Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Fritz Jurmann · 14. Jun 2012 · Musik

Patient Feldkirch Festival vor dem Aus? Es krankt derzeit an Budget, Konzept und Akzeptanz

Das Feldkirch Festival steht derzeit am Abgrund, darüber dürften kaum noch Zweifel bestehen. Auch ein letztes Aufbäumen mit der heurigen traumhaften Arlaud-Inszenierung der Oper „Fräulein Julie“ nach Strindberg wird es kaum vor dem Aus bewahren. Und schon gar nicht ein Intendant, der das sinkende Schiff nun verlässt – eventuell Richtung Bregenz. Ein langer Weg der großen Ambitionen, der deutlichen Erfolge, aber auch der peinlichen Pannen dürfte damit zu Ende gehen. Vordergründig werden seitens der Stadt Budgetknappheit und mangelnder Publikumszuspruch als Begründung für ein mögliches Ende angegeben, die Wurzeln dieses Scheiterns liegen jedoch weit tiefer und reichen bis zur Gründungszeit zurück.

Trotzreaktion ist keine Basis für ein Festival


Eine schwere Geburt lässt sich halt auch schwer am Leben erhalten. Das merkte man in Feldkirch sehr bald, als Gerd Nachbauer nach zehn erfolgreichen Schubertiade-Jahren in der Montfortstadt am Ende der Saison 2000 der Stadt in einem dürren Fax mitteilte, er werde ab 2001 Schwarzenberg zum Zentrum seines Festivals machen. Der Schock dauerte nur kurz, bereits ab 2012 gab es ein eigenes „Feldkirch Festival“. Man wollte damit dem Schubertiade-Chef beweisen, dass man auch ohne sein Know-how und ohne Schubert als Schutzpatron ein gleichwertiges Festival aus dem Boden stampfen und damit die Hotels weiter mit internationalem Fachpublikum füllen könne. Doch eine solche Trotzreaktion ist als Basis für die Gründung eines Festivals zu billig und zu wenig tragfähig und ist klarerweise deshalb auch bis heute nicht aufgegangen.  
Dafür hat Nachbauer auch in Schwarzenberg die Nase vorn. Dieser Tage beginnt seine ausgezeichnet gebuchte erste von zwei Saisonen mit insgesamt 70 Konzerten internationaler Künstler und ebensolchem Publikum in Schwarzenberg. Dieses füllt nun die Hotels im Bregenzerwald, das Feldkirch Festival dagegen blieb bis heute ein behütetes Lokalereignis, bei dem die Hotels im besten Fall von den zahlreichen auswärtigen Künstlern belegt wurden, die man engagiert hatte. Internationales Publikum blieb stets aus, und auch die heimische Bevölkerung hat sich nie wirklich mit dem Feldkirch Festival identifiziert. Und einer Veranstaltung, die offenbar in Feldkirch keiner mehr will, dürfte wohl das letzte Stündlein geschlagen haben.

Erschreckende Budgetzahlen


Zudem geht es auch um Geld, um viel Geld, das man für das anfängliche Prestigeobjekt von Bürgermeister Wilfried Berchtold in die Hand genommen hat, der nun offen eine Art Kindesweglegung anpeilt. Kommt die Schubertiade mit ihren jährlich etwa 40.000 Besuchern seit 1991 ohne Subventionen aus, verschlang das Feldkirch Festival zu seinen besten Zeiten eine Million Euro pro Saison und liegt heute bei 300.000 Euro aus dem Kulturbudget der Stadt, aufgestockt um weitere 300.000 Euro aus dem Tourismusbudget des Landes – Geld, das nach Meinung vieler bei anderen Projekten fehlt und dort weit sinnvoller angelegt wäre. Womit, umgelegt etwa auf die 5.600 zahlenden Besucher im Vorjahr, jede Eintrittskarte weit über Gebühr subventioniert wurde.
Aber auch mit der Erarbeitung eines funktionierenden Programmkonzeptes tat man sich in all den Jahren schwer in Feldkirch. Am Beginn setzte man auf Barock, engagierte mit Thomas Hengelbrock als künstlerischen Leiter einen unbestrittenen Alte-Musik-Guru, der mit seinem professionellen Balthasar-Neumann-Chor und -Orchester atemberaubende Ereignisse schuf wie einen Händel-„Messias“ mit nur zwölf Chorleuten, von denen jeder auch eine Solistenpartie übernahm. Als Hengelbrock nach der Verpflichtung eines kulturfernen Tourismuschefs in der Montfortstadt das Festival 2006 Hals über Kopf verließ, setzte man auf den Franzosen Philippe Arlaud, der seine überragenden Fähigkeiten als Regisseur und Lichtzauberer in einer jährlichen Opernproduktion eindrücklich unter Beweis stellte. Als Festivalchef dagegen war er überfordert, weil der Theatermann zu wenig von Repertoire und Konzertbetrieb verstand.

Endlich konsequente Dramaturgie und klare Strukturen


Nach Pannen in den Anfangsjahren engagierte man für diesen Bereich den ehemaligen Konservatoriumsdirektor Anselm Hartmann zunächst als Programmbeirat und machte ihn später zum heutigen Geschäftsführer. Seiner Erfahrung und Repertoirekenntnis ist es zu danken, dass das Feldkirch Festival mit innovativen Ideen und in konsequenter Dramaturgie endlich klare Strukturen erhielt. Wechselnde Länderschwerpunkte mit Musik des 20. und 21. Jahrhunderts sowie die Förderung junger Künstler als neues Konzept wirkten aber für viele Besucher nicht weniger fremd und elitär als der Barockbereich und waren auch nicht gerade ein Ausbund besonderer Kreativität. Noch dazu, weil diese Definition bei vielen Neue Musik impliziert, während man heuer etwa das Orchesterkonzert mit „Rokoko-Variationen“ eines norwegischen Komponisten eröffnete und damit Altbackenes und Klassizismus in Reinkultur bot. Das verärgert jene, die sich wirklich aktuelle Musik aus den jeweiligen Regionen erwartet hatten. Und die anderen, die auf „schöne“ Musik stehen, gehen gleich gar nicht hin, weil sie glauben, dass es da ohnedies nur Neutöner zu hören gibt.     
Jedenfalls sind nach alledem die Sorgenfalten, die das Festival in den letzten Jahren bei den Stadtvätern und -müttern hinterlassen hat, zu tief geworden, die Daumen der Verantwortlichen zeigen mehrheitlich nach unten. Da ist der kommende Umbau des Montforthauses für die Politik nur eine willkommene Ausrede, das ungeliebte Kind zunächst finanziell auszuhungern und dann endgültig zu entsorgen. Alles andere wäre eine Überraschung, die an ein Wunder grenzt.