Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Peter Füssl · 01. Nov 2014 · Tanz

Schuaplattla, Kensög & Aperpeitschn - Simon Mayer begeistert beim tanz ist Festival am Spielboden mit seiner kreativ-witzigen Kombination aus Traditionellem und zeitgenössischer Performance-Kunst

„Homeland“ lautet das Motto für den Herbst-Durchgang des tanz ist Festivals am Dornbirner Spielboden. Im Fall des 30-jährigen Ausnahmetänzers Simon Mayer bedeutet das die Auseinandersetzung mit seiner Kindheit auf einem oberösterreichischen Bio-Bauernhof. Für die 60-minütige Performance, die weit über den üblichen Rahmen einer zeitgenössischen Tanzveranstaltung hinausging, erntete der vielseitige Solo-Künstler heftigen Applaus.

Die Bewegung bringt Licht ins Dunkel


Am Anfang war der komplette Saal für eine nach den gängigen Maßstäben des gestressten Alltagsmenschen unendlich lange Zeit in absolute Finsternis getaucht, ehe sich langsam steigernde Naturgeräusche die Zuschauer abholten und in die Welt des Simon Mayer entführten. In dieser drehte sich, nachdem zögerlich Licht ins Dunkel kam, zuerst einmal alles im Kreise, und zwar in einem Abwechslungsreichtum, der auch manch erfahrenen Derwisch verblüfft hätte. Zuerst gab sich Mayer das Tempo durch die eigenen von großer Anstrengung zeugenden Atemgeräusche vor, dann klatschte er sich den Rhythmus auf die zunehmend röter werdenden Oberschenkel und Fußsohlen. Mit dem „Schuaplattla“ riss er sich Räume auf, lief, trabte, galoppierte über den Tanzboden auf unsichtbar angelegten rechteckigen Wegen, stieß an Grenzen, schuf sich Raum mit der Aperpeitschn. Im fulminanten Wirbel vermischte sich das Tanzvokabular – archaisch Traditionelles aus dem Alpenland, klassische Schritte aus dem Staatsopernballett und Avantgardistisches aus den Ensembles von Anne Teresa de Keersmaeker oder Wim Vandekeybus. Das künstlerische Spannungsfeld auf der Suche nach der eigenen Identität löst sich in ein perfektes Neben- und Miteinander auf.

Jodeln jenseits der Lederhose


Simon Mayer verfügt auch über musikalische Talente, spielt Geige und jodelt jenseits der Lederhose, denn die gesamte Aufführung wird in völliger Nacktheit absolviert. Geschickt wird live Gesungenes und Gespieltes mit Bandmaterial kombiniert. Gerätschaften vom Bauernhof werden in die Noise-Konstruktionen integriert – Peitschen, Axt, Handsäge, schließlich die Motorsäge. Nicht brachial à la Kettensägenmassaker, sondern mit Witz und Charme und konstruktiv. Denn am Schluss wartet nach all den schweißtreibenden Aktivitäten die Idylle – zu schön, um wahr zu sein, wie das letzte auf der Sunbeng, der Sonnenbank, gesungene Gstanzl schon erahnen lässt.

 

tanz ist Festival „HOMELAND“

Simon Mayer
„SunBengSitting“
Sa 1.11., 20.30 Uhr

„Erwachen aus dem Schicksal – Hommage to Edmund Kalb“
Doku von Stephan Settele  
Di, 4.11., 19 u. 20.30 Uhr

Günter Marinelli
„ENTkalben – Annäherung an Edmund Kalb“
Mi, 5.11., 20.30 Uhr

Rudi van der Merwe
„Celestial Spunk“
Sa, 8.11., 20.30 Uhr

Spielboden Dornbirn

www.spielboden.at
www.tanzist.at