Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Fritz Jurmann · 13. Jun 2012 · Musik

Neue Kammermusik aus Finnland und Norwegen im Ambiente aktueller Kunst: Der „Ausflug“ des Feldkirch Festivals ins Kunstmuseum Vaduz wurde zu einem ganzheitlichen Erlebnis.

Selten ist neue Musik beim Publikum so „angekommen“ wie am Dienstag bei einem Konzert-„Ausflug“ des Feldkirch Festivals ins Kunstmuseum Liechtenstein im benachbarten Vaduz. Vielleicht auch deshalb, weil in diesem beeindruckenden Ambiente aktueller Kunst die angebotene „Neue Kammermusik“ aus dem zeitgenössischen Schaffen Finnlands und Norwegens besonders inspiriert zur Geltung kam. Und weil Interessenten zuvor als besonderen Service in einer kostenlosen Führung durch die aktuelle Ausstellung „Kunst 60+“ des Malers Günter Fruhtrunk entsprechend eingestimmt wurden und damit zu einer Art ganzheitlichem Kunsterlebnis kamen. Jedenfalls wurde bei diesem Konzert eine in ihrer Vielfalt und Dichte imponierende Werkschau in exzellenten Darbietungen zu einer spannenden Angelegenheit, die die als verhalten bekannten Liechtensteiner rasch aus ihrer Reserve lockte.

Strenge Ausrichtung, klare Akustik


Die rund 90 Plätze im so genannten „Kunstlichtsaal“ des Museums sind voll besetzt. Der Raum eignet sich von seiner strengen Ausrichtung, seiner klaren Akustik her ideal für neue Musik. Der Dornbirner Gymnasialprofessor Thomas Thurnher, der den Einführungsvortrag hält, ist als Komponist grundlegend mit der Materie vertraut und geht sehr detailliert auf die Musik im hohen Norden ein, die lange vom Eindruck der mächtigen Landschaft und der dortigen Volksmusik geprägt war. Gerade Finnland und Norwegen aber haben seiner Ansicht nach auch keineswegs die Entwicklung der aktuellen Musikszene in Mitteleuropa verschlafen, gelten heute als besonders lebendig und in manchen Bereichen sogar als Vorreiter. Nicht zuletzt bei komponierenden Frauen, von denen zwei aus Finnland im Programm vertreten sind.
Keimzelle der vierköpfigen Truppe ist das fantastische Klarinettenduo der Vorarlbergerin Petra Stump und des Burgenländers Heinz-Peter Linshalm, das über die Musik hinaus auch menschlich verbunden ist und längst international als erste Adresse in Sachen Neue Musik gilt. Dazu kommen der genial vielseitige Akkordeonist Goran Kovacevic vom Landeskonservatorium und der nicht  weniger einsatzfreudige Schweizer Cellist Moritz Müllenbach, die sich gemeinsam mit großer Entdeckerfreude auf die Spuren nordischer Komponisten begeben. Und bei aller nötigen Ernsthaftigkeit der Ausführung auch eine breite, sehr kurzweilige emotionale Palette für das aufnahmebereite Publikum schaffen.

Kaum typisch „nordische“ Note


Es gibt also viel zu hören und auch zu sehen in diesen knappen zwei Stunden. Allerdings lässt sich kaum eine spezifisch „nordische“ Note in diesem Programm ausmachen – sowohl Kompositionsweise wie die oft ausgefallenen Spieltechniken auf den Instrumenten sind in der heutigen aktuellen Musik längst internationales Allgemeingut. Die Namen der sieben präsentierten Komponisten aus Finnland und Norwegen mit ihren acht Werken sind zwar in unseren Breiten kaum bekannt, gelten dennoch über ihr Land hinaus als Könner, deren handwerkliche Qualitäten und schöpferischer Genius außer Zweifel stehen.
Womit sich der alte Grundsatz wieder einmal bewahrheitet, dass neue Musik auch heute durchaus gefallen kann, wenn sie nur wirklich gut komponiert ist und kompetent dargeboten wird. Beides ist hier in hohem Maße gegeben. Etwa das in seinem Raumklang mit korrespondierenden Echowirkungen faszinierende Trio „Plus IV“ des Finnen Jukka Tiensuu (geb. 1948), die aus meditativer Ruhe sich aufschwingenden „Turns in the Golden Room“ für Klarinette solo (Linshalm) des Norwegers Olav Berg (geb. 1949) und der intensive Dialog zwischen Bassklarinette (Stump) und Cello in „Oi kuu“ der Finnin Kaija Saariaho (geb. 1952).

Lachende Bassklarinette


Man ist aber auch beeindruckt vom berührenden Cello-Klagelied „Clamavi“ über den Tritonus des Norwegers Arne Nordheim (1931-2010), die ironisch originelle „Capriole“ des Finnen Kimmo Hakola (geb. 1958), die in ein mongolisches Volkslied mit einer lachenden Bassklarinette mündet und den größten Beifall des Abends erhält, oder über das kurze „andas“ der Finnin Lotta Wennäkoski (geb. 1970) für zwei der derzeit immer aktueller werdenden Bassklarinetten, bei denen kleinräumige Melodiefloskeln und differenziert behandelte Windgeräusche eine tragende Rolle spielen.
Spektakuläre Glanzpunkte im Zentrum bilden Nordheims „Dinosaurus“, bei dem das Akkordeon elektronisch zugespielte Urlaute kontert und dabei selber zum viel bestaunten fauchenden Ungetüm wird, und das in seiner Brutalität erschreckende „Ablauf“ des Finnen Magnus Lindberg (geb. 1958), in dem sich Klarinette und Bassklarinette von Stump/Linshalm in wechselnden Rollen mit zwei riesigen Rührtrommeln duellieren.

Das Feldkirch Festival dauert noch bis Sonntag, 17. Juni,
Programmdetails unter www.feldkirchfestival.at