Pure Theaterlust –„Working Pure“, die Uraufführung des Aktionstheater Ensembles am Dornbirner Spielboden
Das ist wieder einmal Gruber pur: Intensiv, temporeich, provokant, hoch erotisch, unterhaltsam und ungemein dicht! Jeder Satz wurde von Theaterleiter und Regisseur Martin Gruber auf den Punkt genau inszeniert, haarscharf, mit eindrücklichen Bildern, einer prallen Musik und mit Schauspielern, die mit jeder Faser überzeugen und faszinieren. Dazu ein Bühnenbild, das in seiner Schlichtheit eine überdeutliche Sprache spricht.
Eine Besonderheit des Abends liegt im Spiel mit der Realität, in der perfekt inszenierten Wahrhaftigkeit – die Schauspieler nennen sich bei ihren eigenen Namen, sie sind augenscheinlich ganz in und bei ihrer wahren Person und man stellt sich letztlich die Frage, wo denn nun die Grenze zu ziehen ist zwischen Wirklichkeit und Fiktion.
Zwei Welten treffen aufeinander
Zwei Männer, ganz unterschiedliche Typen, begegnen sich in einer Situation größter Anspannung und Ängste. Sie fühlen sich bis an den Rand der Gesellschaft gedrängt, beiden droht der soziale Abstieg, der völlige Absturz. Ohne Job und ohne Wohnung, ohne Halt in einer Familie und ohne Freunde treffen sie aufeinander – zwei Antipoden, die sich abstoßen und doch unweigerlich wieder anziehen, dies und gerade eben auch in erotischer Manier.
Aggression und Depression
Beide verfügen über deutlich andere Mechanismen mit ihren Ängsten, mit den Widrigkeiten ihrer Lage umzugehen. Schauspieler Stefan Bernhard setzt gewaltiges Aggressionspotential frei, das er vornehmlich kinetisch, in Bewegung, in Sport und in Muskelaufbau umsetzt. Mit ungemeiner Energie fuhrwerkt er so durch das Stück – sein Körperbewusstsein ist schlicht immens. Er zeigt die perfekten Liegestütze, die perfekten Klimmzüge, die so manchen im Publikum erblassen lassen. Nikolaus Firmkranz dagegen ist starr vor Angst, fast bewegungsunfähig, er sitzt, spielt mit seinem Handy, um in der Extremsituation gewaltig zu explodieren.
Eindrückliche Mixtur
Die Texte sind ungemein dicht, Monologe, geschrieben von Wolfgang Mörth, entwickelt in der Zusammenarbeit mit dem Ensemble. Das Überangebot macht es kaum möglich, alles zu hören, zu sehen, zu begreifen. Faszinierend Mörths Exkursionen in Fauna und Flora, seine Anspielungen und Querverbindungen. Statt den moralischen Zeigefinger zu erheben, legt er den Finger leise und unprätentiös mitten in die offene Wunde. Er erzählt Geschichten von Ameisen und Pilzen, von unbemerkbaren Manipulationen, von Fäulnisprozessen. Verknüpft mit Interviews, mit realen Geschichten, die Martin Gruber und Martin Ojster (Dramaturgie) gesammelt haben, ist eine wunderbare Mixtur aus dem realen Leben einerseits sowie der künstlerischen Analyse und Auseinandersetzung andererseits entstanden.
Musik, die berührt und mitreißt
Stephan Sperlich und Guenther Berger von 78plus – schon seit Jahren bewährte Partner des Aktionstheaters – weben einen eingängigen musikalischen Teppich für das Stück, der von der jungen Vorarlberger Punkband „The Result of Boredom“ immer wieder lautstark durchkreuzt und kraftvoll aufgebrochen wird.
Spannende Bilder
Die bildhafte Umsetzung von Felix Dietlinger mit live mitgefilmten Video-Samples ist spannend. Gleichzeitig unterstützt Dietlinger als auf der Bühne arbeitende und agierende Person den Wahrhaftigkeitsanspruch des Stückes. Gleichermaßen die Kampftruppe, die, dargestellt von Vorarlberger AmateurschauspielerInnen, immer wieder in kleinen Einsätzen auftaucht oder einfach nur präsent ist.
Eine rundherum gelungene Produktion, die dem Publikum einiges zum Nachdenken, einiges zum Diskutieren mitgab und für den einen oder anderen auch den einen oder anderen Aufreger bereithielt. Am Premierenabend wurde das vorweihnachtliche Theaterpräsent dankbar bejubelt.
Weitere Aufführung:
Heute, Samstag, 3.12. um 20.30 am Spielboden Dornbirn
www.spielboden.at