Neu in den Kinos: "Die Unschuld" (Foto: Wild Bunch Germany/Plaion Pictures)
Dagmar Ullmann-Bautz · 01. Mai 2014 · Theater

Auch mit gestutztem Giftzahn ein bissiges Vergnügen - Bernhards "Holzfällen" am Vorarlberger Landestheater

Dass ein Bernhard auch mit einem vor allem in zeitlicher Hinsicht stark zurückgefeiltem Giftzahn noch ordentlich zubeißen kann und Wunden aufzureißen vermag, bewies das Vorarlberger Landestheater mit der gestrigen Premiere von Thomas Bernhards Stück "Holzfällen".

Die Veröffentlichung des Romans "Holzfällen. Eine Erregung" löste 1984 einen Skandal aus, da sich ein befreundeter Komponist zu erkennen glaubte und Ehrenbeleidigungsklage gegen Thomas Bernhard einreichte. "Holzfällen. Eine Erregung" ist die minutiöse Betrachtung eines von einem älteren Künstlerehepaar zu Ehren eines Burgschauspielers veranstalteten künstlerischen Abendessens in Wien. Ein Schriftsteller tritt als kritischer Beobachter auf, der alles, wirklich alles, rücksichtslos auseinandernimmt, schonungslos demontiert und kommentiert, inklusive seiner eigenen Person.

Bearbeitet und aktualisiert


Das Vorarlberger Landestheater präsentierte gestern die Premiere von "Holzfällen" nach dem Roman von Thomas Bernhard in der Dramatisierung von Margarete Aman, deren Bühnenfassung wiederum von Regisseurin Annegret Ritzel und dem Dramaturgen und Hauptdarsteller Dirk Diekmann bearbeitet und aktualisiert wurde.

Staatskünstler


"Holzfällen. Eine Erregung" ist die Abrechnung mit einem verlogenen Kulturbetrieb. Das Stück beleuchtet Karrieren von Künstlern, die in ihren 20er und 30er-Jahren vielleicht noch eine skeptische Haltung gegen Staat und Gesellschaft vertraten, sich im Laufe ihrer Karriere jedoch immer weiter verkauften, um sich letztlich als sogenannte „Staatskünstler“ Auszeichnungen anheften zu lassen und sich staatliche Gelder zu sichern. Bernhard ereifert sich über Künstler, die in ihrer Kunst, trotz vorgetäuschter höherer Ambitionen, immer niedrig, immer kleinbürgerlich geblieben sind, über Künstler, die sich mit einer nicht gerechtfertigten Aura selbstgefälliger Hybris umgeben.

Beeindruckende Schauspieler


Es ist ein großartiger Genuss dem Schauspieler Dirk Diekmann zuzusehen, mit welcher Empathie, mit welcher Emotionalität er sich auf die Figur des Schriftstellers einlässt, sich mit der Figur spielt und dieses Spiel sichtlich genießt. Auch Andreas Weißert als Burgschauspieler weiß sich in Szene zu setzen, köstlich zu utrieren und dabei genau auf dem Punkt zu bleiben.

Künstler als Ausstellungsstücke


Gastgeber und Gäste werden von Regisseurin Annegret Ritzel gemeinhin zu Statisten degradiert, Figuren, die Ausstatterin Andrea Hölzl auf einem Ausstellungspodest zur Betrachtung auf- und ausstellt. Es sind alte, verstaubte Kunstgegenstände einer längst vergangenen Epoche, Museumsstücke, für die sich keiner mehr interessiert, die sich hier zur Schau stellen. Mit großer Präsenz tritt Doris Buchrucker als Autorin Jeanie Billroth aus diesem Zirkel wie auch Barbara Camenzinds, deren kabaretthafte Darstellung der Frau Auersberg bisweilen übers Ziel hinausschießt. Ihr Gemahl, Herr Auersberg, wird von Roland Ettlinger, einem sehr talentierten Amateurschauspieler, dargestellt. Auch in weiteren Rollen, als Gäste und Hausangestellte, wissen Laiendarsteller aus den hauseigenen Theaterclubs durchaus zu überzeugen – Andrea Streibl, Sandra Loser, Isabella Degenhart, Christina Gasser, Willi Kiesenhofer, Andrea Schwabl und Ernst Walser.

Schärfe und Klarheit


Leider verliert sich die Bregenzer Inszenierung ein wenig in spielerischer Opulenz und büßt somit etwas an Bernhardscher Schärfe und Klarheit ein. So fehlt auch das von Bernhard so grandios beherrschte Mittel der ständigen Wiederholung, die den Leser, den Zuseher regelrecht zwingt, jede Beobachtung mitzuverfolgen.

Vom Publikum bejubelt


Am Ende eines Theaterabends, der dank der herausragenden Leistung des Hauptdarstellers Dirk Diekmann durchgehend Spannung und Tempo auf höchstem Niveau bot, wurde der aus Bregenz scheidende Schauspieler und Dramaturg zu Recht vom Publikum heftigst umjubelt.