Eine so wie sonst keine - Erika Stucky und die "Bubble Family" im Spielboden
Das Saallicht wird gedimmt. Von draußen her hört man Geschrei und eine Art Getrommel, das sich beständig nähert. Man entdeckt eine Schneeschaufel über den Köpfen, die Person, die laut deklamierend damit auf Lüftungsrohre und Tribünenteile eindrischt, trägt schrilles Gewand samt weißer Pelzmütze und bewegt sich auf die Bühne zu. Dort oben ist, in romantisches Abendlicht illuminiert, das Matterhorn zu sehen. Am Mikrofon angekommen wird eine Art kranker, mongolischer Obertongesang intoniert, der sich vor mittlerweile bewegten Bildern der Schweizer Alpen zu einem waschechten „Zäuerli“ (= Naturjodler) wandelt: Erika Stucky am Werk!!
Spontaneität und Widerborstigkeit
Das scheinbare Idyll währt selbstredend nicht lange, die Sehnsucht nach der großen, weiten Welt und dem Meer nimmt überhand. Rechtzeitig gesellen sich Tuba und Schlagzeug dazu, um dann befreit und erfrischend trashig mit „Helter Skelter“ von den Beatles loszulegen. Wir wissen schon: Frau Stucky verfügt über ein sehr kräftiges Organ mit außerordentlicher Wandlungsfähigkeit, Hang zur Spontaneität und einer kräftigen Portion Widerborstigkeit, bedingt wohl durch die Enge des Schweizer Dorflebens in ihrer Kindheit.
Erweitertes musikalisches Spektrum
Das Ensemble „Bubble Family“ ist deutlich opulenter instrumentiert als die oft sparsam gehaltenen anderen „Bubbles“-Inkarnationen. Dramaturgisch geschickt aufgebaut gesellen sich zum unverwüstlichen Jon Sass und dem zipfelmützen-bewehrten Lucas Niggli später noch die Posaunisten Robert Morgenthaler und Jean-Jacques Pedretti sowie Knut Jensen an Ukulele und Laptop hinzu. Gut so, denn das musikalische Spektrum wird so deutlich erweitert. Den Herren wird auch viel Freiraum für Solistisches geboten. Jon Sass beweist hier wieder, dass er der groovendste Tubist auf Erden ist, die beiden Posaunisten wechseln für ein Duo zum Alphorn, Knut Jensen singt und spielt eine wunderschön-karge Version von „Sea of Love“.
Eher Hommagen als Karikaturen
Zwischen heftigen, Rhythmus betonten Nummern immer wieder Coverversionen, von „Gimme Shelter“ der Stones bis zu „Lose Yourself“ von Eminem, letzteres um Lichtjahre zwingender als das Original. Durchwoben mit anderen Klassikern von Golden Earring bis Stevie Wonder sind dies eher Hommagen als Karikaturen, auch wenn bei „I put a Spell on you“ schon einmal der Holzhammer-Humor ausgepackt wird. Dass dabei mitunter sehr elaboriert vorgegangen wird, merkt man nur nebenbei, so z.B. wenn über einen 5/4 Takt ganz lässig Sextolen gelegt werden.
Kennt man Stuckys launige Ansagen und überraschende Ausbrüche, so wundert es einen nicht, wenn ihre Tochter im sehenswerten Film „Heimatklänge“ angibt, sich beim Einkauf im Supermarkt mit der Mutter schon mal geschämt zu haben. Verkehrte Generationenwelt! Es lebe die Anarchie!