2025 ist der erste Festspielsommer in Bregenz unter der Leitung von Intendantin Lilli Paasikivi (Foto: Anja Köhler)
Dagmar Ullmann-Bautz · 06. Aug 2021 · Theater

Käsekrainer – Kokain fürs Volk! Die Uraufführung von „Lohn der Nacht“ im Theater Kosmos

Im Zentrum der Geschichte, des Theaterabends steht, ganz profan, ein Würstelstand – die Wurstinsel. Um ihn herum begegnen sich im Laufe einer Nacht Menschen, ganz unterschiedliche Menschen, mit ihren ganz persönlichen, zum Teil konvergierenden Geschichten, ihren Eigenheiten, ihren Träumen. „Lohn der Nacht“ von Bernhard Studlar gewann im letzten Jahr den Dramatikerpreis der Theaterallianz, der, gemeinsam mit den Bregenzer Festspielen, zum Thema „Arroganz des Kapitals“ ausgeschrieben war. Am gestrigen 5. August feierte das Stück unter der Regie von Jana Vetten eine ganz wunderbare Premiere im Theater Kosmos.

Flockig leichte Inszenierung

Autor Bernhard Studlar ist ein Menschenfreund, ein Seelenforscher, was er mit seinen liebevoll gezeichneten Figuren und ihren Geschichten eindrucksvoll unter Beweis stellt. Sieben unterschiedliche Charaktere sind es, die sich in dieser besonderen Nacht an der Wurstinsel begegnen, dort philosophische Weisheiten austauschen, sich streiten, sich verlieben, glücklich, traurig und voll Wut sind. Flockig leicht inszeniert Regisseurin Jana Vetten die kleinen und großen Geschichten dieser Menschen, die mir ganz persönlich und jeder/m Einzelne/n, im Laufe des Abends so richtig ans Herz gewachsen sind. „Schreibs ins Herz und an die Wand“, singt das Ensemble am Ende des Stücks – so kitschig, so schön – ein Ohrwurm, der mich bis zum Einschlafen begleitet.

Wunderbares Ensemble

„Wenn Religion Opium fürs Volk ist, dann ist die Käsekrainer Kokain fürs Volk“, weiß Carla, die Würstelstandbesitzerin. Sie verkauft nicht nur Käsekrainer und Hotdogs, Bier und Wodka, sie ist eine kluge Beobachterin ihrer Mitmenschen, hat ein großes Herz, Menschenverstand und immer einen klugen Spruch parat. Lilly Prohaska verleiht ihrer Carla einen wunderbar spröden Charme. Zeynep Buyraç spielt die Diva, die Opernsängerin, die an diesem Abend, nach einer Babypause, als Madame Butterfly ihr Comeback feiert. Mit all der Unsicherheit, Nervosität und Grandezza, die man sich nur vorstellen kann, gezeichnet von Freude und Schmerz, hin und her gerissen zwischen Karriere und Muttersein verkörpert Buyraç eindrucksvoll diese Figur. Gleichzeitig streift Kindermädchen Billie mit ihrem Kinderwagen durch die Nacht, ein kleines eigenwilliges, starkes und kämpferisches Persönchen auf der Suche nach dem großen Glück, nach ihrem eigenen Weg. Ausdrucksstark und doch authentisch: Lara Sienczak, die Billie viel Wärme in den Blick legt, aber auch richtig viel Wut verleiht.

Humorvoll und souverän

Luka Vlatković bringt ein gutes Maß an Humor auf die Bühne. Sein Mimo, ein Fußballprofi, ausgestattet mit einer riesigen Portion Eitelkeit und Bauernschläue, schwadroniert und plappert sich durch die Nacht. Besonders „der Kommissar“ wird so richtig von ihm eingekocht - er: ein einfacher Streifenpolizist im Zwiespalt zwischen Wahrheit und Lüge, zwischen Gesetz und Korruption. Till Frühwald überzeugt als Polizist und Mensch mit Wünschen und Träumen, mit Enttäuschungen und kleinem Glück. Herrlich komisch auch seine Darstellung der Gestaltwerdung einer Bierdose und seines berauschenden Inhalts als Freund und Begleiter eines Mannes, der „Kopf“ genannt wird und der, nach einem schmerzlichen Verlust, sein Leben beenden will. Als „Kopf“ wie auch in der Rolle des Mäzens, der meint, dass alles, wirklich alles mit Geld zu kaufen sei, überzeugt Marcus Thill mit großer Souveränität im Wechsel der Figuren und in deren Spiel.
Es ist ein eigener Kosmos, eine eigene Welt, die sich in dieser und wahrscheinlich in jeder anderen Nacht um einen Würstelstand entspinnt. Menschen kommen und gehen, ihre Geschichten blitzen auf wie Sternschnuppen, manche verknüpfen sich, andere bleiben allein, manche erstrahlen und andere verglühen.

Tolle Ausstattung und fantastische Musik

Die Bühne und die Kostüme von Eugenia Leis sind eine herrlich zu betrachtende Mischung aus Schrägheit und Normalität, mit vielen kleinen Anspielungen und Facetten, und bilden trotzdem eine große, klare Einheit. Techniker Stefan Pfeistlinger setzt sowohl die Bühne als auch die Menschen in das rechte Licht, spielt virtuos mit Licht und Schatten.
Ein äußerst wichtiges Element des Theaterabends ist da auch noch die Musik, die durch die Nacht trägt, ein bestimmender Rhythmus, spürbar wie ein Herzschlag, ohne sich in den Vordergrund zu drängen. Verantwortlich für die Musik zeichnet Öğünç Kardelen.
„Lohn der Nacht“ ist ein Stück, das man sich gerne öfters ansehen möchte, um jedes Mal wieder Neues zu entdecken. Gut, dass es nach den drei Aufführungen im Rahmen der Bregenzer Festspiele im September nochmals eine Serie von Vorstellungen geben wird. Das Publikum bei der Premiere bedankte sich sowohl bei den Schauspieler/innen als auch beim Leading Team und dem Autor mit großem Applaus.

Weitere Vorstellungen:
6./7.8., 20 Uhr, Theater Kosmos, Bregenz
www.theaterkosmos.at