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Silvia Thurner · 16. Dez 2012 · Musik

Distlers Cembalokonzert eine Heimat gegeben – Johannes Hämmerle, das Symphonieorchester des Landeskonservatoriums und Benjamin Lack begeisterten auf ganzer Linie

Jubelstürme erntete der Cembalist Johannes Hämmerle nach seiner Deutung von Hugo Distlers Cembalokonzert op. 14 im Festsaal des Landeskonservatoriums. Mit voller Kraft und Einsatzbereitschaft hat sich der hoch geschätzte Musiker mit diesem komplexen Werk befasst und es im Rahmen des Weihnachtskonzertes gemeinsam mit dem Symphonieorchester des Landeskonservatoriums unter der Leitung von Benjamin Lack interpretiert. Die Ernsthaftigkeit, mit der alle Beteiligten diese außergewöhnliche Komposition dargeboten haben, berührte die Zuhörenden. Auch Werkdeutungen der „Harmoniemusik“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy und Schuberts „Unvollendete“ faszinierten durch das hohe musikalische Niveau der Studierenden.

Johannes Hämmerle hat sich intensiv mit Hugo Distlers  zweitem Cembalokonzert op. 14 auseinandergesetzt und alle Facetten dieses vielgestaltigen Werkes detailreich und mit intensiver Gestaltungskraft ausgeformt. Aufmerksamkeit erregte zunächst der „Zwiespalt“ zwischen dem mit Alter Musik assoziierten Klang des Cembalos und die perkussiv angelegte und polyphon verwobene Tonsprache von Hugo Distler. In Verbindung mit dem Streichorchester verstärkte sich der individuelle Charakter des Cembalopartes und entfaltete eine faszinierende Wirkung. Mit einem herausfordernden Duktus spielte Johannes Hämmerle den Solopart und das Orchester erwiderte diesen über weite Strecken bewundernswert energiegeladen. Aufhorchen ließ der eher zerklüftete Eröffnungssatz mit spannungsgeladenen Steigerungen und harmonischen Klangballungen sowie Ruhepolen, die die Musik in ein besonderes Licht stellten.

Apokalyptische Bilder

Die dunkle Klangfarbe und das expressionistische Lamento im zweiten Satz verströmten eine eindringliche Wirkung, die verstärkt wurde durch die heftig artikulierten Floskeln im Cembalo und den reflektierenden, sich verflüchtigenden Passagen mit stehenden Klängen im Orchester. Das Lied „Ei du feiner Reiter“ von Samuel Scheidt lieferte das Ausgangsmaterial für den abschließenden Variationensatz. Die vorwärtsdrängenden Glieder und die erregten Wendungen der Tonverflechtungen ergaben einen mitreißenden musikalischen Fluss. Dabei mündeten die einzelnen Variationen in psychologisch vielgestaltig deutbare musikalische Felder. Hugo Distler ließ am Ende den Cembalopart und den Orchesterpart auseinanderdriften und brachte ihn sarkastisch zum Stillstand. Mit Anspielungen auf den apokalyptischen Reiter formten Johannes Hämmerle und die OrchestermusikerInnen die Schlusspassage aussagekräftig.

Ebenbürtige Partner

Der frenetische Applaus für die dichte Werkdeutung galt vor allem Johannes Hämmerle. Unter der Leitung von Benjamin Lack meisterten die OrchestermusikerInnen den überaus anspruchsvollen Orchesterpart gut und waren dem Solisten ein ebenbürtiger Partner.

Das Weihnachtskonzert des Symphonieorchesters Vorarlberg wurde eingeleitet mit der Ouvertüre für Harmoniemusik, op. 24 von Felix Mendelssohn Bartholdy. Die BläserInnen spielten mit einer gut ausbalancierten Klangmischung und ließen gleich am Beginn mit einer beeindruckenden Pianokultur aufhorchen. Nach einer anregenden Einleitungsphrase wurde die Steigerung zum Höhepunkt hin plastisch ausgeformt. Dort setzte sich mit gelenkig geführten Linien der Holzbläser sprühende Energie frei. Gut artikulierte Töne und straffe Phrasierungsbögen verliehen der theatralisch angelegten Musik Profil.

Ein Klassiker frisch gedeutet

Schuberts „Unvollendete“, die Sinfonie in h-Moll (D759), stellt nicht zuletzt deshalb sehr hohe Ansprüche an ein Orchester, weil die Musik derart oft gespielt - um nicht zu sagen „abgespielt“ - wurde und wird. Doch die Interpretation, die das Symphonieorchester des Landeskonservatoriums bot, fesselte die ZuhörerInnen im Festsaal des Landeskonservatorium. Benjamin Lack führte die MusikstudentInnen mit beeindruckender Ausdruckskraft, die er mit klarer Diktion weitergab. Der gemeinsame Atem zwischen dem Orchesterleiter und den MusikerInnen war unmittelbar spürbar. Lediglich zu Beginn des Andante ließ der Spannungsbogen durch eine nicht ganz einwandfreie Intonation etwas nach, dies trübte jedoch den positiven Gesamteindruck nicht.

Offene Frage

Warum Benjamin Lack nicht schon längst auch am Pult des Symphonieorchesters Vorarlberg steht, ist unverständlich und nicht nachvollziehbar.