Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Peter Ionian · 07. Okt 2012 · Musik

Rock'n'Roll als Hoffnung in einer dunklen Zeit - Billy Talent rockte das Event.Center Hohenems

Einen politischen Abend in Punk und Rock erlebten mehrere tausend Besucher vergangenen Samstag, 06. Oktober im Event.Center Hohenems. Bei Anti-Flag steckt die Attitüde schon im Bandnamen. Da schwingt ganz klar antinationalistischer Punkrock mit. Billy Talent klingt da im ersten Moment unverbindlicher, steht aber im Prinzip für genau dasselbe nur in Rock. Beim gemeinsamen Auftritt im Ländle krachte es dementsprechend. Natürlich nur aus den Boxen, denn ihre Rock'n'Roll Revolution soll friedlich passieren.

Transparente Nationalitäten

Irgendwoher kommen natürlich auch diese Bands und wenn man ihre Beschreibungen durchliest, wird auch immer wieder erwähnt woher. Für das Vorprogramm hat man sich also Landsmänner mitgenommen. Die Arkells sind mit sechs Jahren Bandgeschichte doch noch eine recht junge kanadische Rockband. Und im Vergleich zur Marschgeschwindigkeit der beiden nachfolgenden Bands, waren sie eher gemächlich unterwegs: Etwas zu brav könnte man sagen, aber Kanadier, so wie Billy Talent. Anti-Flag sind Amerikaner. In einer Nation, in der die Fahne so hochgehängt wird, muss wohl irgendwann so eine Band entstehen. Dabei haben auch die nördlichen Musiker-Nachbarn wahrscheinlich auch so ihre liebe Not mit ihrem Heimatstaat. Nicht zuletzt durch die unrühmliche Klimapolitik. Aber sei's drum, wir waren ja nicht bei einem politischen Stammtisch sondern bei einem politischen Punk- und Rockkonzert.

Friedlich die Fahnen zerstören

Im Sommer waren die Pittsburgher Anti-Flag schon mal ganz in der Nähe. Am 10. August spielten sie im Zuge des Kultursommers im Conrad Sohm in Dornbirn. Es war voll und das Publikum war begeistert. Auch diesmal waren wieder bestimmt einige auch ihretwegen gekommen oder zumindest wegen der Kombination. Und sie lieferten dann auch genau das ab, was sich die Fans erwarteten: Waghalsige Jumps auf der Bühne, Megaphonaction und krachende Punknummern. Immer wieder betonten sie, dass sich an diesem Abend alle mit Respekt begegnen sollten. Die universelle Sprache sei jedoch nicht Liebe, sondern ein Circle Pit. Der wurde dann auch in der großen Halle des Event.Centers umgesetzt. Dazu die Sprechchöre: Wenn jemand fällt, dann helfen wir ihm auf. Die vier Musiker, die genauso wie Billy Talent bereits auf 20 Jahre Bandgeschichte zurückblicken können, gaben eine leidenschaftliche Show. Der Sicherheitsgraben vor der Bühne wurde immer wieder überwunden und so schafften sie Nähe und Beziehung zum Publikum. In der ersten Reihe wurde von den jungen Fans eine amerikanische Fahne geschwungen. Dass sie das ironisch meinten, bleibt zu hoffen. Denn für die Band war eines klar: In diesen schwierigen Zeiten sind für Anti-Flag die Besucher solcher Konzerte die große Hoffnung. Und über allem hing die Fahne der Band: Ein Stern aus zerbrochenen Waffen.

Hinter der Bühne

Das Publikum war auch generationsmäßig eher ein zukunftsgestaltendes. Einige erfahrenere Fans waren auch in den Reihen, aber vor allem war es die Jugend. Viele von ihnen sind mit Billy Talent aufgewachsen. Die entsprechende Trilogie Billy Talent 0 bis 3 steht wahrscheinlich bereits in so manchem CD-Regal bzw. wahrscheinlich eher in der Medienbibliothek am Rechner. Als Billy Talent 2007 schon mal im Event.Center zu Gast waren, war das Konzert ausverkauft. Auch diesmal sind wieder viele Fans gekommen und die Halle war locker voll. Dass der Eingang mal wo anders war, stiftete anfangs Verwirrung. Auch der Raucherbereich und ein wandelnder Eingang sorgte für Unsicherheit. Alles in allem hat es aber auch organisatorisch gut geklappt, diesmal spielte auch die Saaltechnik ohne Mucken mit. Die jungen Wilden trugen treu Bandshirts, manche hatten sich sogar extra dafür selbst welche gemacht. Dass davor jedoch zwei Bands spielten und es doch bereits kurz nach zehn war, als Billy Talent die Bühne betrat, bedeutete, dass einigen bereits der Alkohol in den Kopf gestiegen war. Vor dem Gig konnte ich den Billy, der eigentlich Benjamin Kowalewicz heißt, hinter der Bühne beobachten. Er hat sich hochgelevelt, wie man es sich vorstellt. Rumspringen, schreien, singen und sich locker machen. Dann ab auf die Bühne.

Die Show von Billy Talent

Erst war der Vorhang noch unten und das Konzert wurde mit dem Intro der neuen Scheibe "Dead Silence" begonnen. Das neue Album ist jetzt im Herbst erschienen und bringt 14 neue Songs ins Repertoire. Es ist auch die erste CD nach der erwähnten Trilogie. Beim Durchhören des Albums wird klar, dass man sich Zeit genommen hat und alles wohl durchdacht ist. Ein komponiertes Gesamtwerk mit durchaus starken Einzelnummern. Das neue Material ist auch mit sechs Songs ins Programm eingeflossen. Nachdem der Vorhang gefallen war, drückten sie gleich aufs Intro noch die Nummer 2 vom Album hinterher "Viking Death March". An Power haben sie kein bisschen verloren und damit verwebt, ist auch noch immer sehr viel Message. Musik und Meinung werden in einen druckvollen Einklang gebracht. Sie haben ihre Ladung souverän abgeliefert und einen richtig guten Gig hingelegt. Kowalewicz gab sich alle Mühe. Die Songs sind inzwischen noch ne Spur höher gesungen und so reizt er seine schrille Stimme bis zum Anschlag aus. Wettgemacht wird das mit viel Mikrophontechnik, was zwar gut tut, aber manchmal rückte dadurch die Stimme etwas in den Hintergrund. War aber auch eine derart fette instrumentale Druckwolke, die da zusätzlich aus den Boxen krachte. Auch Billy Talent erwähnten auf der Bühne, dass die Zeiten schwierig seien. Für sie ist aber ganz klar der Rock'n'Roll die Hoffnung, denn der wäre immer an unserer Seite.

Verschwitzt in die Nacht

Am Ende badete Gitarrist und Mastermind der Band Ian D'Sa in seinem eigenen Schweiß. Er ist übrigens Inder, wenn wir bei transparenten Nationalitätszuweisungen bleiben wollen. Er hat auch das Fundament gelegt, für das neue Studio und die neuen Songs. Naja, laut Informationen der Veranstalter müsse er sich ja um keine Familie kümmern und hätte somit Zeit, die Hoffnung weiter zu tragen. Aber nicht nur er war völlig durchgeschwitzt, sondern der ganze Saal. Zuletzt sprangen Hunderte begeisterter Fans zu den großen Hits, die natürlich erst in der Zugabe gespielt wurden. Billy Talent II hat sie hervorgebracht. "Fallen Leaves" und vor allem auch "Red Flag" hat bestimmt jeder schon mal irgendwo gehört. Als neue Hitsingle aus dem aktuellen Album wurde "Surprise, Surprise" ins große Finale aufgenommen. Und so endete dieser Abend mit einem Song über die Fahne und demselben Gestank der verschwitzten Menschen aller Nationen.