Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Silvia Thurner · 17. Aug 2014 · Musik

Eine Nachtigall und eine Schwalbe entzückten das Publikum im Bregenzer Festspielhaus – stürmischer Applaus für einen inspirierenden Opernvormittag

Erstmals wurde im Rahmen der Bregenzer Festspielen ein Vormittag mit sogennanten Familienopern angeboten. Dies war zwar ein Etikettenschwindel, denn Igor Strawinskys „Le Rossignol“ und der Operneinakter „L’Hirondelle inattendue“ des polnisch-französischen Komponisten Simon Laks sind nur bedingt für Kinder geeignet. Trotzdem war die Vorstellung ein fulminanter Erfolg. So geistreich und fantasievoll in Szene gesetzt vom Figurentheater „Blind SumMiT“, musikalisch hervorragend ausgeführt vom Symphonieorchester Vorarlberg und den Gesangsolisten gelangen faszinierende Werkdeutungen.

„Le Rossignol“ von Igor Strawinsky ist ein ansprechendes Werk, erzählt nach dem berühmten Märchen von Hans Christian Andersen, das nebenbei auch die kompositorische Entwicklungsgeschichte des Komponisten interessant erfahrbar macht. Das Symphonieorchester Vorarlberg unter der Leitung von Gerard Korsten stellte sich bei der szenischen Deutung ganz in den Dienst des Theaters, wirkte gut ausgewogen und mit nobler Zurückhaltung, aber vielleicht genau deshalb intensiv.

Ein Figurenspiel, das unmittelbar berührt


Dies schuf Raum für das außergewöhnliche Figurentheater der englischen Compagnie „Blind SumMit“ rund um Mark Down. Genauso wie es bei der Uraufführung des Werkes in Paris war, sangen die Protagonisten auch im Bregenzer Festspielhaus ihre Partien vom Bühnenrand aus. Ihnen zur Seite gestellt agierten die Puppen und verkörperten höchst fantasievoll die handelnden Personen. Das als Vorbild dienende japanische "Bunraku Figurentheater" wirkte ausnehmend stimmig für Strawinskys Bühnenwerk. Und so entfaltete sich das Spiel, um die echte und künstliche Nachtigall und den kranken und wieder genesenden Kaiser in einer Bildersprache, die die Zuhörenden in Staunen versetzte und unvermittelt in eine andere Welt führte. Alle Gesangssolisten füllten ihre Rollen hervorragend aus. Im Mittelpunkt stand die Koloratursopranistin Kathryn Lewek. Sie begeisterte durch ihre natürliche Ausstrahlung und ihre flexible, bis in höchste Regionen strahlende Stimme.

Die einzelnen Figuren zeichneten die Orchestermusiker und die Sänger imposant nach und verliehen ihnen durch die ausgeprägte Themengestaltung jeweils einen speziellen Charakter, beispielsweise die geschäftige Köchin (Magdalena Hofmann), der melancholische Fischer (Rainer Trost), der wichtigtuerische Kammerherr (Maximilian Krummen) und der Kaiser (Markus Brück), um nur einige zu nennen. Verlässlich agierte der Prager Philharmonische Chor (Leitung: Lukas Vasilek). Das Publikum ging begeistert mit und spendete am Schluss frenetischen Applaus, der selbstverständlich allen galt, aber vor allem Mark Down und den Puppenspieler.

Starke Musik


Mit Spannung wurde die erstmalige szenische Aufführung des Werkes „L’Hirondelle inattendue“ (Die unerwartete Schwalbe) von Simon Laks erwartet. Die Inszenierung von Gerald Stollwitzer bestach durch einen fantasiereichen und fröhlichen Zugang, den er dem Werk zugrunde legte. Dabei hatte Simon Laks in seinen Einakter viele Anspielungen an philosophische bis hin zu solipsistischen Gedanken, animistische und mythologische Weltsichten sowie gesellschaftskritische Anspielungen eingebaut. Das Schöne an dieser Aufführung war, dass diese zwar erkennbar waren, jedoch nie belehrend oder gar durch den Hinweischarakter aufgesetzt wirkten. So entwickelte sich die Geschichte um die „unerwartete Schwalbe“ im Paradies der besonderen Tiere in einem flotten Erzähltempo.

Wesentlichen Anteil daran, dass die Aufführung die Zuhörenden so unmittelbar in ihren Bann zog, war die mitreißende und klar ausformulierte Musik von Simon Laks. Er konzipierte die Musik in klar abgegrenzten Blöcken, gespickt mit zahlreichen erzählerisch-illustrierenden Gesten und mit einem antreibenden Rhythmus. Auch die Instrumentation mit viel Schlagwerk, kraftvollem Blech und tiefen Registern bewirkte einen guten Drive. Hervorragend spielte wieder das Symphonieorchester Vorarlberg. Imponierend agierte der Prager Philharmonische Chor, dem eine tragende Funktion im Gesamtgeschehen zukam. Auch die farblich gut abgestimmten Kostüme, jeweils ausgestattet mit charakterisierenden Tierköpfen als Kopfbedeckung und typischen Bewegungsmustern kamen gut zur Geltung. Als Leitthema hat Simon Laks das berühmte Lied „Die Vorstadt-Schwalbe“ eingebaut. Die geschickte Platzierung in den Gesamtablauf bot Ruhepole und Haltepunkte im turbulenten Geschehen. Obendrein hatten die Zitate die Wirkung, dass die doch eher kantige Musik weich und tänzerisch 'abgefedert' wurde. Auch in dieser Oper füllten im Wesentlichen die oben genannten Solistinnen und Solisten die Titelfiguren ganz aus.

Gute Aussichten


Jubelstimmung gab es am Schluss dieser beiden Opernaufführungen. Alle nahmen etwas mit von den derart originell erzählten Geschichten und der Musik. Als Familienvorstellung hätte wohl auch ein Werk genügt. Ob gerade diese beiden Kompositionen für Kinder geeignet sind, soll an dieser Stelle dahingestellt bleiben. Wenn im nächsten Festspielsommer wieder die „Schurken“ für das Familienkonzert verantwortlich zeichnen, darf man sich jedenfalls auf eine Vorstellung freuen, die nicht in erster Linie die Erwachsenen begeistert, sondern auch die Kinder wirklich mit ins Boot holt.