Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Silvia Thurner · 22. Aug 2014 · Musik

Kontraste zwischen feinsinniger Musik und actionreicher Regieführung – Die Uraufführung von Peter Herberts „Trans Maghreb“ ließ niemanden unberührt

Wagemut bewiesen Peter Herbert, Hans Platzgumer und Ingrid Bertel als Initiatoren des Musiktheaters „Trans Maghreb“. Schließlich weckten sie mit ihrem Projekt das Interesse von David Pountney und nun wurde im Rahmen der „Kunst aus der Zeit“ bei den Bregenzer Festspiele eine Performance auf die Werkstattbühne gestellt, die man in dieser Dichte noch selten erlebt hat. Die Idee des Regisseurs Ran Arthur Braun, die Inszenierung von „Trans Maghreb“ als interaktives Musiktheater aufzuziehen, war hervorragend und wurde auch konsequent umgesetzt. So wurden auch die Besucher als Teil der Inszenierung miteinbezogen, herumkommandiert und in Gruppen ‚kanalisiert’. Peter Herbert hat dazu eine ausnehmend feinsinnige Musik geschaffen, die jedoch aufgrund der Turbulenzen, denen die Zuschauer ausgesetzt waren, allzu sehr in den Hintergrund abgedrängt wurde.

Vielleicht ist es müßig über Begriffe einer Gattungszuordnung des Werkes „Trans Maghreb“ nachzudenken. Meiner Meinung nach lag jedoch genau darin der Unterschied, mit welchen Erwartungen das Publikum zur Uraufführung kam und wie die Menschen das Werk auffassten. „Trans Maghreb“ wurde im Festspielprogramm als begehbare Operninszenierung angekündigt, in Wirklichkeit wurde jedoch eine actionreiche Theaterperformance mit Musik zur Uraufführung gebracht.

Den Anweisungen Folge leisten und das Publikum mitten drinnen

Die in einzelne Zonen eingeteilte Werkstattbühne wurde als Ganzes bespielt. Das Regiekonzept sah vor, dass die Leute schon beim Eingang in die Aufführung miteinbezogen werden. So wurden die Eintretenden mitunter resolut aufgefordert, sich auszuweisen, hinter Gittern bettelten Menschen und zu Beginn war gar nicht ganz klar, wo und wie das Stück nun zu erleben sei. Allerdings nur bis zu dem Zeitpunkt, als eine unangenehme Lautsprecherstimme die Besucher aufforderte auf den pinkfarbenen Regenschirm zu achten und den Anweisungen Folge zu leisten. Fortan kam Bewegung in den Raum, ständig neue Absperrungen aufgezogen, Begrenzungsbänder gespannt und die Menschen in andere Winkel geschleust. Bewaffnete bahnten sich ihre Wege durch das Publikum. So mitten drinnen im Geschehen und dem Getümmel ausgesetzt kamen mitunter fast aggressive Gefühle auf, denn der Umgangston war forsch. Jedenfalls ging es wohl mancher Zuschauerin und manchem Zuschauer genau so wie mir, ständig fühlte ich mich deplatziert. Im einen Moment stand ich (ungewollt) an der „vordersten Front“, um im nächsten Augenblick von einer Menschtraube umzingelt zu sein. Dies waren die äußeren Umstände, mit denen der Regisseur Ran Arthur Braun souverän spielte.

Psychologisch deutende Musik

Erzählt wurde die Geschichte der Novelle „Trans Maghreb“ von Hans Platzgumer. Sie spielte in einem Containerlager in der libyschen Wüste, wo sich drei Mitarbeiter eines Bautrupps und deren Chef inmitten der Unruhen des Arabischen Frühlings wiederfanden. Die Ingeneure Gerald, Gerhard und Gonzo waren im Ungewissen, wie und ob sie aus dieser unfreiwilligen Gefangenschaft je wieder herauskommen.

Für die Atmosphäre des Raumes und für die psychischen Ausnahmesituationen, in denen sich die Protagonisten befanden, hat Peter Herbert eine sehr sinnliche und vielschichtige Musik komponiert. Die Kombination von arabischen Songs, improvisierten Passagen und flächig konzipierten bis hin zu Rhythmus betonten Passagen war hervorragend austariert. Das gesamte Ensemble dieser aufwendigen Produktion verdient höchste Anerkennung, denn das Niveau der Darbietung war enorm hoch und authentisch erlebbar.

Herausragende Musiker und Sänger

Die Musiker agierten vom Rand der Werkstattbühne aus. Sie wurden geleitet von Benjamin Lack, bei dem die Fäden gut und sicher zusammenliefen. Das Koehne Quartett, Hans Platzgumer, Kenji Herbert, David Helbock, Martin Eberle, Loy Ehrlich, Firas Hasssan und Claudio Spieler und mitten unter ihnen der Komponist und Kontrabassist Peter Herbert musizierten unglaublich gut aufeinander abgestimmt. Hoch konzentriert stellten sie sich ganz in den Dienst der Performance. So kristallisierten sich die zugrundeliegenden musikalischen Themen sowie deren Ausdrucksqualitäten in den einzelnen Passagen gut nachvollziehbar heraus. Es war höchst inspirierend, den Musikern zuzuhören und die eindringliche Geschichte so erzählt zu bekommen. Doch das Regiekonzept wollte es anders. Immer wieder wurde ich gestört und mit Anweisungen konfrontiert, die eine Konzentration auf die Musik nicht länger zuließ.

Auch das Sängerensemble mit Robert Maszl (Gerald), Wilfried Staber (Corwald), Stanislav Kuflyuk (Gerhard), Markus Raab (Gonzo), um nur einige zu nennen, sowie der Prager Philharmonische Chor agierten hervorragend und schufen eine dichte Atmosphäre. Videos von Lillevan und Stunts vervollständigten die überbordende Fülle an parallel ablaufenden Erzähl- und Erfahrungsebenen. Zusätzlich verstärkt wurde das Gesamterlebnis durch den Einsatz von Gerüchen, die ein besonderes Ambiente schufen. Unkonventionell präsentierte Anspielungen auch auf die Umweltzerstörung, politische Konflikte und den Kapitalismus bereicherten das Geschehen.

Könnte weniger auch mehr sein?

Das Gesamterlebnis von „Trans Maghreb“ wirkte eindrücklich und sorgte anschließend für Diskussionen. Dass dieses Projekt eine Vorarlberger Crew initiiert hat, macht stolz, denn ein derart aufrüttelndes Erlebnis wurde im Rahmen von KAZ schon lange nicht mehr geboten. Nichtsdestotrotz stellt sich die Frage, ob nicht weniger auch mehr sein könnte, denn die Musik wurde durch die Regieführung zu einem wesentlichen Teil als „Kulisse“ ins Abseits gestellt. Lediglich den arabischen Songs und einigen wenigen, gesungenen Passagen wurde der ihnen entsprechende Raum und die Zeit dafür gewährt. So betrachtet, stimmten die Wirkungsgrade der feingliedrig und sensibel gestalteten Musik mit der eher actionreichen Regie nicht wirklich überein.

Jedenfalls wünscht man dieser Produktion weitere Aufführungsmöglichkeiten. Peter Herberts Musik für „Trans Maghreb“ wird auch ohne szenische Aufbereitung ihre Wirkung entfalten und den Weg zu den Hörerinnen und Hörern finden. Hoffentlich möglichst bald in Form einer CD.