Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Quiet Girl (Foto: Polyfilm Verleih)
Walter Gasperi · 14. Nov 2010 · Theater

„Hey, hey, ich bin der Lebkuchenmann“ – Liebevoll gemachtes und sehr unterhaltsames Weihnachtsmusical am Vorarlberger Landestheater

Unruhe herrscht in der Küche: Der Herr der Kuckucksuhr hat seine Stimme verloren. Über kurz oder lang wird das unweigerlich zur Entsorgung des nutzlos gewordenen Gegenstands führen. Doch Herr Salz, Fräulein Pfeffer, Lebkuchenmann und schließlich auch noch der verbitterte letzte Teebeutel spannen in David Woods Kindermusical „Der Lebkuchenmann“ zusammen um das Unheil abzuwenden. Mit Tempo und Einfallsreichtum von John Lasseters „Toy Story“-Trilogie kann es die Produktion des Vorarlberger Landestheaters zwar nicht aufnehmen, bietet aber nicht zuletzt dank der Spielfreude der Darsteller abwechslungsreiche und sehr kindgerechte Unterhaltung.

Den Schock beim Betreten des Theatersaals muss man zunächst mal verdauen: Liebevoll ist zwar die Küche, die der einzige Schauplatz bleiben wird, irgendwie im Retro-Stil und teilweise auch geschickt reduziert eingerichtet (Bühne: Cornelia Brey), aber die Zündholzschachtel in der Mitte mit dem unübersehbaren Grünen-Tannen-Logo einer Lebensmittelkette – oder soll das einfach an Weihnachten erinnern? - ist schon ein kühner Akt von Product-Placement. – Kommentar der zehnjährigen Nichte dazu nach der Vorstellung: „Hat der Konzern doch hoffentlich dafür bezahlt, sonst ist das ungerecht gegenüber anderen Lebensmittelketten.“

Bezahltes Product-Placement oder Hilferuf an Subventionsgeber?

Mit Honigbonbons, deren Produzent offiziell als Sponsor auf dem Programmfolder genannt wird, und dem Satz „sagt der Hausverstand“ auf einem Papierschiffchen werden im Laufe des Theaternachmittags weitere Eye-Catcher in diese Richtung positioniert: Bezahltes Product-Placement, Verweis darauf, dass auch Kinder schon mit solcher Werbung aufwachsen oder unverhohlener Wink mit dem Zaunpfahl an die Subventionsgeber, dass man aufgrund budgetärer Probleme schon zu solchen Mitteln greifen muss, um Produktionen finanzieren können? – Mit einer Nachfrage könnte man eine solche Frage selbstverständlich schnell klären, doch ein Stück muss sich selbst erklären und für den normalen Zuschauer – in diesem Fall auch noch vorwiegend Kinder – dürfte der Eindruck gezielter Werbung bleiben oder die unterbewusst aufgenommene Werbung wirken.

Ebenso kluge wie charmante Regieeinfälle

Das ist ein Schatten, der über Steffen Jägers Inszenierung von David Woods 1977 uraufgeführtem Kindermusical liegt. Davon abgesehen vermag das Stück aber, wie der begeisterte Beifall am Schluss und teilweiser Szenenapplaus bewiesen, durchaus zu gefallen.
Die ganze Handlung spielt zwischen Mitternacht und Morgen, wenn die Küche Herr von Kuckuck (Alexander Julian Meile), Herr Salz (Martin Olbertz) und Fräulein Pfeffer (Olga Wäscher) gehören. „Die Großen“ schlafen, melden sich dazwischen nur im Schattenspiel zu Wort, wenn plötzlich das Radio angeht oder man eine Maus (Mario Plaz) hört. Dieses Schattenspiel ist nicht der einzige kluge Regieeinfall, der für Abwechslung und Charme sorgt. Dialoge wechseln mit Gesang- und Tanzeinlagen und daneben gibt es auch wortlose, akrobatische Clownnummern. Für Witz sorgen auch feine Sprachspiele, wenn beispielsweise Herr von Kuckuck "die Stimme verloren hat", der Lebkuchenmann statt „nicht gut gebaut“ „nicht gut gebacken“ ist oder die Maus ihn „zum Fressen gern hat“. Schmunzeln lässt auch die dialektale Differenzierung mit dem schweizerischen Herrn von Kuckuck und dem norddeutschen Seemann Herr Salz.

Spielfreudiges Ensemble und eigenwilliges junges Publikum

Von der Geschichte her erinnert die Entsorgung von nicht mehr gebrauchten Gegenständen, vom Zusammenschluss der Schwachen und der Überwindung der Gefahren selbstverständlich stark an John Lasseters erst rund 18 Jahre nach Woods Stück begonnener „Toy Story“-Trilogie. Wie eine entschleunigte Version dieser fulminanten Animationsfilme wirkt diese Theateraufführung und kann beispielsweise auch nicht den fantastischen Reichtum eines „Ponyo“ von Hayao Miyazaki bieten, der um ähnliche Themen kreist, besticht dafür aber durch liebevolle Details und die Spielfreude des Ensembles.
Geschlagen geben muss sich jede Animationsfigur wenn Olga Wäscher als Fräulein Pfeffer „Ich bin scharf“ singt, die Post geht so richtig ab, wenn Andreas Jähnert als Lebkuchenmann den Titelsong anstimmt, das Streichholz zum Mikrofon wird und Pfeffer und Salz auf der Kuckucksuhr tanzen. Heide Capovilla muss als alter Teebeutel aus dem inneren Gefängnis der Verbitterung befreit werden und die Maus, die dem Lebkuchenmann so gern „an den Magen“ statt „Kragen“ möchte, muss auch noch gefangen werden.
Dazu braucht es freilich die Hilfe des Publikums, das für einen Clou sorgen kann, wenn es die Handlung wie bei der Premiere in eine ganz andere Richtung treiben will, als von der Regie geplant. Aber irgendwie bringt´s Fräulein Pfeffer mit ihrem Charme dann doch hin, dass letztlich auch die kleinen Besucher nach ihrer Pfeife tanzen.