Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Silvia Thurner · 12. Aug 2014 · Musik

Walzerseligkeit, Unpassendes und eine Entdeckung – Wechselnde Gefühle beim dritten Orchesterkonzert mit Ulf Schirmer und den Wiener Symphonikern

Seit fünfundzwanzig Jahren arbeitet der renommierte Dirigent Ulf Schirmer mit den Wiener Symphonikern zusammen, zuletzt leitete er im Jahr 2012 die Seeaufführungen von Umberto Giordanos „André Chénier“. Nun stand Ulf Schirmer im Rahmen des dritten Orchesterkonzertes in Bregenz wieder am Pult der Wiener Symphoniker. Zu hören gab es ein eigenartiges Programm mit Werken von Johann Strauß (Sohn) und Franz Lehár. Eine Entdeckung stellte Alexander Zemlinskys Fantasie für Orchester „Die Seejungfrau“ dar.

Mit viel Pathos sowie ausladender Gestik musizierten Ulf Schirmer und die Wiener Symphoniker zuerst den Walzer „Geschichten aus dem Wienerwald“, op. 325 von Johann Strauß. Nachdem dieser in der gleichnamigen Oper von HK Gruber eine zentrale Rolle gespielt hatte, wurde nun sozusagen das Original zu Gehör gebracht. Bis auf das Äußerste steigerten die Symphoniker dabei die für den Wiener Walzer so typischen Idiome des Dreiertaktes und suhlten sich in Terzenseligkeiten. Bei so viel klangschwelgerischer Leidenschaftlichkeit half der Gedanke daran, wie brüchig diese Verzückung schon zu Zeiten der Werkentstehung war und wie pointiert sie Ödön von Horvath entlarvt hat.

Unpassendes musikalisches Zeitdokument


Franz Lehár kennt man als herausragenden Operettenkomponisten, der mit viel Gespür und Kreativität Melodien erfinden konnte und diese auch in einen wirkungsvollen orchestralen Satz eingebettet hat. Mit der Tondichtung für Tenor und Orchester „Fieber“ aus dem Zyklus „Aus Eiserner Zeit“, entstanden im Jahr 1915, sollte wohl auch eine Erinnerung an den Ersten Weltkrieg erfolgen. Doch dieses Werk schien mir dafür ungeeignet. Nicht nur wegen des biografischen Hintergrundes von Franz Léhar, der als ehemaliger Offizier genau wusste, wie man mit Musik Kriegsteilnehmer aufmöbeln und zu Helden stilisieren kann.

Freilich verströmte die Musik eine dramatische Wirkung, getragen von einer spannungsgeladenen Einleitung, idyllischen Melodien sowie Militär- und Trauermärschen. Nikolai Schukoff gestaltete seinen Part imposant mit einer opernhaften Leidenschaft und einer über alle Register ausgeglichenen Tenorstimme. Gegenüber der Stimmgewalt des Orchesters, das den seelischen Zustand des sterbenden Soldaten musikalisch psychologisch ausdeutete, hatte der Tenor jedoch abschnittweise zu wenig Durchsetzungsvermögen. Gerne hätte man Nikolai Schukoff als Interpret eines adäquateren Werkes gehört.

Geistreiche Anspielungen


Mit Franz Lehárs Walzer „An der grauen Donau“ aus den „Donaulegenden“ wendete sich das Blatt bei diesem Orchesterkonzert. Ironisch nahm Léhar im Jahr 1921 Bezug auf den berühmten Strauß-Walzer „An der schönen blauen Donau“. Die geschickt eingebauten Zitate und Verweise bereiteten in der Interpretation der Wiener Symphoniker ein besonderes Vergnügen.

Der Weg zur Symphonie


Welches Potential in Alexander von Zemlinskys Fantasie für Orchester „Die Seejungfrau“ steckt, ist wenig bekannt. Umso bemerkenswerter ist die Aufführung dieses symphonischen Werkes, das erst in den 1980er-Jahren wieder entdeckt worden ist. Im Hinblick auf den Werktitel vermutet man eine Tondichtung, erzählt nach dem gleichnamigen Märchen von Hans Christian Andersen.
Doch unvermittelt zog dieses packende, groß angelegte symphonische Werk die Zuhörenden in seinen Bann. Spannungsgeladen und musikalisch stringent entfalteten die Wiener Symphoniker und Ulf Schirmer die Themen im ersten Satz. Besondere Aufmerksamkeit lenkte dabei das Hauptthema des Konzertmeisters auf sich. Dynamisch entwickelte sich ein musikalischer Fluss, bei dem im dichten thematisch-motivischen Geschehen unter anderem die gegenläufigen Themenführungen einen wirbelnden Strom erzeugten. Dem Mittelteil verliehen vielgestaltige Soli und bemerkenswert gesetzte Harfenstimmen ein besonderes Kolorit. Der Finalsatz steigerte den emotionalen Gehalt der vorangegangenen Abschnitte nochmals und bündelte das musikalische Geschehen mit kreisenden Skalenmotiven und zahlreichen harmonischen Spannungszuständen, monumental gesteigerten Gesten, gut nachvollziehbaren Dialogen und mit einem in sich gekehrten Schluss.

Auch der lange Applaus verleitete Ulf Schirmer nicht dazu, eine Zugabe zu geben. Das war auch gut, denn so konnte Zemlinskys Musik noch länger nachwirken.