Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Silvia Thurner · 11. Nov 2013 · Musik

Ein Festival, das Musik, Literatur, Gespräche und Begegnungen in angenehmer Atmosphäre unter einen Hut brachte – „Texte und Töne“ im Funkhaus Dornbirn wurde erfolgreich wieder belebt

Die Neuauflage des Festivals „Texte und Töne“ im Funkhaus Dornbirn war ein voller Erfolg. Am Samstag und Sonntag wurde für Interessierte ein Begegnungsort geschaffen für anregende und unterhaltsame Auseinandersetzungen mit musikalischen und literarischen Werken der Gegenwart. Zahlreiche MusikerInnen des Symphonieorchesters Vorarlberg sowie das Ensemble Plus, der Pianist Rudi Spring und das Innsbrucker Kammerorchester „Akademie St. Blasius“ musizierten mit großem Engagement und auf hohem Niveau. Darüber hinaus boten Vorarlberger AutorInnen Einblicke in ihr aktuelles Schaffen.

An den Beginn des Festivals stellten die Initiatoren Andreas Ticozzi (Ensemble Plus) Bettina Barnay und Jasmin Ölz (ORF) sowie Daniela Egger (Literatur Vorarlberg) Kammermusik. Aus der Fülle des Gebotenen ragten die beiden Uraufführungen heraus. Das rhythmusbetonte und mitteilsame Werk „Flow“ von Murat Üstün spielten Phillipp Wenger und Anita Martinek (Violine); Monika Bazgier (Viola), Jessica Kuhn (Violoncello) und Marcus Huemer (Kontrabass) auch mit jazzigen Phrasierungen, die dem Werkcharakter sehr entgegenkamen. Das dreiteilig angelegte Duo für zwei Violinen von Gerald Futscher gestalteten die Musiker in Form von einander umspielende Girlanden. Obwohl die beiden Stimmen einem streng zugrunde gelegten Konzept folgten, wirkten die Linien verspielt ineinander verwoben. Die Mikrotonalität verlieh den Stücken sogar einen orientalischen Touch, darüber hinaus boten aufeinander abgestimmte Klangqualitäten, Echowirkungen und Spiegelungen Abwechslung.

Neues entdecken, vergleichen und wiederhören


Ein Höhepunkt des Festivals war das Konzert des Symphonieorchesters Vorarlberg. Unter der Leitung von Ingo Ingensand erklangen Werke der Vorarlberger Komponisten Michael Buchrainer, Richard Dünser und Peter Herbert sowie zwei neue Kompositionen des Dirigenten. In „Episoden“ von Michael Buchrainer kam seine in sich schlüssige Kompositionsart gut zur Geltung. Vor allem das Klavier übernahm eine verbindende Rolle im dichten Klanggewebe, aus dem sich immer wieder neue thematische Gedanken herauskristallisierten. Von Ingo Ingensand  wurden zwei Werke erstmals gespielt. „Canto“ wurde seinem Titel mit der elegischen Grundstimmung in dunklen Klangfarben und dem wellenförmig fließendem Duktus gerecht. Aufhorchen ließ die Komposition mit dem sperrigen Titel „Zusammenstreit“, eine wörtliche Übersetzung der Gattungsbezeichnung „Concerto“. Polyphon angelegte Linien sowie impulsiv bewegte melodische Themen belebten den ersten Abschnitt. Ein beziehungsreich gestalteter Verdichtungsprozess, der in einem Stillstand mit darauffolgender Generalpause mündete sowie ein kontrapunktisch eingeleiteter Finalsatz zeichneten das Werk aus.

Konzerte für Bassetthorn und Violoncello


Mit Spannung wurde die Uraufführung der „Canti notturni“ für Bassetthorn und Streichorchester von Richard Dünser erwartet. Erst kürzlich war das Werk in kammermusikalischer Besetzung zu hören. In der orchestralen Besetzung nahm die Musik ganz andere Züge an. Während die Konturen straff nachgezeichnet wirkten, verstärkte die eher langsame Spielart des Streichorchesters den kantablen Grundcharakter der Musik, während die dramatischen Wendungen in den Hintergrund gedrängt wurden. Martin Schelling als Solist am Bassetthorn kehrte die vielgestaltigen Registerfarben des Instruments wirkungsvoll an die Oberfläche und steigerte den emotionalen Gehalt der Musik maßgeblich.

Von Peter Herbert wurde das Cellokonzert „timeless“ mit der Solistin Melissa Coleman dargeboten. Das Werk wurde vor zehn Jahren im Rahmen der Bregenzer Festspiele präsentiert. Die abwechslungsreich angelegte Musik changierte zwischen perkussiv angelegten Passagen mit lyrischen melodischen Feldern. Die Solistin spielte mit viel Konzentration auf das Orchester, allerdings wirkte sie etwas zurückhaltend.

Wenig Probenzeit


In guter Atmosphäre ging das Konzert über die Bühne. Die bunte Aufeinanderfolge der unterschiedlichen Werkcharaktere ergab ein kurzweiliges musikalisches Panorama. Ingo Ingensand leitete das Symphonieorchester umsichtig und das gute Einverständnis zwischen den MusikerInnen und ihm war spürbar. Die Probenzeiten waren wohl sehr knapp bemessen und das zu bewältigende Pensum an neuen Werken für die OrchestermusikerInnen enorm. Den Werkdeutungen hätte mehr Probenzeit jedenfalls gutgetan.

Ein berühmtes Original und eine originelle Transformation


Gerald Futscher war in den vergangenen Monaten intensiv mit der Komposition der Kammeroper „La scuola degli amanti“ nach dem Libretto der Mozartoper „Cosí van tutte“ von Lorenzo da Ponte beschäftigt. Die ersten beiden Szenen wurden nun im ORF in konzertanter Form präsentiert. Unter der Leitung von Gerald Futscher spielte das Ensemble Plus mit Phillip Wenger (Vl), Jessica Kuhn (Vc), Anja Baldauf (Fl), Markus Beer (Klar), Claudia Bär (Hrn), Katharina Felder (Fg), Claus Furchtner (Schlagzeug) und Yukie Togashi (Klavier). Die beiden Sängerinnen Monika Lichtenegger (Sopran) sowie Nina Amon (Mezzosopran) übernahmen die Rollen der beiden Schwestern Dorabella und Fiordiligi.

In einer kurzen Werkeinführung mit Bettina Barnay erzählte Gerald Futscher von seinen Intentionen. Er transferierte die Handlung und die Liebesschmerzen aus Mozarts „Cosi van tutte“ in eine Zahnarztpraxis, weil er den oralen Aspekten der Oper, die die Inszenierung weitgehend bestimmen sollen, Ausdruck verleihen möchte. Jedoch sind der Chorpart sowie die Rolle des Don Alfonso noch nicht komponiert und deshalb blieben einige Werk bestimmende Teile offen. Dies tat jedoch dem musikalischen Erlebnis keinen Abbruch, denn die uraufgeführten beiden Szenen können für sich als „drama in musica“ bestehen und als solches sollen sie auch hier beschrieben werden.

Hervorragende Sängerinnen


Den Instrumentalsatz konzipierte Gerald Futscher mit motivischen Fragmenten, die streng ineinander verschachtelt und verwoben erklangen. Eine besondere Stellung nahm der Klavierpart ein, der perkussiv in der Art der japanischen Taikos Ereigniseinheiten auslöste und eine innere Ordnung herstellte. Dem Klavier zur Seite gestellt waren auch Röhrenglocken, die den Gesamtklang weich auflösten. Monika Lichtenegger und Nina Amon sangen ihre Partien mit bewundernswerter Gestaltungskraft, dabei ergänzten sich die Timbres ihrer sicher geführten Stimmen hervorragend. Im ersten Abschnitt war der unbekümmerte Charakter in ihren durchaus lyrisch konzipierten Gesangslinien gut nachvollziehbar. Im zweiten Abschnitt wurde der musikalische Ausdruck dunkler. Die Schläge des Klaviers erklangen dumpf, im Instrumentalpart herrschten tiefe Register vor, wobei in erster Linie das Kontrafagott diesen Eindruck verstärkte. Immer wieder lenkten kleine Floskeln die Aufmerksamkeit auf sich, so dass die Spannung innermusikalisch gesteigert wurde.

Musik und orale Kunst


Die zwingende Wirkung der Musik kam bei dieser Uraufführung gut zum Ausdruck und so darf man dem Komponisten wünschen, dass er einen Veranstalter findet, der die Kammeroper mit den von ihm angedachten szenischen Konzepten umsetzt. Vor allem die szenische Aufbereitung oraler Aspekte mit Mundmikrofonen und Projektionen von Aufnahmen aus dem Rachenraum wecken Interesse.

Im Gedenken an 1938


Zum Abschluss des „Texte und Töne“ Festivals, das Bettina Barnay sympathisch und kompetent als Moderatorin begleitete, gastierte das Innsbrucker Kammerorchester „Akademie St. Blasius“ unter der Leitung von Karlheinz Siessl im ORF Funkhaus. Nach dem Konzert für Viola d’Amore und Kammerorchester von MFP Huber spielte Andreas Ticozzi an der Bratsche das „Concerto Funebre“ von Bert Breit. Die Werkdeutung gestalteten der Solist und die OrchestermusikerInnen eindringlich. Bert Breit hatte die Komposition im Gedenken an die Opfer der Novemberpogrome 1938 geschaffen. In diesem Licht ließen sich die musikalischen Abschnitte und der Bachchoral im Zentrum des Werkes deuten.

Autorenlesungen


Neben den zahlreichen musikalischen Beiträgen bereicherten die Autorin Verena Rossbacher sowie die Autoren Wolfgang Bleier und Christian Futscher die eineinhalb Tage im Funkhaus. Vor allem Christian Futscher gestaltete seinen Beitrag sehr persönlich und nahm mit viel Wortwitz Bezug auf seinen musikalischen „Werdegang“. Wieder einmal, so wie früher mit seinem Bruder Gerald, einen Lachanfall haben und teilen, das wünschte er sich zum Schluss seiner Lesung.

Einen Zusammenhang zwischen der Musik und der Literatur suchten die Autorinnen Linda Achberger, Maya Rinderer, Sarah Rinderer und Filiz Ugurlu. Sie fassten ihre Eindrücke beim Hören von „Flow“ von Murat Üstün und „Orpheus“ von Michael Floredo in Worte und trugen ihre Texte vor.

Fortsetzung folgt


„Texte und Töne“ war nicht zuletzt auch deshalb erfolgreich, weil die Mischung zwischen Spannung und Entspannung und zwischen der Auseinandersetzung mit neuen Kompositionen und Texten sowie die Begegnung mit anderen FestivalbesucherInnen in einem guten Verhältnis zueinander standen. Der Termin für die zweite Ausgabe der „Texte und Töne“ am 8. und 9. November 2014 wurde bereits bekanntgegeben.