Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Peter Ionian · 03. Jul 2012 · Musik

Perle der Festivalkultur - Das OpenAir St. Gallen begeisterte vergangenes Wochenende 30.000 Besucher

Zum 36ten Mal bereits hat das sympathische OpenAir in St. Gallen stattgefunden. Trotzdem hat es sich seine einzigartige Atmosphäre bewahrt. Und auch heuer wurde wieder ein Programm geliefert, das einen Besucherrekord ermöglichte. Mit Bands wie Die Toten Hosen, Mumford & Sons, Wolfmother, Incubus, Danko Jones und vielen mehr wurde gut gewählt und passend platziert.

Das OpenAir St. Gallen ist näher als andere Festivals. Damit ist nicht nur die räumliche Nähe zu Vorarlberg mit gut 50 Kilometern gemeint, sondern viel mehr eine Nähe zum Publikum. Es wird quasi vor den Bühnen campiert. Im Nu ist man überall. Der Spruch ist abgelutscht, aber die Leute fühlen sich hier, als wären sie mitten drin statt nur dabei. Auch die Sitterbühne und die Sternenbühne sind nah beieinander und man kann in wenigen Schritten von der einen zur anderen wechseln. Die Moderation war frech und sympathisch, die Securities geduldig und die Helfer hatten ein Lächeln im Gesicht. Man kam mit Wildfremden ins Gespräch, traf viele bekannte Gesichter und alle hatten sich lieb. Das Festival schuf Wohlbefinden. Außerdem beweist das OpenAir Respekt vor den Künstlern wie kein anderes. Das Programm wird so gestaltet, dass sich die Bands kaum überschneiden und man problemlos jede Band erleben kann. Alles was hier auf die Bühnen kam, verdiente es auch gesehen zu werden.

Eröffnung

Die ersten hartgesottenen Festivalgänger seien bereits dienstags vor dem Eingang ins Sittertobel angestanden und warteten bis Donnerstagnachmittag. Weil die Schlange inzwischen bis in die Stadt zurückreichte und den Verkehr beeinträchtigte, wurde das Gelände drei Stunden früher eröffnet. Mit den lieblichen Katzenjammer, einem fetzigen Danko Jones und dem tanzbaren Buraka Som Sistema wurden die ersten 20.000 Nachtschwärmer begrüßt.

Hitzesteigerung

Der Freitag war dann mit über 30 Grad ein traumhaft schöner und eben auch extrem heißer Festivaltag. Es kam jedoch zu keinen größeren Zwischenfällen, denn alle sorgten dafür, genügend Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Insgesamt wurden 167.800 Liter Bier und 92.500 Liter Mineral verkauft. Das Programm war eine runde Sache und die Festivalorganisation hatte den Zeitplan alle drei Tage lang auf die Minute genau im Griff, wie die berühmte Schweizer Uhr. Am Freitagnachmittag gab es mit Mama Rosin Gipsy-Polka-Folk als Schweizer Nachwuchs und später mit Züri West Schweizer Urgesteine. Herausragend wieder der Auftritt des gerade mal 21-jährigen Singer-Songwriters Ed Sheeran aber auch Noah & The Whale spielten Wunderschönes. Die stimmgewaltige Florence & The Machine brachten einen theatralischen Auftritt. Der Soundtrack des Millenniums wurde auch von den Headlinern Incubus geprägt, die in ihrem Programm nicht mit alten Songs geizten und so waren sie ein würdiger Abschluss der Gitarrenfraktion. Danach gehörte die Bühne dem Beat mit Caligola, Modestep, Sebastian und vor allem DJ-Star Paul Kalkbrenner verwandelt das Festivalgelände in eine Technoparty.

Am Zenit

Am Samstag präsentierten sich wieder heimische Newcomer, wie beispielsweise die Schweizer Painhead und schon Etablierteres wie Boy. The Mars Volta lieferten ein außergewöhnliches Konzert, bei dem sie jeden Augenblick wieder neu das Unerwartete spielten. Riesig gefeiert wurde der tanzbare Electroswing der Parov Stelar Band, wohl einer der stärksten österreichischen Exporte zur Zeit. Die Toten Hosen bewiesen sich als würdiger Headliner. Man solidarisierte sich mit Italien zu Azzuro und sogar mit den Ärzten und so spielten sie doch tatsächlich Schrei Nach Liebe. Bis zum bitteren Ende geben sich die Punkopas die Ehre und lieferten unter dem Namen Ballast der Republik ein neues Album mit neuen Hymnen. Die Deadmau5 leuchtete danach noch einen ekstatischen Austanz ein.

Zum Finale

Das sonnige Wetter hatte bis zum letzten Tag angehalten, erst am Sonntag gab es ein wenig Regen. Alle, die deshalb früher gingen oder bereits zu fertig waren, verpassten noch einen weiteren sagenhaften Festivaltag. Der Auftritt von Deus war packender als noch vor einem Jahr, es wurden auch mehr alte Lieder gespielt. The Kooks rockten die letzten Langschläfer wach. Paolo Nutini hüllte die Fans mit Soulpop und Folkreggae in berauschenden Rauch. Wolfmother kochten das Zelt der Sternenbühne nochmal kräftig auf. Als krönender Abschluss erhoben sich Mumford & Sons aus schallenden Singchören. Es macht Hoffnung, dass eine Folkband mit guter Musik die Massen erreicht und bewegt. Vom großen Finale, bei dem The Kooks, Paolo Nutini, Wolfmother und Mumford & Sons gemeinsam auf der Bühne einen Song spielten, werden die Besucher wohl noch ihren Enkeln erzählen. Viele waren schon vorher weg oder machten sich jetzt schnell auf die Socken, um noch rechtzeitig zum EURO Finale vor den Fernseher zu kommen.

Die Würze

Früher waren die Festivals bestimmt gitarrenlastiger. Der Beat hat an Bedeutung gewonnen und so gehörts schon fast dazu, dass auch Elektronisches vertreten ist. Im Graubereich dazwischen spielen diverse tanzbare Soundformen eine immer größere Rolle. Wie immer liegt die Würze wohl in der Zusammenstellung und die ist dem OpenAir St. Gallen meisterhaft geglückt.