Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Silvia Thurner · 21. Jän 2013 · Musik

Lautmalerisch entworfene Bilder drastisch ausgeformt – die Chorakademie Vorarlberg bot eine beeindruckende Werkdeutung des Oratoriums „Israel in Egypt“ von G.F. Händel

Mit dem Ziel hohe Ansprüche zu erfüllen, finden alljährlich engagierte und gut qualifizierte ChorsängerInnen im Projektchor der „Chorakademie Vorarlberg“ zusammen. Mit dem renommierten Dirigenten und Chorleiter Markus Landerer wurde in diesem Jahr das anspruchsvolle Chor-Oratorium „Israel in Egypt“ von Georg Friedrich Händel erarbeitet. Das Barockorchester „Concerto Stella Matutina“ ergänzte das ambitionierte Vorhaben ideal und so erlebten die ZuhörerInnen in der Kulturbühne AmBach eine dramatisch ausgestaltete Werkdeutung.

Händels Oratorium „Israel in Egypt“ ist ein Mammutwerk, das an alle Beteiligten sehr hohe Ansprüche stellt. Konzentriert und hoch motiviert wirkten die SängerInnen der „Chorakademie“, das Barockorchester „Concerto Stella Matutina“, die SolistInnen Maria Erlacher, Katrin Auzinger, Gernot Heinrich, Lothar Burtscher und Johannes Schwendinger sowie Markus Landerer. Die hohe Eigenverantwortung jeder und jedes Einzelnen war spürbar.Es ist bewundernswert, dass ein derart homogenes Zusammenwirken aller SängerInnen und MusikerInnen in der knapp bemessenen Probenzeit möglich ist.

Plagen in Musik gesetzt

Die Dramatik der Ereignisse, die in Händels Oratorium „Israel in Egypt“ dargestellt und ausgedeutet wurden, kam bereits in den ersten Einleitungstakten des Orchesters zum Tragen. Seufzermotive und nachgeschlagene Tonwiederholungen leiteten in die Geschehnisse ein. Im ersten Teil „Exodus“ wurden in anschaulichen und scharfen Bildern der Zorn Gottes geschildert und die Plagen, denen das Volk der Ägypter ausgesetzt war.

Die ChorsängerInnen formten die Texte plastisch aus. Besondere Beachtung schenkten sie den dynamischen Linienführungen, so dass die polyphon gesetzten Partien stets transparent wirkten. Gut deklamiert erklang die „altertümlich“ anmutende, englische Textvorlage, so dass die grausamen Textinhalte eindrücklich zur Geltung kamen, wie beispielsweise in der Chorpassage „They loathed to drink of the river“ oder in „He gave them hailstones for rain“, wo auch Blitze und Hagel wüteten. Eng geführte Linien ließen die Passage „He sent a thick darkness“ in einem beklemmenden harmonischen Zwielicht leuchten. Unterstrichen wurde diese Wirkung durch die große Zurückhaltung des Chores, dessen Stimmen auch im Piano gut ausbalanciert waren. Auch die brutalen Hiebe in „He smote all the first-born“ kamen plastisch zum Ausdruck. Groß war die Kontrastwirkung im anschließenden „But as for his people“, wo die musikalischen Linien mit einem glänzenden Chorklang dargeboten wurde. Eine beeindruckende Steigerung ergaben die kantigen Artikulationen und der treibende Duktus im Chor „But the waters overwhelmed teir enemies“.

Erhabene Lobpreisung

Den zweiten Teil des Oratoriums interpretierte die Chorakademie ebenfalls in aussagekräftigen Bildern und mit intensiver Gestaltungskraft, lediglich über eine kurze Passage ließ die innere Stringenz der Darbietung etwas nach. Hymnische Lobpreisungen und vielstimmig gespreizte Stimmen verliehen der Musik eine imposante Erhabenheit. Generalpausen unterstrichen diesen Eindruck zusätzlich. Viele textdeutende Passagen entwickelten eine Eigendynamik, die immer wieder die Aufmerksamkeit bündelte, besonders in Erinnerung blieb der Chor „The people shall hear, and be afraid“ mit den chromatischen Linienführungen. Glänzend wurde das Oratorium mit einem fulminanten und doch zurückhaltenden Duktus beendet.

SolistInnen mit Format

Die Chorakademie Vorarlberg hatte SolistInnen engagiert, die den Chor- und Orchesterklang stimmlich gut ergänzten. Hell und kraftvoll abgerundet sang die Sopranistin Maria Erlacher, mit ihrem dunklen Timbre verlieh die Mezzosopranistin Katrin Auzinger ihren Parts eine besondere Note. Der Tenor Gernot Heinrich ließ mit seiner offenen und warmen Tenorstimme aufhorchen und mit Lothar Burtscher sowie Johannes Schwendinger traten zwei Bässe aus den Chorreihen, die hervorragend aufeinander abgestimmt sangen und durch eine flexible Stimmführung beeindruckten.

Souveräner Partner

Das Barockorchester „Concerto Stella Matutina“ trug maßgeblich zum positiven Gesamteindruck dieser Werkdeutung bei. Den Orchesterpart gestalteten die MusikerInnen plastisch und belebten dadurch die textdeutenden und illustrativen musikalischen Themen und Motivbildungen. Besonders in Erinnerung blieb der punktierte Rhythmus, der die Froschplage einleitete. Virtuos dargebotene flirrende Klänge illustrierten Fliegen und Läusen, ebenso dramatisch wirkten die Schläge des Orchesters in der Textpassage „He smote all the first-born“. Die Lobpreisung des Herrn am Beginn des zweiten Abschnittes erklang strahlend und in voller Orchesterbesetzung mit Trompeten, Posaunen und Pauken. Eine starke Stütze war die Continuogruppe, die farbenreich eingesetzt agierte.

Mitten drinnen im Geschehen

Spiritus Rektor des groß angelegten Chor- und Orchesterkonzertes war Markus Landerer. Für seinen Einsatz verdient er höchste Anerkennung. Er formte einesteils die Musik und durchlebte andernteils die Chorpassagen vom Dirigentenpult aus mit.