Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Silvia Thurner · 04. Aug 2014 · Musik

Wenn schon Sitcom, dann doch lieber im Fernsehen - „Das Leben am Ende der Milchstraße“ von Bernhard Gander

Die erste drei Teile der Sitcom-Oper „Das Leben am Ende der Milchstraße“ von Bernhard Gander wurden im Rahmen der „Kunst aus der Zeit“ bei den Bregenzer Festspielen uraufgeführt. Das Projekt als Ganzes hinterließ einen zwiespältigen Eindruck. Auf der einen Seite verdienen das Ensemble PHACE unter der Leitung von Simeon Pironkoff sowie die Sängerinnen und Sänger höchste Anerkennung. Auch die Musik von Bernhard Gander bot einigen Unterhaltungswert. Andernteils beinhalteten die Texte eher wenige Pointen und die Regie war lediglich zweckmäßig.

Groß angekündigt wurde die Uraufführung des neuen Musiktheaterwerkes von Bernhard Gander, das im Auftrag von „Wien modern“ entstanden ist, als „gezielter Versuch, dem Format Oper/Musiktheater im Zusammenwirken mit der Regie einen neuen, originellen Impuls zu verleihen". Ein neues Format, nämlich die Verbindung des Fernsehformats Sitcom mit der Oper, sollte entstehen. Selbstverständlich lassen sich Verbindungen und Beziehungen zwischen diesen so unterschiedlichen künstlerischen Gattungen relativ leicht auf dem Papier formulieren. In der Praxis sind sie jedoch nicht von Bedeutung, das zeigte sich bei den Aufführungen in der Bregenzer Werkstattbühne.

Originelle Büromitarbeiter


Der Plott zum „Leben am Rande der Milchstraße“ war reizvoll angelegt. Im „European Bureau for Future“ (EBF) arbeiten Menschen, die eine sehr kreative Arbeitsauffassung haben und ihre persönlichen Interessen mit in den Büroalltag hineintragen. Von einem Beauftragten aus Brüssel und seiner Assistentin sollte nun die Qualität der Arbeit im EBV evaluiert werden. Ganz den Vorstellungen einer Sitcom entsprechend, waren die Charaktere klischeehaft gezeichnet. In ihren Rollen überzeugten alle Sängerinnen und Sänger, Bibiana Nwobilo (Yumi), Bernhard Landauer (Kevin), Nicholas Isherwood (Jürgen), Benjamin Appl (Leo), Therea Dlouhy (Imogen) und Anna Clare Hauf (Donatella), durch ihr Bühnepräsenz und die sängerischen sowie darstellerischen Qualitäten.

Dem Text dienend


Es war für den Komponisten wohl kein leichtes Unterfangen, die Texte von Johannes Heide und Christa Salchner zu vertonen, denn oberstes Prinzip war die Textverständlichkeit. Neben den Sprechpassagen wurden die gesungenen Texte meistens in einem rezitativischen Ton, teilweise auch als Rap vorgetragen. Nur an wenigen Stellen entwickelten sich musikalische Passagen, die nicht am Sprachrhythmus orientiert waren. Die handelnden Personen zeichnete Bernhard Gander leitmotivisch nach, zwar konzipierte er die charakterisierenden Themen und Motive etwas plakativ, aber durchaus wirkungsvoll. Vor allem im ersten Teil kamen diese auch gut zur Geltung.

Beispielsweise spiegelte sich Jürgens Desinteresse gegenüber seinem Job insofern wider, als er in sehr tiefen, absurd langsam vorgetragenen Linien mit wenig Tonhöhenunterschieden sang. Die ehrgeizige Assistentin Imogen wurde musikalisch durch eine chromatisch fallende Linie und mit resolut aufsteigenden Tonschritten dargestellt. Die „Revoluzzerin“ Yumi hatte einige waghalsige Koloraturen in einem ungestümen Duktus zu bewerkstelligen. Große melodische Gesten und weite Tonschritte sollten das aalglatte Selbstbewusstsein von Leo darstellen und die künstlerische Note von Kevin wurde durch die sprunghaften Tonlinien und den unterschiedlichen Stimmregistern des Countertenors dargestellt. Lediglich die Rolle der Donatella blieb, eben weil sie die eher unspektakuläre „Büromama“ zu verkörpern hatte, eher blass.

Tiefe Register schaffen die Grundlage


Die oft in tiefen Registern unterlegten melodischen Linien, gut instrumentiert mit Saxofon (Joel Diegert), Kontrabassklarinette (Reinhold Brunner), Schlagwerk (Berndt Thurner), Violine (Ivana Pristasova), Cello (Roland Schueler), Kontrabass (Maximilian Ölz) und E-Gitarre (Yaron Deutsch) bewirkten ein starkes, Rhythmus betontes Fundament und ergänzten sich gut mit den Zuspielungen. Die Musik von Bernhard Gander transportierte das Ensembe PHACE unter der Leitung von Simeon Pironkoff gut.

Schnell verflüchtigte sich jedoch die Wirkung der Leitmotive und der musikalisch-rhythmischen Textunterlegungen, weil sich die zugrunde gelegten Ausgangsideen allzu oft wiederholten. Vor allem der zweite Abschnitt bot wenig Anreize. Dass die Europahymne dann auch noch als Zitat herhalten musste, verstärkte den etwas bemühten Eindruck dieser zweiten Geschichte noch dazu.

Wo liegen die Pointen?


Es liegt in der Natur der Sache, dass die Sitcom von den inhaltlichen Pointen lebt, doch als Ganzes betrachtet wirkten die Texte von Johannes Heide und Christa Salchner auf mich eher fad. Auch wenn sich das Niveau der Sitcoms auf diesem Level bewegt, gleichen der Schlagabtauch, schnelle Schnitte und absurde Wendungen dies aus und es stellt sich eine Situationskomik ein. Doch dazu kam es im Büro des EBF  nicht. Die Musik und die gesungenen Worte nahmen dem Sprachfluss das Tempo. Hier zeigte sich meiner Meinung nach auch der Widerspruch, der in der Idee zu einer Sitcom-Oper liegt, denn beide Gattungen orientieren sich an unterschiedlichen Zeitmaßen. Auch die Regie hielt dieser Diskrepanz nichts entgegen. Nicola Raab inszenierte das Werk auf das Wesentliche reduziert und zweckmäßig, aber mit wenig satirischer Überhöhung.

Launige Vergleiche


Im dritten Abschnitt schien es, als ließe zumindest der Komponist Bernhard Gander die zugrunde gelegte Vorgabe beiseite und so entwickelte sich eine amüsante und erfreulich ‚durchgeknallte’ Passage, in der die Büroangestellten mitsamt den Abgesandten aus Brüssel Halloween feierten. Der überdrehte Wettbewerb und die Frage, welche Musik Kürbisse schneller wachsen lässt, bot eine Plattform auch für humorvolle musikalische Vergleiche und Konfrontationen. Die symphonischen Zuspielungen und die Live gespielten Passagen ergänzten sich gut und endlich stellte sich der lang ausgebliebene Drive dann doch noch ein.

Aus sieben Episoden besteht das Werk „Das Leben am Ende der Milchstraße“. Einige mögen Lust bekommen haben, im Rahmen von "Wien modern" im kommenden Herbst alle sieben Folgen zu erleben. Ich habe mit den gezeigten drei Episoden genug gesehen.