Temperamentvolle und klangsinnliche Versenkung - Die Tallinn Sinfonietta unter Andres Mustonnen bot gute Unterhaltung
Die Tallinn Sinfonietta spielten beim vierten Abonnementkonzert im Rahmen von „DornbirnKlassik“ zwei Werke der estnischen Komponisten Arvo Pärt und Erkki-Sven Tüür und ermöglichten damit Einblicke in die Klangkultur des Orchesters. Das Klavierkonzert in Es-Dur, KV 271 von W.A. Mozart wurde von der temperamentvollen Pianistin Lisa Smirnova zelebriert. In Haydns Sinfonie Nr. 60 in C-Dur kehrte der musikalische Leiter Andres Mustonen vor allem die komödiantische Seite des Werkes hervor. Das Publikum reagierte begeistert. Die Werkdeutungen wirkten individuell, mitunter jedoch etwas oberflächlich beziehungsweise allzu theatralisch.
Arvo Pärt und Erkki-Sven Tüür machen seit einigen Jahren als Komponisten Furore, weil sie archaische Klangmuster als Grundlage ihrer kompositorischen Ideen verwenden und damit die Menschen unmittelbar ansprechen. „Trigaion“ von Arvo Pärt ist gebetsartig angelegt. Ein atmender Duktus und die homogene Stimmführung verliehen jeder einzelnen melodischen Linie Bedeutung. Dabei kam die Pianokultur des Kammerorchesters gut zur Geltung und es wurde deutlich, dass Andres Mustonen viel Erfahrung mit dieser Art klangflächiger Musik hat.
Einen energetischen Klangfluss baute Erkki-Sven Tüür in „Illusion“ auf, das auf einem schnellen Wechseltonmotiv beruhte. Minimalistisch und teilweise mit tänzerischer Rhythmisierung zeigte sich das Kammerorchester Tallinn gelenkig in der Stimmenausgestaltung.
Impulsive Solistin
Lisa Smirnova ist als Pianistin eine außerordentliche Erscheinung. Energiegeladen und temperamentvoll entschlossen setzte sie sich an den Bösendörfer und eröffnete Mozarts Klavierkonzert. Unmittelbar zog sie die Zuhörenden in ihren Bann, weil sie jeden einzelnen Ton gewichtete und ihm einen individuellen Charakter im Gesamtzusammenhang verlieh. So gab es wenig Beiläufiges und viel Spannkraft zwischen Themen, Motiven und Tönen. Lisa Smirnova deutete die Musik zudem mit einer impulsiven Körpersprache und ganz im Dialog mit der Musik. Auf diese Art gelang der vielfach ausgezeichneten Pianistin eine ausdrucksstarke Werkdeutung, die vor allem von der differenzierten Anschlagskultur lebte. Allzu theatralisch überhöht wirkten jedoch einige Passagen, vor allem im langsamen Satz.
Das Orchester stellte sich in den Dienst der Pianistin, hatte nach einem holprigen Einstieg Mühe sich wieder zu finden und ließ vor allem im Hinblick auf die Intonation Wünsche offen.
Musikalische Komödie
Haydns Sinfonie Nr. 60 in CD Dur, Hob. I:60 mit dem Beinamen „Der Zerstreute“ ist ein humorvolles Werk, das viel mehr Schauspielmusik als eine Sinfonie ist. Gleich zu Beginn öffnete sich ein akustischer Vorhang mit Dreiklangszerlegungen, sodann entwickelte sich eine mitteilsame Musik, die vor allem durch unvermittelte Kontraste sowie dynamische Gegensätze wirkte. Anspielungen an höfische Tänze, Anklänge an folkloristische Liedmotive aus Osteuropa und der Türkei boten in den Mittelsätzen beste Unterhaltung. Haydns klangsinnliche und zugleich bildhaften musikalischen Szenerien gestaltete Andres Mustonen kraftvoll und mit viel Elan aus. Teilweise wirkten die Themenführungen etwas übereilt und in sich nicht ganz abgerundet. Dies tat jedoch der mitreißenden Musizierart keinen Abbruch. Das Publikum genoss das Konzert und die anregende Werkauswahl.