Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Dagmar Ullmann-Bautz · 28. Sep 2013 · Theater

Aufgemotzt und dennoch brisant - "Mutter Courage" am Vorarlberger Landestheater

Gestern erlebte das Bregenzer Publikum am Vorarlberger Landestheater einen Theaterabend, der viele Fragen aufwarf, Fragen nicht nur inhaltlicher Natur. Intendant Alexander Kubelka inszenierte zum Saisonauftakt Bertold Brechts topaktuelles Stück „Mutter Courage“ als zeitloses Spektakel ohne allzu großen Tiefgang und bisweilen mit mangelnder Detailgenauigkeit - teilweise der sicherlich zu kurzen Probenzeit geschuldet.

Bertold Brecht schrieb das Drama 1938/39 im schwedischen Exil. Die Handlung spielt während des Dreißigjährigen Krieges zwischen 1624 und 1636, durchwoben mit Brechts Anspielungen auf den Nationalsozialismus und in der Erwartung eines neuen großen Krieges. Das Stück erzählt die Geschichte der Marketenderin Anna Fierling, genannt Mutter Courage, für die der Krieg ein Geschäft ist und der Profit im Mittelpunkt ihres Seins steht. Begleitet von der stummen Tochter Kattrin und den beiden Söhnen Eilif und Schweizerkas zieht sie dem Krieg hinterher, immer dorthin, wo sie glaubt, das beste Geschäft machen zu können. Nach und nach verliert sie alles, selbst ihre Kinder, doch nicht einmal dies kann sie aufhalten. Und so zieht sie weiter, immer weiter mit dem einzigen Gedanken, so schnell wie möglich nur wieder ins Geschäft zu kommen.

Eindrückliche und komplexe Musik

Die Uraufführung von „Mutter Courage“ fand 1941 in Zürich statt, damals mit der Musik des Schweizer Komponisten Paul Burkhard. Auf Verlangen Brechts, der unzufrieden damit war, kam im Weiteren Paul Dessaus musikalische Schöpfung zur Aufführung. Bis zum gestrigen Abend jedenfalls, denn das Vorarlberger Landestheater konnte die Rechte für Paul Burkhards Komposition erwerben, die gestern live von 5 Musikern, Arndt Rausch, Andreas Wachter, Damian Keller, Florian Ess und Pamela Bereuter, instrumentiert wurde. Als der sehr schönen, sehr eindrücklichen, sehr komplexen Musik stimmlich nicht immer gewachsen, erwies sich das Schauspielensemble am Premierenabend.

Wenig Prägnanz und Schärfe

Viele, allzu viele Ideen den Brechtschen Text zeitgemäß umzusetzen, zum Teil ungenau ausgearbeitet, nahmen dem Theaterabend die so notwendige Dichte. Nicht nur manche Szenen wirkten unausgereift, auch einige der Figuren vermittelten Unsicherheit, wodurch die eigentlich zwingende Prägnanz und Schärfe auf der Strecke blieb.

Adelheid Bräu meisterte die Anstrengung, ihrer Mutter Courage die nötige Ausstrahlung, Kraft und Intensität zu verleihen, immer wieder in Ansätzen, doch eben nicht durchgängig. Lukas Kientzler, als Eilif, strotzte nur so vor Kraft und Kampfgeist, während Daniel Frantisek Kamen dem jüngeren Schweizerkas die erforderliche und geniale Mischung aus Zerbrechlichkeit und Zähigkeit verlieh. Spannend, ergreifend und mit einer durchgehend starken Präsenz war Alexandra Maria Nutz in der Figur der stummen Tochter Kattrin zu sehen und zu erleben – sehr schön!

Einfaches Bühnenbild - schräge Kostüme

Das Bühnenbild von Carlo Baumschlager und Ingrid Amann, zwei riesige Regale auf Rädern im bis zur Rückwand offenen Bühnenraum, besticht durch seine Einfachheit und Funktionalität. Gewohnt gekonnt zauberte Arndt Rösler beeindruckende Stimmungen mit seinen Licht- und Schattenspielen. Andrea Hölzl hat die Schauspieler angezogen, durchdacht, schräg, witzig, aber manchmal leider ein wenig aufgesetzt und überdreht, wenn beispielsweise der Koch als lebendes Zitat aus „Fluch der Karibik“ daherkommt.

Doch eines muss man sagen: Langweilig war es selten in den gut dreieinhalb Stunden und das Publikum war am Schluss auch nicht zu müde, um sich mit großem Applaus zu bedanken.