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Dagmar Ullmann-Bautz · 15. Jul 2016 · Theater

Ein freudvolles Theatererlebnis – Shakespeare am Berg

Es ist Donnerstag, der 14. Juli, eigentlich Hochsommer, doch in der Bergarena Muttersberg herrschen Feuchtigkeit und beißende 5 Grad. Aber schon nach wenigen Minuten hat man die Kälte fast vergessen. Die Musik, das Bühnenbild, eingetaucht in zauberhafte Lichtstimmungen, das großartige Spiel der Schauspielerinnen, all das entschädigt für die kalten Ohren, Hände und Füße. Und so haben die BesucherInnen, die dem Wetter trotzen, um die Premiere von „Romeo und Julia“ des Freilichttheaters „Shakespeare am Berg“ zu sehen, ihr Kommen wohl keine Sekunde bereut.

Spannende Auseinandersetzung


Nach „Macbeth“ ist „Romeo und Julia“ die zweite Produktion der Künstlerinnen und Künstler um Thomas A. Welte und Benjamin Obholzer in der Bergarena Muttersberg. Der letztjährige Sommer war natürlich ideal für Freilichttheater, heuer war dies bisher leider nicht der Fall. Dem Shakespeare-am-Berg-Team ist es aber zu wünschen, dass sich der Wettergott ihnen künftig noch gnädig erweisen werde. Ganz viel ambitionierte Arbeit, Leidenschaft und Liebe für das Theater stecken spürbar in diesem Projekt, das die Vorarlberger Theaterlandschaft durchaus bereichert. Hier wird nicht einfach nur Shakespeare inszeniert, hier findet eine spannende Auseinandersetzung mit den Stücken und Themen Shakespeares statt.

Zeitgemäß und prickelnd


Thomas A. Welte hat „Romeo und Julia“ neu übersetzt und auch manches modernisiert, um doch immer wieder zu Shakespeares Sprache zurückzukehren. Ein spannendes und wahrlich gelungenes Unterfangen. Die Idee, die Figuren Romeo und Julia zu vertauschen und den streitenden Parteien ein neues Format zu geben, macht den Theaterabend zeitgemäß und prickelnd. Der Familie Capulet steht mit den Montagues nicht eine menschliche Familie gegenüber, sondern Fabelwesen, etwas Andersartiges, etwas Fremdes, das Angst macht. Welte trifft damit genau ins Schwarze ohne platt zu sein. Und wenn Romeo auf dem Balkon steht und Julia zu ihm hinaufklettert, hat das etwas unheimlich Charmantes und Kämpferisches zugleich.

Beeindruckendes Bühnenbild


Der Architekt Benjamin Obholzer gestaltete aus Baugerüsten ein Bühnenbild mit mehreren Ebenen, behängt das kalte Metall mit leichten weißen Stoffen und schaffte damit Räume, Licht- und Projektionsflächen, die den Figuren, den Schauspielern viele Begegnungsmöglichkeiten bieten. Behände nutzen die Schauspielerinnen diese Optionen.

Großartige Schauspieler


Michaela Spänle gibt eine ganz wunderbare Julia, ihr emotionales Spektrum ist enorm. Die Depression und Lebensunlust ist erdrückend, die aufblühende Liebe schwingt gewaltig hoch und wird vom Schmerz des Verlustes in tiefste Tiefen gezogen – ein Erlebnis. Tim Engemann verblüfft mit seiner Wandlungsfähigkeit schon in der ersten Szene, als er zwei Diener gleichzeitig spielt und  auch in den drei weiteren Rollen, besonders als Mercutio und als Pater Lorenzo, die er beide mit herrlich viel Witz und Comic präsentiert. Auch Anne Noack überzeugt gleichermaßen als streitbarer Tybalt wie auch als besorgte und herrlich amüsante Amme und laszive Gräfin Paris. Mit seiner ungeheuren Sanftmut, die im Widerspruch zu seiner imposanten Gestalt steht, überrascht Philipp Scholz, der damit dem Romeo seine außergewöhnliche Ausstrahlung verleiht. In der Figur des Benvolio und, kaum wiederzuerkennen, als Vater Capulet zeigt Rebecca Selle ihr Können.

Gelungene Zusammenarbeit


Die sowohl fantasievollen als auch durch ihre Einfachheit bestechenden Kostüme wurden von Nicole Wehinger entworfen und angefertigt. Anne Thaeter hat einen wunderbaren Liebestanz choreographiert. Die Musik von Wolfgang Dorninger unterstützt die Geschichte mit jedem Ton und das Licht von Jan Wielander und Angelyn Baer erzeugt Stimmungen, die einfach zauberhaft sind.

Hier wird auf 1400 Metern Seehöhe unterhaltsames Theater mit hohem künstlerischem Anspruch geboten. Auch der kräftige jubelnde Schlussapplaus, trotz kältesteifer Hände, spricht für dieses wirklich gelungene Projekt, dem ganz viele Zuschauer zu wünschen sind. Theater, das man einfach nur genießen oder auch trefflich diskutieren kann.

 

Shakespeare am Berg
14. Juli - 6. August
Bergarena Mutterberg
www.shakespeareamberg.at