Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Silvia Thurner · 19. Okt 2012 · Musik

Mit dem Blick auf ein überschäumendes Ganzes – Jubel nach dem Debüt des Kammerorchesters „A Far Cry“ und für den Pianisten Markus Schirmer

Einen glanzvollen Auftakt erlebten die AbonnentInnen der „Bregenzer Meisterkonzerte“ mit dem amerikanischen Kammerorchester „A Far Cry“ und dem österreichischen Pianisten Markus Schirmer. Das außergewöhnliche Kammerorchester feierte sein Europadebüt mit einem abwechslungsreichen Programm. Einleitend erklangen Werke des 20. Jahrhudnerts von Osvaldo Golijov und Arvo Pärt. Mozarts Klavierkonzert KV 415 mit dem Solisten Markus Schirmer bildete den Mittelpunkt und abschließend gab es klangschwelgerische Musik von Peter I. Tschaikowsky zu hören.

Das Kammerorchester „A Far Cry“  ist ein aus SolistInnen zusammengesetztes Ensemble. Die Musiker verstehen sich als Kollektiv und musizieren ohne Dirigenten, demokratisch werden die stimmführenden Rollen verteilt und gewechselt. Die hohe Eigenverantwortlichkeit jedes Einzelnen zur Gruppe und die gute Stimmung untereinander sowie das musikalische Einverständnis prägten die Musizierart des Kammerorchesters. Von Anfang an war der Energiefluss spürbar, so dass sich im Bregenzer Festspielhaus eine gute Atmosphäre entwickelte.

Zeichen eines modernen Musikverständnisses war es, dass die MusikerInnen das gesamte Programm stehend musizierten. Die nicht nur körperliche, sondern auch mentale Bewegungsfreiheit sowie die Vitalität der MusikerInnen übertrugen sich unmittelbar auf die Werkdeutungen.

Individuell und vital

Den argentinischen Komponisten Osvaldo Golijov kennt hierzulande kaum jemand. Gestern erklang sein Werk „Last Round“, das unter dem Eindruck des Todes von Astor Piazzolla geschrieben wurde. Originell wurde darin der Klang eines Bandoneons imaginiert. Flexibel gingen die Musiker aufeinander ein, sie spielten sich die melodischen Floskeln lustvoll zu und verdichteten die Musik. Energiegeladen führte das Ensemble die Musik zum vermeintlichen Höhepunkt hin. Daraus entfaltete sich ein Lamento, das einen atmenden Duktus verströmte und langsam abebbte.

Innere Ruhe und Ausgelassenheit

Arvo Pärts „Fratres“ ist ein Klassiker der Moderne. Ganz auf die Tonqualität bedacht, entfalteten die Musiker ein kristallines Tongeflecht und ließen die Musik mit einer bewundernswert ausgeglichenen Ruhe fließen.

Die Interpretation des Klavierkonzertes KV 415 von Wolfgang Amadeus Mozart war ein erfrischendes Erlebnis. Der Pianist Markus Schirmer stellte eine individuelle Interpretation vor, die immer wieder die Aufmerksamkeit bündelte. Geistreich betonte er in den Kadenzen die harmonischen Beziehungen und setzte originelle rhythmische Akzente. Im Wechselspiel mit den Orchestermusikern entwickelte sich eine luftige Spielart, die dem Werkcharakter entgegen kam. Fließend und mit einem romantischen Duktus wurde der langsame Satz musiziert, Überleitungen mit Überraschungsmomenten ließen aufhorchen. Abschließend stellten die Kommunikation und die Begegnungen des Solisten mit den Orchestermusikern den Finalsatz in ein überraschend neues Licht.

Starkes Fundament

Seine hervorragende Klangkultur brachte „A Far Cry“ in Tschaikowskys Serenade für Streicher, op. 48 zur Geltung. Das Orchester spielte unbeschwert und heiter, zurückhaltend und nobel zugleich. Vor allem der Schwung der Themenführungen und auch kantig formulierte Motive zeichneten die Spielart aus. Getragen wurde die Musik auch vom auffallend kraftvollen tiefen Streicherregister.

Euphorische Stimmung

Die ZuhörerInnen im ausverkauften Festspielhaus jubelten und das Streichorchester spielte in Hochstimmung noch zwei Zugaben. Vor allem das enthusiastisch gespielte Werk „Turceasca“ von Osvaldo Golijov bildete einen schönen Rahmen und entließ das Publikum nach einem inspirierenden Konzertabend.