Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Silvia Thurner · 23. Jun 2014 · Musik

Ein lyrischer Operntenor auf der Liederbühne – Piotr Beczala sang bewundernswert, jedoch (noch) wenig den kleinen Gesten innerhalb der Liedkunst verpflichtet

Der Tenor Piotr Beczala ist in der Opernwelt ein gefeierter Star. Auch als Konzertsänger hat er sich einen guten Namen gemacht. Nun war er mit Liedern von Schumann, Karlowicz, Rachmaninow und Dvorak zum ersten Mal bei der Schubertiade Schwarzenberg zu Gast. Sein Debüt im Angelika Kauffmann Saal war ein zwiespältiges Erlebnis. Piotr Beczala hat eine wunderbar flexible Stimme mit einem warmen Timbre, aber in seinen Lieddarbietungen zeigte sich, wie unterschiedlich die Welten des Liedgesanges und des Opernfaches sind.

Der polnische Sänger Piotr Beczala hat ein vielseitiges Programm mit Liedern zusammengestellt, die er in vier unterschiedlichen Sprachen sang. Einleitend interpretierte er, am Klavier begleitet von Kristin Okerlund, die „Dichterliebe“, op. 48 von Robert Schumann. Zwar wirkten die krassen Gegensätze zwischen einer schönen Zurückhaltung in „Hör’ ich das Liedchen klingen“ bis zu einer arienartigen Übersteigerung am Schluss des Liederzyklus gut, aber der emotionale Gehalt des Liederzyklus kam in dieser Interpretation nicht zur Geltung. Piotr Beczala konzentrierte sich auf die großen Linien und eine kraftvolle dynamische Gestaltung. Unterstützung im Hinblick auf eine feinsinnige Ausgestaltung des Klavierparts war auch von der Pianistin Kristin Okerlund nicht zu erwarten. Sie spielte mit wenig Feingefühl und Stilempfinden für die große Welt der kleinen Gesten in den Schumannliedern.

Emotionsgeladen


Im zweiten Teil hatten es sowohl Piotr Beczala und Kristin Okerlund als auch das Publikum leichter, weil die Lieder von Karlowicz, Rachmaninow und Dvorak, gesungen in polnischer, russischer und tschechischer Sprache, dem opernhaften Duktus des Sängers mehr entsprachen. Vor allem die in einem spätromantischen, in weiten Bögen gefassten und teilweise an Operettenarien erinnernden Lieder von Mieczyslaw Karlowicz deutete Piotr Beczala mit seiner voluminösen Stimme emotional aus. Höhepunkt der Liedersammlung war „Über die Felder“ op. 3/3, in dem die Textpassage „In den endlosen Abgrund des Universums“ mit großer Strahlkraft erklang. Auch der große Ambitus des Tenors kam gut zur Geltung, vor allem im Lied „Ich erinnere mich an ruhige, goldene Tage“, op. 1/5.

In Antonin Dvoraks „Zigeunermelodien“ op. 55 unterstrichen der Sänger und die Pianistin den an die Volksmusik angelehnten Duktus und die Rhythmik auf einem hohen Niveau. Allerdings hinterließen auch diese Lieder einen eher wenig verinnerlicht, sondern viel mehr illustrierenden Eindruck.

Die Lieder von Sergei Rachmaninow (op. 8/5; op. 21/5; op. 4/4 und op. 14/11) deutete Piotr Beczala mit einem ausdrucksstarken Vibrato sowie einer großen dynamischen Bandbreite aus und die Pianistin konnte voll in die Tasten greifen. Eine besondere Wirkung verströmte das Lied „O schönes Mädchen“ op.4/4 nach einem Text von Alexander S. Puschkin.