Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Fritz Jurmann · 03. Jul 2014 · Musik

Pressetag der Bregenzer Festspiele mit einem letzten Update - Kommerziell und künstlerisch ist alles auf Schiene

Drei Wochen vor Beginn der 69. Bregenzer Festspiele am 23. Juli gaben die Verantwortlichen des Festivals am Donnerstagvormittag bei einem Pressetag zahlreichen Medienschaffenden aus dem Bodenseeraum Einblick in die laufenden Proben der beiden Hauptproduktionen am See und im Haus und informierten über den Stand des Kartenvorverkaufs. Alles deutet auf eine erfolgreiche letzte Saison für den scheidenden Intendanten David Pountney hin.

Doppelbödigkeit ist überall spürbar


Wie der Festspiel-Intendant in einer der, von Pressechef Axel Renner moderierten, Gesprächsrunden betont, gelte das heuer gewählte Motto „Wien zartbitter“ nicht nur für die Uraufführung der Hausoper „Geschichten aus dem Wiener Wald“ von HK Gruber, sondern auch für Mozarts „Zauberflöte“. Die Doppelbödigkeit, die gesellschaftlichen Probleme seien da und dort spürbar, in der erstmals vertonten Satire nach Ödön von Horváths Schauspiel ebenso wie im märchenhaften Singspiel am See, das in Pountneys Regie zum Spiegel der Realität wird. Pountey: „Ich sehe auch einen anderen Zusammenhang. Wir haben bei meinem Antritt vor elf Jahren mit Kurt Weills ‚Kuhhandel‘ begonnen, der den Bogen schaffte vom Populären zum Radikalen. Dieser Bogen bedeutete für mich die Identität der Bregenzer Festspiele, und diesen wollen wir heuer mit insgesamt vier Uraufführungen inklusive der KaZ-Schiene erneuern.“

Der kaufmännische Direktor Michael Diem berichtet, dass man nach 28 ausverkauften Vorstellungen der „Zauberflöte“ ohne Regenabsage im Vorjahr heuer aus dem Vollen schöpfen und dem scheidenden Intendanten ein opulentes Programm „in voller Breite und voller Stärke“ ermöglichen konnte, neben den Haupt-Acts mit einer aus zwei Kurzopern bestehenden „Familienoper“ als neuem Bestandteil, einem Puppenstück und einer weiteren satirischen Oper „Gloria von Jaxberg“ von HK Gruber. Bei den erstmals in der Festspielgeschichte angesetzten 29 Vorstellungen der „Zauberflöte“ wurden 220.000 Karten aufgelegt, von denen die erste Halbzeit bereits vergriffen ist. Erst ab 12. August gibt es noch Restkarten.

Papageno erhält eine Vogel-Puppe


David Pountney lüftet als Regisseur des „Spiels auf dem See“ erstmals auch zumindest ein kleines Stück jenes Geheimnisses, was sich denn in seiner Inszenierung der „Zauberflöte“ heuer ändern würde: „Ich hab inzwischen selber bemerkt, wie dumm ich war an einigen Stellen. Bei ‚Tristan und Isolde‘ ist das viel einfacher – der erste Akkord fängt an und das Stück läuft einfach durch. Aber hier sollte man bei jeder der 25 Musiknummern eine neue Idee haben, und da kann man Mängel im zweiten Jahr noch korrigieren. So wird es etwa für Papageno eine neue Vogel-Puppe zu den anderen Puppen geben. Aber bei der ‚Zauberflöte‘ ist man als Regisseur nie fertig – das ist auch eigentlich der Reiz daran.“

Die prominente Wiener Koloratursopranistin Daniela Fally, von der Schauspielerin über das Musical zur Opernsängerin gereift, wird heuer erstmals am See in der gefürchteten, dreifach besetzten Partie der „Königin der Nacht“ zu hören sein: „Es ist eine Freude und unglaublich spannend, hier zu sein. Es wirft einen fast um, wenn man diese Bühne das erste Mal betritt, aber die Crew, die Technik, alles ist hier so fantastisch und gibt einem ein Gefühl der Sicherheit. Die Leute fahren mich in einem gewaltigen Kleid und Kopfschmuck ganz langsam hinauf, sodass man sich an die Höhe gewöhnen kann. Das wird eine aufregende Geschichte!“

Komponist und Dirigent in einem


„Nali“ Gruber ist dann im Festspielhaus als Dirigent seiner „Geschichten aus dem Wiener Wald“ während einer Arbeitsprobe zu beobachten. Die Atmosphäre ist kollegial, dennoch konzentriert. Eigentlich sollte ja Kurt Weill, der Schöpfer der Musik der „Dreigroschenoper“, auch Horváths „Geschichten aus dem Wiener Wald“ vertonen. Dazu ist es nie gekommen, dafür hat HK Gruber als ausgewiesener Weill-Kenner im Auftrag der Festspiele in dreieinhalbjähriger Arbeit diesen Text vertont und wird auch selber die Uraufführung am Pult der Wiener Symphoniker dirigieren. Die Premiere sollte eigentlich bereits vor einem Jahr stattfinden, doch Gruber wurde nicht rechtzeitig fertig und Pountney war der Meinung, „man sollte den Künstlern Zeit geben“. Dafür gebührten ihm, so Gruber beim Pressetag, „alle Preise dieser Welt“.

Gruber weiter in seiner heiter-ironischen Art: „Ich arbeite hier auf einer Baustelle in der Doppelrolle als Komponist und Dirigent und bin damit als Schöpfer meines Werkes auch verantwortlich für dessen Realisierung. David hat mich vorhin gefragt, wie es mir im Moment geht, und ich sagte, wie jemand, der im 15. Monat ist und nochmals neun Monate schwanger sein möchte. Wir sind ein tolles Team und unsere Sänger verstehen, dass es sich hier nicht um eine Belcanto-Oper handelt, sondern um ein Konversationsstück. Die Hauptperson dabei ist Ödön von Horváth, der die Worte geliefert hat, die wir hier zum Klingen bringen. Denn ich bin ein textverliebter und wortklangverliebter Mensch.“ (Siehe dazu auch den Beitrag über HK Gruber in der aktuellen Print-Ausgabe Juli-August der KULTUR).

Wirksamkeit über die Premiere hinaus


Als Librettist führt der erfahrene Michael Sturminger auch Regie: „Ich hatte selten einmal solche Möglichkeiten, ein neues Stück so sorgfältig vorzubereiten, das ist ein Traum. Wir möchten uns in dieser unglaublich tollen Besetzung dafür revanchieren mit einem Opernabend, der die Chance hat, über die Premiere hinaus Bestand zu haben.“ Tatsächlich wird diese Co-Produktion mit dem Theater an der Wien dort im Frühjahr 2015 weitere fünfmal aufgeführt.

Die prominente Salzburger Mezzosopranistin Angelika Kirchschlager, die für diese Produktion gewonnen werden konnte: „Bei uns gibt es keinerlei Eitelkeiten, jeder trägt sehr viel Selbstverantwortung für seine Rolle und alle bemühen sich, das Beste zu geben. Dabei ist das Stück sehr schwer zu singen, man muss sehr viel zählen beim Singen, aber letztlich geht die Musik in Fleisch und Blut über und keiner wird mehr hören, wie schwer wir gearbeitet haben.“

Pountney Abschied wird zelebriert


Zu Pountneys Abschied wird es am letzten Tag der Saison ein Konzert mit dem SOV unter Gérard Korsten geben, u. a. mit Mozarts Singspiel „Der Schauspieldirektor“ in einer textlichen Adaption und unter Mitwirkung des Intendanten. Einen Tag später ist dann eine rauschende Dernieren-Feier geplant. Eine Dokumentation in Buchform mit dem Titel „Der fliegende Engländer“, die sich Pountney als Abschiedsgeschenk gewünscht hatte, ist bereits im Handel.

 

Die Bregenzer Festspiele finden vom 23. Juli bis 25. August 2014 statt. Tickets und Infos unter 0 55 74 / 407-6 und unter www.bregenzerfestspiele.com