Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Dagmar Ullmann-Bautz · 01. Mai 2013 · Theater

Fesselnde Musik und prickelndes Schauspiel – „Gefährliche Liebschaften“ am Vorarlberger Landestheater

Eine polarisierende Uraufführung bot das Vorarlberger Landestheater am gestrigen Dienstag mit „Gefährliche Liebschaften“, inszeniert als Musical Noir von Marcus Nigsch, Micaela von Marcard und Paul Winter. Der Briefroman von Pierre-Amboise-Francois Choderlos de Laclos, der zu seiner Zeit skandalisierte, unterm Ladentisch jedoch zu tausenden verkauft wurde, hat bis heute nichts von seiner Bedeutung als Sittenbild des zu Ende gehenden Ancien Regime, kurz vor der Französischen Revolution, verloren. Der Autor schuf einen erotischen, aber auch politischen, gesellschaftskritischen Roman, der 1988 von Stephan Frears mit einer hochkarätigen Besetzung als opulentes Kostümfest verfilmt wurde.

Großartiges Streichquartett


Der Autorin und Dramaturgin Micaela von Marcard gelang ein Theatertext, der die Essenz der Briefe in kurze, rasche Szenen bindet, die von einem scharfen und klaren Blick auf die einzelnen Figuren zeugen und auch überzeugen. Die Musik von Marcus Nigsch hat etwas positiv Verwirrendes – kaum glaubt man Zusammenhänge und Leitmotive zu erkennen, ist im nächsten Moment alles schon wieder ganz anders. Der Reichtum an musikalischen Facetten quer durch die Musikgeschichte beeindruckt und lässt aufhorchen. Die auch vom Schwierigkeitsgrad unterschiedlichen Stücke wurden von den Musikern (Streicher) des Geordie Gill Quartetts, unterstützt von Paul Winter am Klavier und Cembalo, wunderbar umgesetzt. Die Liedtexte schrieb Paul Winter und schaffte damit einen Einblick in das Seelenleben, die inneren Befindlichkeiten der einzelnen Figuren. Für die musikalische Leitung engagierte das Landestheater den jungen und talentierten Johannes X. Schachtner.

Nuancierte Figuren


Thomas Wörgötter entwarf eine mehrschichtige Bühne, die durch das Hochziehen und Niederlassen der Rückwände die Perspektiven veränderte, und unterstützte damit gleichsam wie mit seinen Kostümen die einzelnen Szenen und Entwicklungen der Figuren. Das Licht von Arndt Rössler kommt kühl und klar, konzentriert sich auf das Wesentliche.

Regisseur Paul Lerchbaumer führt seine Figuren sensibel, nuanciert und jeweils nur auf sich selbst konzentriert, was dem Großen und Ganzen gut tut und die Produktion rund und harmonisch gestaltet. Ein wenig mehr Unterstützung für ihre Darstellung hätten die beiden großartigen Sänger Annette Koch und Hubert Wild gebraucht. Mit ihrer gesanglichen Leistung überzeugen sie in jeder Sekunde, in der schauspielerischen bis zur Pause leider nicht hundertprozentig. Im zweiten Teil des Stückes wird ihr Spiel dann aber doch intensiver und kraftvoller. Natürlich ist es schwierig, neben großartigen und beweglichen SchauspielerInnen wie Katrin Hauptmann, Laura Louisa Garde und Andreas Jähnert zu bestehen.

Überzeugendes Ensemble


Annette Koch begeistert als Marquise de Merteuil mit ihrem Gesang, ihrer Kälte und Abgebrühtheit. Die Verletztheit aus der sich ihre Rachelust nährt, ist nicht zu erkennen. Stimmlich stark  betört auch Hubert Wild das Publikum mit seinem Gesang. Leider gelingt es ihm nicht als unwiderstehlicher Verführer zu überzeugen, während die seelische Zerrissenheit zwischen Liebe und egoistischer Eroberung doch durchzublitzen vermag. Beides sind höchst komplexe Figuren - kranke liebesunfähige Seelen, die nur aus der Rache zehren.

Katrin Hauptmann lässt uns tief in die Seele der Madame de Tourvel blicken und berührt und bewegt mit jedem Satz und jeder Gestik. Einnehmend und höchst souverän auch ihre gesangliche Leistung. Bezaubernd und abstoßend zugleich die junge Cecile de Volanges, deren Wandlung im Laufe des Stückes von Laura Louisa Garde eindrücklichst dargestellt wird. Andreas Jähnert präsentiert den Chevalier de Danceny mit viel Gefühl und Witz.

Kontroverse Reaktionen


Auftragsarbeiten dieser Art sind immer ein Risiko für ein Theater, da sie ganz viele Parameter, viel Unabwägbares bergen, was sie wiederum für das Publikum höchst spannend werden lässt. Dank der Unterstützung des „Vereins der TheaterFreunde Vorarlbergs“ konnte das Projekt durchgeführt werden und löste beim Publikum höchst kontroverse Reaktionen aus. Zuschauer, die in der Pause gingen, haben jedoch einiges versäumt, die Gebliebenen äußerten ihre Begeisterung mit großem Applaus.