Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Silvia Thurner · 22. Apr 2012 · Musik

Marathon der Neuen Musik – im ORF-Studio Dornbirn gab das Ensemble Plus ein kurzweiliges, teilweise aber auch langatmiges viereinhalbstündiges Konzert

Zur zweiten Langen Nacht der Neuen Musik, die via Ö1 live übertragen wurde, luden die MusikerInnen des Ensemble Plus und der ORF in das Landesstudio nach Dornbirn. Der Bratschist und Ensembleleiter Andreas Ticozzi hatte ein Programm mit Kammermusik von befreundeten KomponistInnen zusammengestellt. Sympathisch und kompetent führte Bettina Waldner-Barnay Gespräche mit KünstlerInnen und führte in die Werke ein. Bis um halb vier Uhr in der Früh musizierten die MusikerInnen engagiert und mit vollem Einsatz.

Im Mittelpunkt stand die Viola und ihre Klangfarbe. Fünf Uraufführungen bereicherten das Programm, doch die Kompositionen mit ihrer durchwegs konventionellen Musiksprache konnten nicht durchwegs überzeugen. Außergewöhnliche Ideen präsentierte lediglich Gerald Futscher. Zwei unterhaltsame Stücke von Wladimir Rossinskij und Michael FP Huber sorgten für Auflockerung während des Konzertmarathons.

Das Ensemble Plus ist mittlerweile fast das einzige Ensemble in Vorarlberg, das sich der zeitgenössischen Musik im Land zuwendet. Im Rahmen der Langen Nacht wurden unter anderem Kompositionen von Richard Dünser, die Uraufführung von Peter Engl und zwei neue Kompositionen von Gerald Futscher live interpretiert. Ergänzend waren Zuspielungen von Studioaufnahmen, darunter Gerda Poppas „Feelings“, „Silence is Lost in our Manic World“ von Thomas Ludescher und die zweite Fassung des „Padre nuestro“ von Michael Floredo, zu hören.

Außergewöhnliche Klänge

„D’abord j’ai trébuché dans un congélateur“ von Gerald Futscher überzeugte an diesem Abend am meisten. Differenziert und mit einer gut proportionierten Bogenform schuf er ein aussagekräftiges Werk, in dem die Saxophonstimmen (Emil Scheibenreif und Markus Beer) vielgestaltig verflochten wurden und in kontrapunktischer Wechselbeziehung zum Kontrabass (Marcus Huemer) und Schlagzeug (Matthias Schmid) standen.

Futschers „Derrière mes dents“ für Mezzosopran, elektrische Viola und Flügeltorso mit Nina Amon, Andreas Ticozzi und dem Komponisten selbst war wirkungsvoll und spektakulär angelegt. Unter anderem sangen die Mezzosopranistin und Gerald Futscher mit Mikrophonen im Mund, um die Tonentstehung mit allen Nebengeräuschen hörbar zu machen. Klangerzeuger und ein mit allerhand Geräten bespielter Klaviertorso bereicherten die Musik mit ungewöhnlichen Klangfarben. Allerdings war die Bandzuspielung zu dominant, so dass auch die Effekte der E-Viola zu wenig zum Tragen kamen.

Neues und Etabliertes

Von Peter Engl wurde das neueste Werk „Zeitgen“ für zwei Klarinetten, Kontrabass und Schlagzeug zur Uraufführung gebracht. Die Musik begann mit einem herzschlagähnlichen Pochen. Ein Klangteppich mit Trillermotiven schuf eine Erwartungshaltung und weckte Assoziationen zur Filmmusik. Doch die Art, wie beispielsweise emotionale Erregungen mittels Akkordzerlegungen erreicht werden sollten, wirkten eher oberflächlich. Im dritten Abschnitt wurden schubartige rhythmische Muster mit Nachdruck in den Raum gestellt und anschließend spannend demontiert.

Richard Dünser hat mit „Dark twilight“ für Klavier solo sowie „The garden of Desires“ (Jessica Kuhn, Violoncello und Annamagdalena Kokits, Klavier) bereits international Anerkennung gefunden. Auch im Dornbirner Funkhaus wurden die Werke mit Zustimmung aufgenommen.

Bratsche im Mittelpunkt

Christophe Looten ist ein mit dem Ensemble Plus befreundeter Komponist, er lebt in Paris. Unter der Leitung von Thomas Gertner gelangten die „Drei Gesänge der Antigone“ für Mezzosopran und drei Bratschen (Nina Amon, Mezzosopran; Veronika Körmendyi, Guy Speyers und Andreas Ticozzi, Viola) zur Uraufführung. Zuerst weckten die homogenen Klangfärbungen der drei Bratschen im Verhältnis zur Mezzosopranstimme sowie der deklamatorisch angelegte Charakter der Singstimme Aufmerksamkeit. Doch bald verlief sich die Musik in eher einförmigen Ausdrucksgehalten.

Im Gedenken an eine zu früh verstorbene Freundin komponierte Christoph Looten die „IV Esdras 2 für vier Bratschen“ (u.a. Gyöngyi Ellensohn). In diesem Werk entwickelte sich der musikalische Fluss eher zäh. Als die MusikerInnen dazu noch Fragmente aus dem Requiem wie beispielsweise „dies irea“ oder „lux aeterna“ rezitierten beziehungsweise anstimmten, nahm die Aufführung dilettantische Züge an.

Humorvolle Auseinandersetzungen

Erheiterung löste das Duo „Szenen einer Ehe“ von Wladimir Rosinskij aus. Die beiden Kontrabassstimmen spielten Katrin Triquart und Michinori Bunya. Humorvoll wurden eine Liebesszene, das Schnarchen des Partners, ein Streit und die anschließende Versöhnung geschildert. Für Auflockerung sorgten auch die „10 Nachtwanderungen“ für Tuba und Viola von Michael FP Huber, die Karlheinz Siessl und Andreas Ticozzi erstmals spielten. Die ungewöhnliche Besetzung und die Rollenverteilungen der Instrumente sowie die zum Ausdruck gebrachten Auseinandersetzungen und „Machtkämpfe" boten gute Unterhaltung.