen. Immerhin ist es ein temporeicher Auftakt – und nach vier, fünf Songs hat der Zuhörer eine erste Ahnung, in welcher Sprache Julian und Florian da vorne wohl singen.

Indie-Band mit deutschen Texten, Soul und Funk

Die Sterne nehmen hingegen zunächst den Fuß vom Gas. Mit Blick auf die aktuelle Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer will es Frank Spilker ruhig angehen lassen und ändert die Standard-Setlist. „Was dort derzeit passiert, relativiert doch die eigenen kleinen Großstädterprobleme“, sagt er und stimmt die ersten Takte von „Wie groß ist der Schaden bei Dir“ an. Es folgen vor allem Songs des neuen Albums, bevor mit „Widerschein“ aus dem Jahr 1997 der erste alte Hit an der Reihe ist. Da ist sie, die fluffige musikalische Handschrift mit Soul und Funk, die die Band auszeichnet und berühmt gemacht hat. Das Publikum taut langsam auf, erst recht beim „Universal Tellerwäscher“. „Ich sage besser nicht immer dazu, wie alt die Songs sind. Das ist mir sonst peinlich“, merkt Spilker – heute in einem ockerfarbenen Anzug mit knallrotem Hemd und Halstuch – grinsend an.

Fremdkörper am Keyboard

Mit Bassist Thomas Wenzel, der übrigens auch Mitglied der Goldenen Zitronen ist, und Christoph Leich am Schlagzeug steht Spilker seit über zwei Jahrzehnten auf der Bühne. Dyan Valdés ist da das „Küken“ – obwohl sie die Band bereits seit fünf Jahren live begleitet. „Unsere feste freie Mitarbeiterin“ nennt Spilker die Kalifornierin mit Wohnsitz in Berlin, die ihren Job zwar so unaufgeregt und souverän wie die anderen erledigt, aber immer noch wie ein Fremdkörper wirkt. Auf der einen Seite die ergrauenden Herren um die Fünfzig, auf der anderen Seite die nonstop strahlende junge Frau im kurzen Kleidchen, die mit ihrer Koketterie etwas an Betty Boop erinnert.

Nach anfänglichen leichten Schwierigkeiten fängt sich die Band im Laufe des Konzerts, was nichts daran ändert, dass das Publikum recht reserviert bleibt. Zeitweise wirkt Spilker daher etwas resigniert, dass der ganz große Funke nicht überspringen mag. Die Schlussoffensive hat es aber in sich: Auf das rockige Riff von „Die Interessanten“ folgen „Wahr ist, was wahr ist“ und natürlich „Was hat Dich bloß so ruiniert“. Bei der zweiten Zugabe schließt sich mit einem der ersten Sterne-Stücke der Kreis: „Fickt das System“ bringt einen gelungenen Abend auf den Punkt.

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