Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Dagmar Ullmann-Bautz · 12. Okt 2012 · Theater

Lampedusa – ein Oratorium feierte gestern Uraufführung im Theater Kosmos

Mariella Scherling-Elia hat den Stein ins Rollen gebracht. Ihre Idee war es, Lampedusa in den Mittelpunkt eines Theaterabends zu stellen. Lampedusa, die kleine italienische Insel am äußersten Rand Europas, im Mittelmeer ganz nah dem afrikanischen Kontinent, mit viel Sonne und blauen Buchten. Lampedusa, den Ort, den wir alle aus den Medien kennen, mit Tausenden von afrikanischen Flüchtlingen und fürchterlichen menschlichen Schicksalen.

Der erfahrene Theatermann und –leiter Augustin Jagg hat das Potential der Idee richtig erkannt und  umgehend  reagiert. Eine Art Oratorium stand zur Debatte und das Theater Kosmos erteilte einen Stückauftrag an Wolfgang Mörth und einen Kompositionsauftrag an David Helbock. Das Ergebnis wurde gestern Abend in der Inszenierung von Augustin Jagg  im Theater Kosmos in Bregenz präsentiert.

Vielschichtiger Text

Wolfgang Mörth lässt zwei Menschen aufeinandertreffen – eine junge Frau und einen nicht mehr so jungen Mann. Beide wollen sie nach Lampedusa zur Beisetzung ihres Vaters bzw. seines Freundes. Sie hat ihren Vater nie kennengelernt und er hat seinen Freund vor 25 Jahren zum letzten Mal gesehen. In der Wartehalle des Flughafens treffen sie sich und es entwickelt sich ein recht spannungsgeladenes Verhältnis. Der Text ist äußerst vielschichtig. Obwohl nur in eine ganz einfache Szenerie verpackt, vermag er viel zu erzählen – von der Anziehungskraft zwischen Mann und Frau, von Sehnsüchten und Ängsten, von Rettungsankern, die Menschen sich selber und gegenseitig zuwerfen, von ertrinkenden, flüchtenden, leidenden Menschen, von wunderschönen und ganz grauenvollen Orten.

Großartige Musik

Dieselbe Vielschichtigkeit und Kreativität prägt auch die Musik von David Helbock, hervorragend gespielt von ihm selbst am Klavier, Herwig Hammerl am Bass, Alfred Vogel am Schlagzeug, flankiert von den wunderbaren Stimmen von Filippa Gojo und Michael Hartinger. Die Musik umrahmt, trägt, unterstützt, begleitet den Abend und lässt  Lampedusa sowohl als Sehnsuchtsort als auch als Ort des Grauens fast körperlich erfahren. Der musikalisch äußerst komplexen Umgang mit Wort- und Satzfragmenten aus dem Stück und aus den Notizen von Mariella Scherling-Elia erzeugt Spannung und vermittelt gleichzeitig eine ungeheure Leichtigkeit.

Schlichte, klare Formen

Auf einer erhöhten Bühne, eingetaucht in ein wechselndes Farbenspiel, agieren die Musiker mit großer Leidenschaft. Davor, eine Ebene tiefer, ist eine kleine Flughafen-Wartehalle und später ein sakraler Raum mit Urne aufgebaut. Diese sehr klare und effektive Bühne, die nichts vertuscht, aber auch nichts aufsetzt, wurde von Alex Kölbl entworfen und von dem jungen Matthias Zuggal in ein stimmungsvolles und doch sehr eindeutiges Licht getaucht.

Starker Applaus

Augustin Jagg  besetzte das Zweipersonenstück mit Diana Kashlan und Bernhard Majcen. Diana Kashlan erinnerte mehr an eine pubertierende Göre als an eine 25-jährige Frau, was für das Publikum sehr erheiternd war, jedoch etwas die Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzte. Bernhard Majcen verkörpert ruhig und unauffällig den verkopften Intellektuellen, der, fasziniert von der jungen Frau, mit seinem Wissen und seiner Offenheit kokettiert.

Mit starkem Applaus bedankte sich das Publikum für einen ausdrucksvollen Abend mit Theater und beseeltem Musikgenuss.