aktionstheater ensemble: „Wir haben versagt“ (Foto: Stefan Hauer)
Silvia Thurner · 01. Mai 2016 · Musik

In der Tradition immer wieder Neues entdecken – Das Symphonieorchester Vorarlberg überraschte mit faszinierenden Solisten und einer Rarität

Beim dritten Lustenauer Abonnementkonzert gastierte das Symphonieorchester Vorarlberg mit seinem aktuellen Programm im Reichshofsaal. Unter der Leitung von Ola Rudner standen neben Beethoven auch vergessene und selten zu hörende Kompositionen im Mittelpunkt. Wohl für viele im voll besetzten Saal war die Darbietung der Serenade für Tenor, Horn und Streichorchester, op. 31 von Benjamin Britten eine faszinierte Entdeckung. Noch dazu boten der Hornist Johannes Hinterholzer und der Tenor Allan Clayton eine Interpretation, die höchste Bewunderung verdient. Eher blass blieb der Eindruck von Schrekers „Kammersymphonie“. Aufhorchen ließ hingegen die Werkdeutung der 4. Symphonie von Ludwig van Beethoven.

Benjamin Britten ist immer wieder für Überraschungen gut, das war auch bei der aktuellen Produktion des Symphonieorchester Vorarlberg zu erleben. In der Serenade, op. 31 stellte Britten in sechs Orchesterliedern nach Texten unterschiedlicher englischer Lyriker das Leben, die Vergänglichkeit und den Tod in das Zentrum der Betrachtung. Die außergewöhnliche Solobesetzung für Horn und Tenor mit Streichorchester bot die besten Voraussetzungen für eine sinnenreiche Musik. Darin wurden unterschiedliche emotionale Zustandsbeschreibungen entfaltet, die von den Interpreten hautnah ausgedeutet wurden.

Ein wahres Erlebnis


Zuerst zog der Hornist Johannes Hinterholzer mit seinem Solo auf dem Naturhorn die Zuhörenden in seinen Bann. Bereits in dieser Passage kamen seine musikalischen Qualitäten zur Geltung. Er beseelte jeden einzelnen Ton mit einer lebendigen Aussagekraft, mühelos und vielfarbig zelebrierte er auch die schwierigsten Intervallsprünge und formte mit einem voluminös abgerundeten und weichen Klang die musikalischen Gestalten. Selbstverständlich verfehlten auch in dieser Darbietung die erdhaften Naturtöne und teilweise auch andere mikrotonale Feinheiten und Glissandi die Wirkung nicht.

Allan Clayton war vor zwei Jahren im Rahmen der Bregenzer Festspiele in Brittens „War Requiem“ zu hören. Schon damals lenkte er mit seinem wunderbaren Einfühlungsvermögen die Aufmerksamkeit auf sich. Und genau diese Eigenschaften zeichneten auch die emotional ausgedeuteten Orchesterlieder wieder aus. In der Kommunikation von Johannes Hinterholzer mit dem Tenor Allan Clayton übertrafen sich die beiden, denn sie füllten die psychischen Zustandsbeschreibungen der einzelnen Lieder voll aus.

In einem gut nachvollziehbaren Bogen entfalteten die Solisten die einzelnen Lieder. Den dramatischen Höhepunkt erreichte die Interpretation im Grabgesang „Dirge“, den Allan Clayton solistisch und mit höchster Intensität anstimmte. Die motivische Pendelbewegungen schaukelten sich im Verlauf immer weiter auf, die mystisch bedrohlich schwelende Grundstimmung und die chromatische Linie unterstrichen den klagenden Charakter. Die Streicher des Symphonieorchesters Vorarlberg unter der Leitung von Ola Rudner spielten den Orchesterpart eindrücklich und transparent, sodass auch die ambivalenten Stimmungen, vielgestaltige Begleitfloskeln sowie kontrapunktisch geführte Passagen die Texte deuteten und den Solisten einen idealen Unterbau boten.

Reize bald erschöpft


Franz Schrekers Kompositionen - lange fast vergessen - wurden in den vergangenen Jahren wieder öfters ins Licht gerückt. Vor allem im Hinblick auf klangliche Aspekte lenkte die Kammersymphonie für 23 Instrumentalisten die Aufmerksamkeit auf sich. Das Symphonieorchester Vorarlberg spielte hervorragend die melodienreiche Musik und lotete piano geführte Linien in einer schönen Klangbalance aus. In der Fassung für Kammerorchester trat die fein nuancierte Instrumentierung der ursprünglichen Fassung zugunsten eines satteren Gesamtklanges etwas in den Hintergrund. Schrekers Werk entwickelte sich in episodenhaft aneinandergereihten musikalischen Bildern, gespickt mit einem impressionistischen Touch, oft sehr nahe an der Programmmusik und hätte gut als Filmmusik durchgehen können. Die vielfarbige Instrumentierung, zusätzlich verstärkt mit Harfe, Celesta, Harmonium, Klavier sowie Pauken und Schlagwerk, bot zwar viel Abwechslung, doch insgesamt verlor das Werk nach relativ kurzer Zeit seinen Reiz.

Spannende Gegensätze


Ola Rudner leitete das Symphonieorchester Vorarlberg mit klaren Gesten und in einem guten Kontakt zu den Musikern. Er verstand es, die feinsten Nuancen aus den Reihen des Orchesters zu holen. Genau darin lag auch die herausragende musikalische Leistung des Konzertabends in Lustenau, denn die trockene Akustik machte allen zu schaffen.

Die inspirierte und hochkonzentrierte Spielart bereicherte auch die Interpretation der vierten Symphonie von Ludwig van Beethoven, die vor allem von spannend dargebotenen Gegensätzen lebte. Im Adagio bildeten die gegeneinander gesetzten Zweitonrhythmen das Herzstück des musikalischen Flusses. Anregende Bewegungsimpulse, hervorragende Soli der Klarinette und der Flöte sowie ungewöhnliche harmonische Fortschreibungen blieben besonders in Erinnerung. Gut zur Geltung kam im dritten Satz das Spiel mit den Zweier- und Dreierrhythmen.

Am Ende dankte das Publikum mit herzlichem Applaus für den anregenden Konzertabend mit inspirierenden Interpretationen.