Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Thorsten Bayer · 09. Jul 2013 · Musik

poolbar-Festival: Laut, lauter, My Bloody Valentine

Wo Noise Pop draufsteht, sind auch jede Menge Dezibel drin. My Bloody Valentine drehten bei ihrem Auftritt am gestrigen Montag die Regler ordentlich nach oben. Eine wuchtige, aufwändige Show, keine Frage; aber auch eine, die für meinen Geschmack leider etwas blutleer wirkte. Mile Me Deaf, die erste Band des Abends, hinterließ hingegen einen charmanteren Eindruck.

Hinter Mile Me Deaf steht der Steirer Wolfgang Möstl. Es ist sein zweites Projekt neben Killed By 9V Batteries. In der Halle des Alten Hallenbades gibt er den Zuhörern schon ordentlich was auf die Ohren – und damit einen standesgemäßen Vorgeschmack auf das folgende Programm. Auch wenn die Zuhörer noch etwas auf Abstand bedacht sind und sogar das Angebot der Band ausschlagen, einen Schnaps zu bekommen, wenn sie sich etwas näher an die Bühne trauen: Das Power-Geschrammel des Quartetts hat eine Menge Charme, ihr Lo-Fi-Sound und die energiegeladene Show erfrischen. Am meisten Gas gibt Peter Turbopete am Bass. Das weiße Handtuch zum Abtupfen des Schweißes legt er gar nicht mehr zur Seite, sondern lässt es der Einfachheit halber gleich über seiner Schulter hängen. Drummer Rudi Rudeboi und Laura an der Gitarre haben ebenfalls sichtlich Spaß auf der Bühne. Aus dem Publikum fordert jemand einen „Stimmungshit“ und bekommt wenig später auch so etwas Ähnliches: den Song „Brando“, der für FM4-erprobte Ohren vertraut klingt.

Fotoverbot


Auf die jugendliche Spielfreude der Wahl-Wiener folgt die Routine einer irisch-englischen Formation, die bereits 30 Jahre auf dem Buckel und seit dem Erscheinen ihres letzten Albums stattliche 22 Jahre ins Land gehen lassen hat. Heuer ist das schlicht „mbv“ betitelte Werk erschienen. „Ein dunkel verführerisches Stück Traumpop“, jubelte Thomas Groß in seiner Rezension auf zeit.de.

Vielleicht ist in dieser langen Zeit die Eitelkeit gewachsen, nicht mehr ganz so frisch auszusehen wie auf den letzten Tourneen – jedenfalls sperrt sich die Band gegen Live-Bilder. Dabei gibt es, soviel sei verraten, wirklich nicht viel zu verbergen: Frontman Kevin Shields ist ergraut (na und?), sieht mit seiner Lockenmähne dadurch ein bisschen wie der klassische zerstreute Professor aus. Bilinda Butcher, wie Shields an Gitarre und Gesang, trägt hochhackige Schuhe, einen koketten Blick und wechselt zwischen einem knallroten und einem quietschgrünen Instrument. Aber Fotos? Nein, auf keinen Fall, warum auch immer. Da helfen auch mehrere Nachfragen nicht.

Shoegazing


Aufwand scheut die Band nicht, schon gar nicht, was die Soundtechnik betrifft. Ein eigenes großes Mischpult hat sie mitgebracht, dazu farbenfrohe Visuals, die auf eine Leinwand hinter den Künstlern projiziert werden. Sie wirken in sich versunken, ohne freilich dauernd auf ihre Schuhe bzw. die Effektgeräte ihrer Gitarren zu starren. Dieser Eindruck britischer Musikkritiker war dafür verantwortlich, dass dieses Genre zunächst auf den ironischen Titel „Shoegazing“ getauft wurde. Später etablierten sich die Begriffe „Dream Pop“ und – im Fall von My Bloody Valentine – „Noise Pop“. 1983 wurde die Gruppe in Dublin gegründet. Von der damaligen Besetzung ist neben Kevin Shields noch sein Kindheitsfreund, der Drummer Colm Ó Cíosóig, dabei. Bassistin Debbie Googe stieß 1985 zur Band, Bilinda Butcher zwei Jahre später.

Autopilot


Ansprachen an das Publikum sind die Ausnahme und passieren eher zufällig, wenn es beispielsweise eine kleine Pause wegen technischer Probleme zu überbrücken gilt. Kevin Shields und seine Kollegen lassen lieber ihre Musik sprechen. Es scheppert, es kracht auf der Bühne, der Gesang ist mehr sicht- als hörbar, was aber so gesteuert ist. Ein in sich stimmiger Auftritt einer Band, die perfekt ihre Nische ausfüllt, aber mich nicht wirklich begeistert. So läuft eine Show im Autopilot-Modus ab, die zeitweise etwas uninspiriert wirkt. Einige Zuhörer sehen es anders und beginnen zu tanzen. Unter ihnen sind übrigens auch die Musiker von Mile Me Deaf, die es direkt in die erste Reihe zieht.

 

Höhepunkte der nächsten Tage des poolbar-Festivals sind unter anderem der Auftritt von Little Boots (Discotheque) am Freitag sowie von Kate Nash am Sonntag, der damit das diesjährige FM4-Wochenende abschließt.
Alle Termine auf www.poolbar.at