Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Silvia Thurner · 29. Okt 2012 · Musik

Virtuose Klippen und sinnenreiche Abgründe – Martin Schelling und das „ensemble plus“ gestalteten ein rundum gelungenes Kammerkonzert

Das Ambiente in der Kapelle des St. Josefsklosters in Lauterach bot einen stimmungsvollen Rahmen für ein Kammerkonzert, in dessen Mittelpunkt der Klarinettist Martin Schelling und die Uraufführung des neuen Werkes „Canti Notturni“ von Richard Dünser stand. Überdies musizierten Hannah Weirich, Anita Martinek, Andreas Ticozzi und Jessica Kuhn die „Gibbon Gesänge“ von Gerold Amann. Die beiden neuen Werke wurden von einem theatralisch aufgeputzten Klarinettenquintett des italienischen Komponisten Giaccomo Meyerbeer und einem virtuos angelegten Klarinettenquartett des finnischen Komponisten Bernhard Crusell umrahmt.

Martin Schelling und Richard Dünser verbindet eine langjährige Freundschaft. Die „Tage- und Nachtbücher“ komponierte Richard Dünser im Auftrag des Klarinettisten, nun widmete der Komponist sein neuestes Werk, die „Canti Notturni“, Martin Schelling. Die Musik ist Martin Schelling und seinem Bassetthorn auf den Leib geschrieben. Sicher auch deshalb wirkte die Uraufführung dieses eindringlich komponierten Werkes in sich überaus stimmig und abgerundet.

Lieder der Nacht

Gedichte von Giacomo Leopardi, Niklas Lenau, japanische Haikus und die Schubertvertonung eines Gedichtes von Wolfgang von Goethe sowie die sonoren Klangqualitäten des Bassetthorns inspirierten Richard Dünser bei der kompositorischen Arbeit der "Canti Notturni". Allein der Titel weist darauf hin, dass ‚Lieder der Nacht’ bzw. ‚Nachtlieder’ gemeint sind und so legte Richard Dünser auch die Stimmen an. Über weite Strecken breitete das Streichquartett einen Klanggrund aus  und schuf ein musikalisches Ambiente, in das die melodischen Linien des Bassetthorns eingebettet erklangen. Spannungsgeladene, aus tiefen Lagen aufsteigende Gebilde, aufgewühlte Passagen und fantasiereiche Übergänge trieben den musikalischen Fluss vorwärts und setzten viel Energie frei. Dazwischen gelagert wurden klangsinnliche, ruhige Felder, teilweise mit irisierenden Spaltklängen gestaltet. Die feinsinnige Anspielung auf Schuberts „Gesang der Geister über den Wassern“ und der darin vertonte Goethe-Text „Seele des Menschen, wie gleichst du dem Wasser! Schicksal des Menschen, wie gleichst du dem Wind!“ verlieh dem aussagekräftigen Werk eine besondere Note.

Einverständnis

Martin Schelling und die Streichquartettmusiker waren hervorragend vorbereitet und stellten sich ganz in den Dienst der Werkdeutung. So verströmten der konzertant angelegte Part des Bassetthorns und der über weite Strecken orchestral gesetzte Streichersatz eine große Wirkung.

Musikalische Kommunikation

Die „5 Gibbongesänge“ für Streichquartett von Gerold Amann entwickelten sich musikalisch zwischen menschlichen und tierischen Sprachgebärden. Die gut aufeinander abgestimmten StreichquartettmusikerInnen entfalteten die Dialoge von fünf Affenpaaren körperhaft, so dass sich die unterschiedlichen Aussagegehalte in den einzelnen Abschnitten mitteilsam herauskristallisierten. Frage und Antwort, energisches Beharren auf einen Standpunkt, das einander Angleichen und In-Frage-Stellen waren einige kommunikative Muster, die in diesem Werk gut zur Geltung kamen. Die MusikerInnen ließen sich auf die Musik hervorragend ein und boten eine inspirierte Werkdeutung.

Geistreiche Musizierart

Den Rahmen für die beiden Werke des 21. Jahrhunderts bildete Kammermusik für Klarinette und Streicher, die selten zu hören ist. Theatralisch und mit großen Gesten wurde der Konzertabend mit Meyerbeers Klarinettenquintett eröffnet. Den Abschluss bildete das Klarinettenquartett in Es-Dur von Bernhard Crusell. Martin Schelling spielte den Klarinettenpart virtuos. Verzierungen, akrobatische Akkordzerlegungen, Trillermotive, raumgreifende melodische Linien und aufreizende dynamische Kontraste zogen die Zuhörenden in ihren Bann. Die QuartettmusikerInnen musizierten an der Seite von Martin Schelling nicht weniger engagiert, so dass in sympathischer Spiellaune ein anregendes Konzerterlebnis die Sinne belebte.