Fouad Boussouf mit einer österreichischen Erstaufführung des Stückes „Fêu“ zu Gast beim „Bregenzer Frühling“ (Foto: Antoine Friboulet)
Silvia Thurner · 08. Jun 2012 · Musik

Kraftvolle Gefühlstiefe – Die Geigerin Ragnhild Hemsing und die Dirigentin Anu Tali erhielten beim Feldkirch Festival euphorischen Applaus

Zwei starke Frauen standen im Mittelpunkt des Orchesterkonzertes mit dem „Nordic Symphony Orchestra“. Die Dirigentin Anu Tali sowie die Geigerin Ragnhild Hemsing begeisterten das Publikum bei ihrem Auftritt im Rahmen des Feldkirch Festivals restlos. Beide verströmten eine energiegeladene Ausdruckskraft, so dass vor allem das Violinkonzert von Jean Sibelius zu einem besonderen musikalischen Erlebnis wurde. Das Konzert „Tri Fjordar“ für Hardangerfiedel und Orchester machte eine Begegnung mit der hierzulande wenig bekannten Hardangerfiedel und dem norwegischen Komponisten Geirr Tveitt möglich.

Die in Estland geboren Anu Tali hat sich international als Dirigentin einen herausragenden Namen gemacht. Ihre tänzerische Dirigierhaltung und die feinsinnige Art der musikalischen Interpretation, versehen mit einer genauen Diktion, verströmten eine große Aussagekraft. Zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Kadri Tali hat Anu Tali das Nordic Symphony Orchestra (NSO) vor nunmehr fünfzehn Jahren gegründet. Dieses Naheverhältnis zwischen der Dirigentin und den MusikerInnen war auch beim Konzert im Montforthaus spürbar.

Unterhaltende Musik

Zuerst interpretierten die MusikerInnen die Rokoko-Variationen „Bergensiana“ von Johan Halvorsen. Die eingängige zugrundeliegende Melodie wurde in den einzelnen Abschnitten transparent weiter gereicht und variiert. Vor allem die Klangfarbenvielfalt des Orchesters und Instrumentkombinationen, wie Fagott und Perkussion, Mandoline, Oboe und Glockenspiel sowie andere mehr, kamen schön zur Geltung. Humorvoll und mit Schwung wurden die einzelnen Variationen dargeboten und gesteigert, ganz ihrer ursprünglichen Bestimmung als unterhaltsame Zwischenaktmusik folgend.

Eduard Tubins „Estnischer Tanz Nr. 1 „Long Ingliska“ war eine pastorale Idylle. Anu Tali und ihre OrchestermusikerInnen zelebrierten das mitteilsame Werk mit der prägnanten Hauptmelodie, die vom Englischhorn ausgebreitet wurde. Eine schöne musikalische Perspektive entstand dadurch, dass das plastische Ausgangsmotiv in einen fließenden Klangteppich übergeführt wurde.

Eine Seltenheit

So richtig in Fahrt kam das NSO unter Anu Tali mit Geirr Tveitts „Tri Fjordar“ für Hardangerfiedel und Orchester. Es war eine Freude, das hierzulande unbekannte Werk so inspiriert gedeutet zu hören. Vor allem die Solistin Ragnhild Hemsing und der zart glitzernde Klang der Hardangerfiedel zogen die Aufmerksamkeit auf sich. Ragnhild Hemsing führte die Stimme mit einem geradlinigen Ton und forderte die OrchestermusikerInnen immer wieder heraus. So entwickelte sich eine Musik, die auf mehreren Ebenen wirkte. Die latent dunkle Farbe des Orchesters stand in einem Gegensatz zum Grundcharakter der solistischen Linie und weckte eine große Erwartungshaltung. Spannende Abwandlungen der Motive ergaben einen vielschichtigen Dialog zwischen der Solistin und dem Orchester.

Grandiose Spielart

Im gut programmierten Konzertprogramm stand neben Tveitts Konzert für Hardangerfiedel das berühmte Violinkonzert von Jean Sibelius. Auch diesen Part spielte Ragnhild Hemsing und spätestens mit dieser Werkdeutung verdiente sie höchste Bewunderung. Die erst vierundzwanzig jährige Geigerin spielte mit einer intensiven Tongebung und kraftvoller Bogenführung. Sie stellte die Hauptthemen emotional tief ausgelotet in den Raum und riss auch die OrchestermusikerInnen mit. Man spürte den Energiefluss zwischen der Solistin und der Dirigentin in ihrem gegenseitigen intensiven Austausch. Die KonzertbesucherInnen hörten, staunten und spendeten frenetischen Applaus.

Patriotisch

Den Schlusspunkt des unterhaltsamen und in guter Stimmung dargebotenen Konzertes bildete Sibelius' „Return of Lemminkäinen“ aus der Suite op. 22. Die Musik beruht auf dem finnischen Nationalepos „Kalevala“, dementsprechend wurde sie hymnisch gesteigert dargeboten.