Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Silvia Thurner · 06. Apr 2013 · Musik

Herausragende Musikerpersönlichkeiten mit einem allzu konventionellen Konzertprogramm – die „Academy of St. Martin in the Fields“ und Joshua Bell ernteten frenetischen Beifall

Das Gastspiel des legendären Kammerorchesters „Academy of St. Martin in the Fields“ mit dem Geiger Joshua Bell wurde mit Spannung erwartet. Im Rahmen der „Bregenzer Meisterkonzerte“ erklangen im Festspielhaus Klassiker der Musikliteratur, nämlich Beethovens fünfte Symphonie und die „Egmont-Ouvertüre“ sowie das Violinkonzert von Johannes Brahms. Der künstlerische Leiter Joshua Bell führte das Orchester mit einem kammermusikalisch kollegialen Einverständnis vom Konzertmeisterpult aus. Vor allem die Werkdeutung der Fünften bot Anreiz zu Interpretationsvergleichen.

Die Vorzüge des weltweit gefeierten englischen Orchesters „Academy of St. Martin in the Fields“ entfalteten sich von Anfang an in der Ouvertüre „Egmont“, op. 84 von Ludwig van Beethoven. Jede Musikerin und jeder Musiker musizierte eigenverantwortlich und darüber hinaus verstanden sich die Mitglieder der einzelnen Stimmgruppen als ausgeprägte Einheit. Joshua Bell leitete die MusikerInnen vom Konzertmeisterpult aus. So war ein Musizieren in einem gleichberechtigten, kammermusikalischen Geist möglich und das Orchester fügte sich zu einem homogen agierenden Organismus zusammen. 'Ungereimtheiten' an einigen musikalischen Schaltstellen beeinträchtigten die Werkdeutungen wenig.

Mit Strahlkraft

Den Höhepunkt des Abends bot die Interpretation des Konzertes für Violine und Orchester, op. 77 von Johannes Brahms. Während sich Joshua Bell in den Orchesterwerken als ein Teil des Ganzen präsentierte, kristallisierte er den Hegemonieanspruch, den ein Solokonzert naturgemäß in sich trägt, mit seiner starken Persönlichkeit heraus. Sein Spiel faszinierte durch eine ganz besondere Art der Tongebung. Auch in höchsten Lagen verströmte jeder einzelne Ton ein individuelles Innenleben. Den romantischen Geist des Werkes hob der Solist mit virtuosen Linienführungen und gut austarierten Vibrati hervor. Dass Joshua Bell einen Sinn für zeitgenössische Klangqualitäten hat, stellte er unter anderem mit seiner spannend gestalteten Solokadenz unter Beweis.

Ein Spagat

Temperamentvoll erklang auch Beethovens fünfte Symphonie. Neben der elementaren rhythmisch-melodischen Kraft des Werkes, betonten die MusikerInnen durch detailreiche musikalische Form- und Farbgebungen vor allem den emotionalen Verwandlungsprozess vom Dunkel zum Licht mitreißend.

Derart bekannte und im Grunde genommen ‚abgespielte’ Werke fordern nach einer individuellen Aussagekraft und verleiten dadurch mitunter zu übertriebenen Gestaltungsmustern. Die „Academy“ stellte mit einer vielgestaltigen Tempowahl und Phrasierungsmustern ungewöhnliche Wirkzusammenhänge zwischen Motiv- und Themengruppen her und legte den Fokus auf überraschende Perspektivenwechsel. Auf diese Weise entwickelte sich eine energiegeladene Werkdeutung, die durchaus ihre Reize hatte. Als Ganzes betrachtet wirkte sie auf mich jedoch eher extravagant und bediente eine derzeit im Konzertsaal vorherrschende Eventkultur.