Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Fritz Jurmann · 12. Okt 2012 · Musik

Ein Beethoven, der nach Mozart klingt – Alexander Lonquich zeigt als dirigierender Pianist beim Symphonieorchester Vorarlberg interessante Verbindungslinien auf

Mit Spannung erwartet wurde der Start des Symphonieorchesters Vorarlberg in die neue Saison am Donnerstag im Festsaal des Landeskonservatoriums. Der Wechsel zum neuen Schauplatz, an dem das SOV nun zum ersten Mal in seiner Geschichte gastierte, war durch den Abbruch des Montforthauses notwendig geworden. Das war aber nicht die einzige Neuerung: Erstmals stand mit dem 52-jährigen deutschen Pianisten Alexander Lonquich auch ein dirigierender Solist vor dem Orchester, und die Geschäftsführung des Orchesters kümmert sich nun auch im Umfeld der Konzerte mehr um die treuen Abonnenten. Unabhängig von diesen Änderungen überzeugte das Orchester hoch motiviert in einer Mischung aus jugendlicher Frische, abgebrühter Routine und großer Flexibilität.

Als Konzertsaal längst bewährt

Einbegleitet wurde das Konzert aus diesem besonderen Anlass sogar von einer kurzen Ansprache. Peter Schmid, Geschäftsführer des Konservatoriums und zugleich Mitglied im Vorstand des SOV, wies auf die engen personellen Verbindungen der beiden Institutionen in ihrer Entwicklungsgeschichte hin, die bis heute durch Professoren und aktive oder ehemalige Studenten gegeben sind, die im Orchester musizieren. Der Saal selbst hat sich akustisch bei ähnlichen Konzerten mit dem hauseigenen Orchester längst bewährt, und auch das Publikum hat sich in die neue Situation rasch eingefunden und fühlte sich offensichtlich wohl. Jene Anzahl von Abos, die man bisher im Montforthaus unterbringen konnte, werden jetzt bei kleineren bis mittleren Orchesterbesetzungen eins zu eins auf jeweils zwei Konzerte im Konservatorium übertragen. Bei großen Orchesterbesetzungen wie die Mahler-Symphonien wird für das Feldkircher Publikum eine eigene Aufführung im Bregenzer Festspielhaus angeboten.

Die Anzahl der Abos ist durch diese Umstellung in der neuen Saison nicht kleiner geworden – Anlass für die Geschäftsführung des SOV für ein kleines Dankeschön an die Stammgäste. Dieses erfolgte mit einer Programmeinführung durch den Dirigenten Alexander Lonquich vor dem Konzert, die infolge des großen Andranges kurzfristig vom kleinen Saal in die Bibliothek verlegt werden musste, und in Form eines Gratisgetränks zum Ausklang nach dem Konzert.            

Der Dirigent am Klavier – wie zu Mozarts Zeiten

Spannend nun die Konstellation auf der relativ kleinen Bühne. Man fühlt sich in Mozarts Zeiten zurückversetzt, als der Komponist noch vom Hammerflügel aus das Orchester lenkte. Karajan hat das mit seinen Berliner Philharmonikern des Öfteren vor allem bei Barockmusik praktiziert, in Vorarlberg hat man solches bereits bei einem Konzert der Schubertiade in den neunziger Jahren im Feldkircher Montforthaus erlebt, als der Pianist András Schiff bei einem Mozart-Konzert vom Klavier aus die Camerata Salzburg leitete.

Über eine solch faszinierende Doppelbegabung verfügt auch Alexander Lonquich, und er tut nach unliebsamen Erfahrungen mit unzulänglichen Dirigenten heute dasselbe: „Wenn ich vom Klavier aus dirigiere, kann der Dialog mit dem Orchester viel dichter, lebendiger werden.“ Das heißt natürlich auch, dass er nicht nur seinen Klavierpart, sondern auch den des Orchesters im Kopf haben muss, denn für einen Blick in die Partitur bleibt keine Zeit. Dafür hat das Energiebündel behende zwischen stehendem Dirigat, elegant und federnd, und sitzendem Spiel mit brillanter, nie vordergründiger Technik zu pendeln, gibt fallweise bloß mit einer Hand oder auch nur mit dem Kopf seine Einsätze.

Das Experiment ist gelungen

Für das Symphonieorchester Vorarlberg bedeutet diese alte Praxis völliges Neuland und ist deshalb eine riesige Herausforderung. Sie bedeutet auch eine eminent erhöhte Eigenverantwortung für jeden beteiligten Musiker in einer größer besetzten Kammermusik-Formation, in der jeder eng mit dem anderen kooperiert. Und auch dem Konzertmeister, in diesem Fall dem neuen jungen Pawel Zalejski, kommt dabei eine deutlich wichtigere Führungsfunktion zu. Nun, das Experiment ist auf Anhieb in staunenswerter Übereinstimmung gelungen, samt aller erforderlichen dynamischen und agogischen Details, weil es sich beim SOV einfach auch um eine Ansammlung von gestandenen „Musikanten“ im besten Sinne (samt hohem Frauenanteil) handelt. Die MusikerInnen fühlen sich sichtlich als verschworene Truppe im gleichen Boot, sitzen ganz vorne an der Stuhlkante, die Spannung lässt fast zwei Stunden lang keinen Millimeter nach.

Alexander Lonquich zeigt in seinem Programm aber auch verblüffende stilistische und ausdrucksmäßige  Verbindungslinien zwischen Mozart und Beethoven auf, die wohl nicht nur Insider interessieren. So klingt Beethovens zweites Klavierkonzert B-Dur (1793), das in Wahrheit sein erstes ist, frappant nach Mozart. Dessen c-Moll-Konzert Nr. 24 (1786) wiederum, das Beethoven so bewunderte, könnte in seiner düsteren Dramatik stellenweise durchaus auch ein vorweggenommener späterer Beethoven sein. Wer sich nicht für solch musikhistorische Querbezüge erwärmen kann, erfreut sich einfach an einem lebendigen, durchpulsten und durchgeistigten Spiel zwischen Solisten und Orchester in einem kostbar schlanken Mozartklang von hoher Kultur und spielerischer Qualität. 

Auf diesem Level entsteht am Beginn als eine Art Ouvertüre auch Mozarts Musik zum Schauspiel „Thamos“. Sie ist mit ihren freimaurerischen Elementen ein Vorläufer zur „Zauberflöte“, wurde aber acht Jahre früher als diese komponiert. Ein gut gelaunter Alexander Lonquich bedankt sich am Ende für die begeisterte Zustimmung des Publikums mit zwei winzigen Mozart-Piecen als Zugaben.

 

Weitere Konzerte
13. Oktober, 20.00 Uhr, Schwarzenberg, Angelika-Kauffmann-Saal
14. Oktober, 19.30 Uhr, Bregenz, Festspielhaus

Hörfunkwiedergabe
28. Oktober und 1. November, jeweils 20.05 Uhr, Radio Vorarlberg